Aktivist aus dem Bundestag Warum Linus die Welt retten will

Wuppertal · Linus R. ist ein radikaler Weltverbesserer. Als Aktivist kettete er sich neulich im Bundestag an. Gerade lebt er in Elberfeld, bald radelt er nach Afrika. Zwischendurch hat er der Rundschau seine Perspektive von einer besseren Welt erklärt.

Linus in Wuppertal, an der Nordbahntrasse. Gerade kümmert er sich hier um seine Großmutter und jobbt. Bald möchte er Richtung Südafrika aufbrechen – mit seinem Fahrrad.

Linus in Wuppertal, an der Nordbahntrasse. Gerade kümmert er sich hier um seine Großmutter und jobbt. Bald möchte er Richtung Südafrika aufbrechen – mit seinem Fahrrad.

Foto: Max Höllwarth

Als Linus am 18. März mit Ketten und Banner die Kontrolle am Bundestag passiert, schlägt sein Herz bis zum Hals. Er und die anderen Aktivisten haben die Szenarien durchgespielt, alles in Erwägung gezogen. Was passiert bei einer Festnahme? Vor allem: Wie viel Zeit bleibt ihnen dazwischen?

Die Jugendlichen werden nicht aufgehalten. Über den Weg, der sich wie ein Schneckenhaus nach oben zieht, erreichen sie fast die Spitze der Glaskuppel. Einige ketten sich an. Andere lassen die riesigen Banner vom Geländer in die Tiefe fallen. Einige halten die Aktion mit dem Handy fest. „Die Zeit ist gekommen, dass die Jugend von heute mitentscheidet“, rufen sie. Auf den Bannern schwarze Lettern: „You Move.“ Ganze anderthalb Stunden hatten sie, bis die Security sie abführte.

Linus, derzeit Wuppertaler, irgendwie aber mehr Kosmopolit, war Teil der Performance, die 20 Jugendliche, zwischen 17 und 22 Jahre alt, aus der ganzen Republik säuberlich planten und durchführten.

Er redet politisch hochkorrekt – nicht, um einer Partei zu gefallen, sondern tatsächlich, um korrekt zu sein. Zwischen „Schüler“ und „innen“ setzt er gekonnt eine bewusste Sprechpause. Er kennt Menschen, die queer und divers sind. Durch sie hat er gelernt, dass Sprache ausgrenzen kann. Linus erzählt, er habe schon immer die Neigung gehabt, Gewohntes zu hinterfragen. So richtig politisiert wurde er bei den Protesten im Hambacher Wald. „Seitdem versuche ich mein eigenes Leben und meine Handlungen so zu korrigieren, dass sie nachhaltig sind.“

Die Bewegung, die die „Performance Bundestag“ organisiert hat, ist kein eingetragener Verein. „You Move“ sei vielmehr ein Kollektiv, von dem jeder Mensch Teil sein kann, der seinem Gefühl, nicht mehr stillsitzen zu wollen, Ausdruck verleihen möchte.

Nicht mehr hinnehmen möchte Linus, dass Politiker in ihrer Entscheidungsfindung auf kurzfristigen, wirtschaftlichen Erfolg setzen und damit Umweltschäden billigen. Er will verhindern, dass die Klimakrise im zähen Prozess der deutschen Demokratie unaufgehalten fortschreitet – kurzum, dass allein Menschen entscheiden, die die Konsequenzen nicht tragen müssen. Ein Engagement und der Aufstieg in einer Partei hin bis zum Entscheidungshebel sei ihm zu mühsam und zeitfressend. Als freier Aktivist, ist Linus überzeugt, kann er direkt Einfluss nehmen. Und ganz konkret mit „You Move“ die Initiierung eines Jugendrats fordern, der bei zukunftsweisenden Abstimmungen sein Veto einlegen kann.

Warum Linus die Welt retten will
Foto: You Move

Wuppertal wird nicht mehr lange sein Zuhause sein. Er ist erst vor sechs Monaten hergezogen, um seine Großmutter zu unterstützen. Gerade jobbt er, um sein nächstes Projekt zu finanzieren. Im Oktober soll es losgehen – mit dem Fahrrad Richtung Südafrika. Einmal ist er nach Namibia geflogen. Es hat ihn traurig gemacht, über all die Menschen und ihre Lebenswelt hinweg zu fliegen. Das nächste Mal möchte er mit ihnen sprechen.

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