Evergreen Musiker Egbert Fröse: „Ergebnis einer wunderbaren Zeit“

Wuppertal · Die LP „Langsyne“ ist ein seltenes und bei Sammlern höchst gefragtes Wuppertaler Juwel aus der „Krautrock-Ära“. Welche außergewöhnliche Geschichte dahinter steckt, verrät Egbert Fröse, einer der Macher.

 Gemeinsam mit Ulrich Nähle und Matthias Mertler hat Edgar Fröse mit der LP „Langsyne“ ein wertvolles Stück Musikgeschichte geschrieben.

Gemeinsam mit Ulrich Nähle und Matthias Mertler hat Edgar Fröse mit der LP „Langsyne“ ein wertvolles Stück Musikgeschichte geschrieben.

Foto: Manfred Bube

Als ich im Frühjahr den Namen Egbert Fröse im Gemeindebrief las, stutze ich: Der ist dir doch schon mal begegnet. Kurz nur, beim Weiterlesen verflüchtigte sich der Gedanke. Dann, vor Wochen an einem verregneten Sonntagvormittag, stöbere ich mal wieder in der Schallplattensammlung, bleibe bei der LP „Langsyne“ hängen. Ein inspirierende Scheibe für ruhige Momente, nur selten gehört. Beim Auflegen sticht mir auf dem Label wieder Egbert Fröse ins Auge: Jetzt war klar, woher ich den Namen kannte. Neugierig beginne ich zu recherchieren und staune: Weniger, weil es nur 200 Pressungen von „Langsyne“ gibt, aber umso mehr bei der Tatsache, dass gut erhaltene Exemplare bei Sammlern hoch im Kurs stehen. Jetzt brenne ich darauf, mehr von Egbert Fröse zu erfahren.

Tage später öffnet mir in der Deweerthstraße ein ebenso drahtiger wie energiegeladener Mann die Tür und beginnt zu erzählen, wie alles anfing. Davon, wie er schon als Jugendlicher begeistert Gitarre spielte, wie er 1969 mit Schlagzeuger und Flötist Ulrich Nähle einen kongenialen musikalischen Partner auf der gleichen Wellenlänge mit gleicher Vorliebe für Improvisationen fand. Es ist die Zeit, wo der „Krautrock“ aufblüht und variationsreiche Musikblüten treibt. Inspiriert von Musikern wie „Donovan“ und Formationen wie „Tangerine Dream“ und der „Incredible Stringband“ entwickeln beide neue Arrangements, brechen mit dem üblichen Text-Refrain-Rhythmus, kreieren einen ganz eigenen Stil, der, reichhaltig instrumentiert, in Richtung PsychFolk geht. Und sie sind gefragt. Ab und zu auf der Bühne in der alten Börse an der Viehhofstraße, mehr noch im Freundeskreis passt ihre Musik in Zeitgeist und Aufbruchstimmung Ende der 60er Jahre, in der ja ohnehin Experimentieren auf vielen Ebenen dazugehörte ...

Bis 1971, dann war Pause angesagt. „Ich hatte meine Ausbildung zum Kaufmann abgeschlossen, schon stand „Strammstehen“ an“ erklärt Fröse (Jahrgang 1952). Sein Dienst beim Bundesgrenzschutz führt ihn nach Italien und Marokko und zu neuen Ideen. „Die Wurzeln von ‚Medina‘, einem der schönsten Songs auf der Platte, liegen in Casablanca“, so Fröse. Zurück in Wuppertal, erweitert Gitarrist und Banjo-Spieler Matthias Mertler die Formation, die sich jetzt „Langsyne“ (bedeutet im schottischen Sprachgebrauch so viel wie „vor langer Zeit“) nennt. 1976 entschließen sich die Musiker, Teile des vorhandenen Materials für eine gleichnamige Schallplatte zu verwenden.

Die Produktion übernimmt das Label Düsselton. Allerdings: Die 2.500 Mark, die als Budget zur Verfügung stehen, lassen nur die Pressung von 200 Exemplaren zu. Als die auf den Markt kommen, ist Fröse, der zwischenzeitlich Deutsch und Englisch studiert, als Austauschstudent in den Staaten aktiv: Er schreibt ein Musical, das, in einem College uraufgeführt, ein Pilotprojekt bleibt.

Nach seiner Rückkehr 1977 trennen sich die Wege der Musiker von „Langsyne“: Der gemeinsame musikalische Nenner von einst passt nicht mehr zu ihren individuellen Lebensentwürfen, und nicht nur aus der gleichen Vorliebe für Klänge sind Disharmonien geworden. Während Fröse als Lehrer arbeitet, gewerkschaftlich aktiv ist und promoviert, verlieren sie sich aus den Augen. Was bleibt, ist die LP von 1976. Auch wenn es 1992 eine Neuauflage auf CD und Platte, 2011 nochmals eine weitere Vinyl-Auflage von 1.000 Stück sowie 2016 eine Pressung mit weiteren Songs aus den kreativen 70er Jahren gab, ist es doch die Urfassung, die als Meisterwerk des Deutschrock im guten Zustand bei Sammlern begehrt ist und um die 2.000 Euro gehandelt wird.

Warum? „Ich denke, es liegt am musikalischen wie inspirativen Gehalt der Musik, denn die entführt auf eine Reise in die Tiefen des Bewusstseins und des Unterbewussten“, nennt Fröse augenzwinkernd eine Antwort, die nahelegt, dass das substanzielle Fundament von „Langsyne“ auch berauschende Akzente kennt. Und somit ein außergewöhnliches musikalisches Relikt ist, das so nur in dieser Zeit entstehen konnte. In dieser Ära setzten bekanntlich auch „Tangerine Dream“ beachtliche Akzente im Genre.

Dass Egbert Fröse immer noch mit dieser Band in Verbindung gebracht wird, hat einen kuriosen Hintergrund: Der Frontmann der Formation hieß Edgar Fröse, was Verwechslungen durchaus verständlich macht. Egbert Fröse, heute im aktiven Unruhestand als Presbyter in der Evangelischen Kirchengemeinde Uellendahl/Ostersbaum sowie im Bürgerverein Ostersbaum engagiert, sagt rückblickend: „Langsyne ist das Ergebnis einer wunderbaren Zeit, die ich nicht missen möchte.“

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