Seit 2021 verpflichtet das rheinische Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt alle Kirchenkreise und ihre Gemeinden, Präventionsschulungen anzubieten. Jugendreferentin Bettina Hermes hat damit schon drei Jahre zuvor im Jugendbereich begonnen, denn, so betont sie im Podcast: „Wir möchten den Blick für sexuelle Selbstbestimmung, eigene Bedürfnisse und Grenzen schärfen. Dazu gibt es viel Unsicherheit und viele Fragen.“
Rund 1.000 Jugendliche und Erwachsene hat die Jugendreferentin in ihren achtstündigen Kursen bisher geschult. Oft seien die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit der Erwartung gekommen, dass sie lange darüber referiert, wie sexueller Missbrauch zu erkennen ist, erzählt sie.
Ungefragte Umarmungen hinterfragen
„Sie sind dann erstaunt, dass es zunächst um sie selbst geht, um ihr Verhältnis zu Nähe und Distanz. Denn es ist individuell verschieden, welchen Abstand zu anderen Menschen wir im Gespräch brauchen, ob und wie wir umarmt und angefasst werden möchten“, betont Bettina Hermes. „Ich ermutige dazu, sich darüber klar zu werden und das dann auch zu kommunizieren.“
Neben dem Thema des grenzverletzenden Verhaltens, das einen großen Raum einnimmt, wird in den Schulungen auch über Täterstrategien und Fallbeispiele informiert. Ganz wichtig ist für Bettina Hermes aber, die Teilnehmenden ihrer Workshops sprachfähig zu machen. „Dazu gehört auch, ein komisches Bauchgefühl nicht zu ignorieren, sondern es anzusprechen“, betont sie.
Kirche als Schutzraum ernstnehmen
Manfred Rekowski, früherer Superintendent des Kirchenkreises und ehemaliger Präses der rheinischen Kirche, hatte bereits als leitender Theologe an einer Schulung in Düsseldorf teilgenommen und war nun nochmals in der Gemeinde Wichlinghausen-Nächstebreck dabei. „Als ich die Einladung von meiner Gemeinde bekam, habe ich erstmal gedacht: Geht’s noch?“ berichtet er offen. Doch dann habe er sich ein zweites Mal darauf eingelassen und persönlich sehr viel mitgenommen.
„Es geht gar nicht in erster Linie darum, dass wir mit den Schulungen vermeiden, dass jemand zum Täter wird“, erklärt er. „Es geht darum, dass wir hellwach sind und mitbekommen, wo es Übergriffe gibt.“ Schließlich solle Kirche ein Schutzraum sein. „Daher müssen wir alles tun, damit Menschen hier keine verbalen oder handgreiflichen Übergriffe erleben.“
Auch Saskia, die sich ehrenamtlich in der Kinder- und Jugendarbeit der Gemeinde engagiert, hat von der Schulung profitiert, wie sie im Podcast sagt. „Grenzverletzendes Verhalten kann jede und jeden treffen, aber es kann auch jede und jeder helfen, damit es nicht geschieht“, betont sie. Als junger Menschen habe sie einen guten Kontakt zu Kindern und Jugendlichen. „Sie sollen mir vertrauen können, dass ich gute Wege finde, sie im Fall von grenzverletzendem Verhalten angemessen zu unterstützen.“