Sechs Monate hätten Gualtieri und sein Berliner Boxstall AGON Zeit für die Pflichtverteidigung gehabt. Und sie hätten auch einen einfacheren Weg wählen können – oder einen neuerlichen Kampf vor heimischem Publikum. Stattdessen nun der ganz dicke Brocken. „Diese Chance ist einmalig und ich bin mir sicher, dass Vincenzo sie ergreifen wird!“, hatte AGON-Sportmanager Dr. Horst-Peter Strickrodt im August gesagt.

Damit meint er den sportlichen und den finanziellen Aspekt. Die Einnahmen in Deutschland wären momentan eher überschaubar, die für den aktuellen Fight dagegen durchaus attraktiv. Und Gualtieri kann sich in die Geschichtsbücher eintragen. In Amerika hat nur Max Schmeling als Deutscher gewonnen. Und Gürtel von zwei Verbänden durften sich neben Schmeling nur noch Dariusz Michalczewski und Sven Ottke anlegen. Gualtieri, der seine Karriere in der Boxabteilung des ASV Wuppertal begann und bis 2018 von Graciano Rocchigiani betreut wurde, würde mit einem Sieg Historisches leisten.

Doch natürlich besteht auch die Gefahr, in der Versenkung zu verschwinden. Der Gegner ist kein Geringerer als der WBO-Titelträger Zhanibek Alimkhanuly aus Kasachstan. Der bereits eine beeindruckende Karriere hinter sich hat: 2013 holte er die Weltmeisterschaft der Amateure, 2016 nahm er an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro teil. 2018 schloss der Kasache sich dem amerikanischen Top-Rank-Team an. Im Mai 2022 gewann er gegen Danny Dignum den WBO-Interimstitel. Sechs Monate später, im November, bezwang er Denzel Bentley und sicherte sich den regulären WBO-Titel.

Doch Bangemachen gilt nicht. „Ich wollte schon immer in den USA kämpfen. Viele meiner Freunde und meine Familie werden da sein. Ich mache es zu meinem Heimspiel", kündigt Gulatiieri gegenüber der „Sportschau“ an. Ingo Volkmann ergänzt dort: „Unser Trainer ist sich wieder sicher: Übersteht Vincenzo die fünfte Runde, wird er auch diesen Kampf gewinnen. Wenn wir keine Chance gesehen hätten, hätten wir das Angebot bei aller Lukrativität nicht angenommen."