Top Wuppertal Wuppertaler Projekt in Ghana: Mit Musik das Leben meistern

Wuppertal · Markus Baisch, Chordirektor der Wuppertaler Bühnen, gründete vor fünf Jahren ein Musikprojekt für Kinder aus den Slums von Accra in Ghana. Mittlerweile sind ein Waisenhaus und Schulen aus den Armenvierteln hinzugekommen. Seit Sommer 2018 hat er im Wuppertaler Geigenbauer Erhard Buntrock einen engagierten Mitstreiter gefunden.

 Eberhard Buntrock in Ghana.

Eberhard Buntrock in Ghana.

Foto: Buntrock / Baisch

Wie so oft war es der Zufall, der Baisch dazu brachte, sich in Ghana sozial zu engagieren. „2007 trudelte bei mir eine Anfrage der Lufthansa ein, ein Konzert des National Symphony Orchestra in Accra zu dirigieren. Ich sagte zu und wurde sofort für das kommende Jahr wieder verpflichtet.“ Doch bei seinem zweiten Besuch nahm er sich die Zeit, die Armenviertel der Zweieinhalb- Millionen-Stadt zu besuchen, schließlich hatte man ihn gebeten, dort in einer Schule mit den Kindern Musik zu machen.

„Die Armut und die Lebensverhältnisse erschütterten mich, oft besteht die einzige Perspektive der Kinder darin, Wasser, Toilettenpapier oder sonst irgendwas auf der Straße zu verkaufen“, beschreibt Baisch seine Erfahrungen. „Doch da das National Symphony Orchestra mit Nachwuchssorgen kämpft, kam mir die Idee, Kinder an Instrumenten auszubilden, ihnen so Chancen für die Zukunft zu geben“, erzählt der engagierte Künstler, der selbst Vater einer kleinen Tochter ist.

 Bei einem ähnlich gelagerten Projekt in Nicaragua kann Markus Baisch sogar auf eine Instrumentenwerkstatt zurückgreifen.

Bei einem ähnlich gelagerten Projekt in Nicaragua kann Markus Baisch sogar auf eine Instrumentenwerkstatt zurückgreifen.

Foto: Buntrock / Baisch

Wieder zurück in Darmstadt, wo Baisch damals noch am Theater tätig war, berichtete er von seinen Ideen, sammelte Spenden und Instrumente für sein Projekt. Zwei Abiturienten waren sofort begeistert und wollten ein soziales Jahr in Accra leisten, um den Kindern Musik- und Instrumentalunterricht zu geben. Man schloss dem sich Hamburger Verein „Musiker ohne Grenzen“ an und richtete Wohnungsmöglichkeiten für die freiwilligen Helfer in Accra ein.

„Das war der Anfang“, erklärt Baisch, „mittlerweile haben wir ständig bis zu sechs Freiwillige vor Ort, sie unterrichten verschiedene Instrumente, leiten die Chormusik und geben allgemeinen Musikunterricht.“ In verschiedenen Stadtvierteln sind so Chöre und kleine Orchester entstanden. Und im Sommer, wo Baisch jeweils zwei bis drei Wochen vor Ort ist, „holen wir alle Kinder zu zwei großen Konzerten zusammen.“

Damit in Ghana genügend Instrumente zur Verfügung stehen, sammelt er unterdessen in Deutschland fleißig ausgediente Stücke. „Und seit ich bei den Wuppertaler Bühnen arbeite, konnte ich mit Erhard Buntrock einen Fachmann gewinnen, der die gespendeten Instrumente überarbeitet und repariert. Er kennt die Problematik ja schon durch sein großes Engagement in Nicaragua“, freut sich Baisch über diese Unterstützung.

 Im Sommer kommen die Kinder zu zwei großen Konzerten zusammen.

Im Sommer kommen die Kinder zu zwei großen Konzerten zusammen.

Foto: Buntrock / Baisch

In diesem Sommer traten Baisch und Buntrock gemeinsam die Reise nach Accra an, so lernte der Wuppertaler Geigenbauer erstmalig die Schwierigkeiten vor Ort kennen: „Ghana ist ein Land mit großen materiellen Problemen“, erläutert Buntrock. „Die Kinder lassen sich zwar leicht motivieren, denn die Musik bereichert ihren oft trostlosen Alltag, aber die Überzeugung der Eltern gestaltet sich schwieriger. Deren Probleme bestehen schlicht darin, wie sie an die nötigen Lebensmittel für die Familie kommen. Außerdem müssen die Kinder nach der Schule oft arbeiten, um zum Unterhalt der Familie beizutragen. Doch mittlerweile erlernen rund 90 Kinder ein Instrument. Und in einer Bibliothek haben wir einen Raum gefunden, der immerhin trocken und nicht zu staubig ist, um die Instrumente zu lagern“, vermisst Buntrock die in Nicaragua bereits vorhandene Infrastruktur, die ihm sogar die Einrichtung einer Instrumentenwerkstatt erlaubte. „Das dürfte hier schwieriger werden, man könnte vielleicht an einer bestehenden Nähwerkstatt für Straßenkinder die Fachrichtung Instrumentenbau einführen. Doch dazu braucht man Geld.“ Deswegen hat er sich an den CDU-Bundestagsabgeordneten Jürgen Hardt gewandt, ob man nicht aus dem Topf zur „Fluchtursachenbekämpfung“ Mittel bekommen könnte.

Unterdessen gibt es bereits erste Erfolge. „Ein von uns ausgebildeter junger Cellist spielt heute im National Symphony Orchestra und engagiert sich ehrenamtlich weiter in unserem Projekt“, freut sich Markus Baisch. Der Anfang ist gemacht, schließlich möchte er gerne erreichen, dass man sich in zehn Jahren zurückziehen kann und die Ghanaer das Projekt selbst fortführen. „Wir haben schon viele positive Rückmeldungen der Schulen erhalten. Kinder, die ein Instrument erlernen, seien ausgeglichener, ehrgeiziger und disziplinierter“, merkt man Baisch die Freude über die Entwicklung an.

Schließlich bringt sein aufwendiges „Hobby“ neben der Chorarbeit bei den Wuppertaler Bühnen und der Familie viel Stress in sein Leben. Dennoch will er auch im kommenden Sommer wieder die Koffer packen und den Flieger nach Accra besteigen. Sollte sich bis dahin abzeichnen, dass die Finanzierung eine Instrumentenwerkstatt möglich ist, wird Erhard Buntrock wieder dabei sein.

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