Teschemacher Hof Nun das älteste erhaltene Gebäude in Wuppertal
Wuppertal · Der Teschemacher Hof in Uellendahl-Katernberg im Stadtteil Elberfeld wird momentan saniert. Der beeindruckende, mit Schiefer behangene, große Fachwerkbaukomplex ist ein regelrechtes Wahrzeichen Wuppertals. Die Arbeiten in dem alten Gebäude mit seinen Wohnungen sollen im Frühjahr 2023 abgeschlossen sein.
Das denkmalgeschützte Gebäude war Ende 2019 von dem Immobilienunternehmen mit Büro in Wuppertal „renaissance Immobilien und Beteiligungen AG“ gekauft worden. Während der Sanierung kamen Holzbalken des Fachwerks zum Vorschein, die im Laufe der vergangenen Jahrhunderte durch Umbauten und Modernisierung untergegangen waren.
Christian Baierl (Vorstand des Unternehmens) war sofort begeistert: „Als die ersten Informationen auf dem Tisch lagen, dass die Anlage viel älter sein könnte als bisher angenommen, wollte ich sofort die Gelegenheit wahrnehmen und der Sache auf den Grund gehen. Jetzt war die einmalige Gelegenheit, die ältesten baulichen Strukturen näher in Augenschein zu nehmen und dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Die Frage war nur wie.“ (Bilder:)
Er nahm Kontakt mit der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Wuppertal auf: „Das erfahrene Team rund um Denkmalschutz und Denkmalpflege gab mir den wertvollen und entscheidenden Tipp zu einer Holzuntersuchung und einer historischen Betrachtung des Gebäudes durch eine Kunsthistorikerin. Ich setzte sofort ein Expertenteam darauf an und dies führte zu einem konkreten Ergebnis. Ich bin dem Denkmalamt sehr dankbar für diese fachlich hervorragende Betreuung. Ohne die Behörde wären wir hier nicht weitergekommen.“
Bisher vermutete man bauhistorisch nämlich das Jahr 1630 als Entstehungsjahr der Hofanlage. Eine spezielle Untersuchung, die Datierungswissenschaft der „Dendrochronologie“, also Holzaltersbestimmung, hat gerade das Geheimnis gelüftet. Das Ergebnis ist eine Überraschung: Die Ursprünge liegen über 480 Jahre zurück, also im Jahr 1540. Wesentliche Elemente des hofseitigen Flügels stammen aus diesem Jahr.
Aus dieser Zeit stammt ein zweigeschossiger Bau, dessen südwestlicher Außengiebel noch heute – gut geschützt und unter Schiefer verborgen – erhalten ist. Im Inneren werden dessen Deckenbalken von Knaggen (Platten auf Pfosten und Schwellen zur Kraftübertragung) unterstützt. Momentan ist noch nicht völlig geklärt, ob um 1540 bereits beide Gebäudeflügel vorhanden waren, da sich auch im Vorderhaus bauliche Strukturen aus dieser Zeit finden. Auch ein wiederum früher auf 1518 datierter Holzständer, der auch acht Jahre jünger oder älter sein könnte, gibt noch Rätsel auf.
Zu den zahlreichen baulichen Erweiterungen, die in verschiedenen Phasen dem 18. und 19. Jahrhundert zuzuordnen sind, zählt die Aufstockung um ein Vollgeschoss mit Erneuerung der Dachkonstruktion. Aber auch der kapellenartige Anbau, der an den Südwestgiebel von 1540 anschließt, scheint aus dieser Zeitphase zu stammen. Wesentliche Ausstattungselemente wie Türen, Treppen und Wandmalereien im Haupthaus sind dem Klassizismus des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert zuzurechnen. Die Aufteilung des hinteren Flügels in einzelne Wohneinheiten erfolgte vermutlich später.
Anhand der hohen Fensterformate und abweichenden Deckenhöhen gut erkennbar ist auch die Erweiterung des Vorderhauses um zwei Fensterachsen nach Süden. Trotz der zahlreichen baulichen Veränderungen wirkt der Bau durch den Behang mit Naturschiefer und der fortgeführten Adaption der Knaggen an der zur Allee gerichteten repräsentativen Hauptfassade wie ein harmonisches Ganzes. Damit ist das Haus das älteste erhaltene Wohngebäude der Stadt Wuppertal.
Auch international ist die zweiflügelige Hofanlage bekannt, nämlich als Wirkungsstätte des bekannten Orgelbauers Jakob Engelbert Teschemacher, der hier im 18. Jahrhundert lebte und arbeitete. Das kleine Glöckchen im Glockenturm auf dem Dachfirst ist bis heute erhalten, jahrhundertelang läutete es das neue Jahr ein. Seit über 50 Jahren ist es verstummt. Diese alte Tradition könnte wiederbelebt werden. Auf dem Türmchen zeigt immer noch der historische Engel mit der Posaune die Windrichtung an.
Der Teschemacher Hof, gelegen „In der Mirke“, liegt westlich der Uellendahler Straße zwischen Vogelsangstraße und Kohlstraße. In den Adressbüchern der damaligen Stadt Elberfeld heißt die Straße zwischen 1850 und 1868/70 noch „Mirke“, ab 1896/97 ist sie unter „In der Mirke“ zu finden. Wann sie genau so bezeichnet wurde ist unbekannt.
Das Wort „Mirke“ ist ursprünglich aus den Begriffen „Gemarke“, „Mark“ und „Merken“ entstanden. „Mark“ bedeutet Grenze oder Grenzbezirk oder auch gemeinsamer Besitz verschiedener Bewohner eines bestimmten Ortes an einer Grenze, zum Beispiel einem Wald. Hier ist das nördliche Grenzgebiet von Elberfeld gemeint. Denn das ursprüngliche Gebiet der Straße war damals viel größer als heute: Anfangs stand dort nur ein Hof. Sein Gelände wurde dann durch Baumrodungen vergrößert und auf drei Höfe aufgeteilt. So entstanden die Oberste Mirke (erwähnt 1543), Mittlere Mirke (erwähnt 1493) und Unterste Mirke. Diese Hofnamen erscheinen in historischen Unterlagen noch bis ins 17. Jahrhundert, danach allerdings nicht mehr.
Der heutige Teschenmacher Hof ist das Hofeshaus der Obersten Mirke, damals auch „Teschemachers Mirke“ genannt, auch eines der ältesten erhaltenen Hofeshäuser Wuppertals. Bis 1911 war der Fachwerkbau im Besitz der Familie Teschemacher, dann wurde er von der Stadt Elberfeld gekauft. Das viel spätere Schwimmbad in der Mirke geht auf eine Anlage der Familie Teschemacher zurück. Und den Namen Mirke trägt zudem ein Bach in Uellendahl.
Der alteingesessenen und bedeutenden Familie Teschemacher gehörten 13 Elberfelder Bürgermeister des 17. und 18. Jahrhunderts an. Das bekannteste Mitglied der Familie war allerdings der Orgelbauer Jakob Engelbert Teschemacher (19. April 1711 bis 26. Oktober 1782). Er war ein wahrer Meister seines Fachs.
Noch heute sind seine Heim- sowie Kirchenorgeln gesuchte und geschätzte Stücke mit einem ganz speziellen Klang. Bevor er seine erste Kirchenorgel um 1760 während der unruhigen Zeit des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) baute, hatte er bereits mindestens 20 Jahre früher Hausorgeln hergestellt. Ein genaues Datum ist nicht überliefert.
Diese Orgeln waren viel kleiner als Kirchenorgeln und in einer Art Schrank untergebracht, der nicht viel größer als ein Kleiderschrank ist. Solche praktischen Hausorgeln übergab man im 18. Jahrhundert den Töchtern reicher Patrizierfamilien als Hochzeitsgeschenk, genau wie ein Klavier oder Flügel in diesen Kreisen später zur Aussteuer gehörte.
Ein schönes Beispiel eines solchen Hausorgeltyps ist in der Uellendahler Philippuskirche zu bewundern. Sie wurde um 1770 gebaut und besitzt zwei durchgehende und vier halbe Register, mit denen der Klang der Orgelpfeifen verändert wird. Sie wurde 1860 vom Kommerzienrat Wilhelm Meckel gestiftet, geschenkt von Baronin Selma von der Heydt, sehr wahrscheinlich aus ihrem eigenem Besitz. Eine Teschemacher Orgel war schon immer etwas Besonderes.
Seine erste Kirchenorgel baute Jakob Engelbert Teschemacher rund 50-jährig im Jahr 1760 in seiner Werkstatt in seinem Elternhaus, also im heutigen Teschemacher Hof. Diese soll sich im langen Ostflügel des Hauses befunden haben, in der Form einer kleinen achteckigen Chorkapelle. Die Orgel war für die lutherische Kirche am Kolk bestimmt, die allerdings 1895 abgerissen wurde.
Zu dieser Zeit gab es in den Kirchen noch keine Orgeln, Jakob Engelbert war sozusagen ein Wegbereiter der kirchlichen Orgelmusik. Denn damals hielten viele Menschen, auch seine Freunde und Verwandten, eine Orgel für ein „heidnisches“ Instrument, da sie glaubten, nur die menschliche Stimme sei dazu berufen, Gottes Lob in der Kirche zu verkünden.
Doch das Instrument und auch seine Arbeit setzten sich durch. Schnell hatte er einen hervorragenden Ruf als Orgelbauer erlangt. Seine Instrumente hatten zudem einen bestimmten Klang, den ganz eigenen Teschemacher Klang. 1766 baute er für 850 Reichsthaler eine Orgel für die lutherische Kirche in Düsseldorf. Im Jahr 1770 fertigte er für Schwelm eine Orgel, für die ihm „567 Reichsthaler = 100 Pistolen“ bezahlt wurden.
Ein weiterer Auftrag für Wickrathberg brachte ihm sogar 900 Reichsthaler ein. Damals war das eine immense Summe Geld. Sein Meistergeselle Johann Gerhard Schrey führte seine Arbeiten nach seinem Tod fort. So sollen 1785 für die Orgel in Wupperfeld ganze 2.000 Reichsthaler gezahlt worden sein.
Überliefert ist auch das berühmte Treffen Goethes mit seinem Freund Jung-Stilling im Hause des Elberfelder Kaufmanns Anton Philipp Caspari am 22.07.1774. Neben dem Kaufmann Georg Friedrich Grohe aus Elberfeld war auch Jacob Engelbert Teschemacher dabei. Dies zeigt, dass die Elberfelder Teilnehmer dieses besonderen Treffens Angehörige der führenden Schicht des Wuppertals waren. Über das Treffen selbst ist leider fast nichts festgehalten worden.
Über den Menschen Jakob Engelbert Teschemacher ist nur wenig überliefert, es existiert auch kein Bildnis von ihm. Er soll ein sehr frommer Mann gewesen sein. „Freundlich, ernst, sanft, behutsam, ein verehrungswürdiger, herrlicher Mann“, so wurde er in der Sprache jener Epoche beschrieben. Zudem war er sicherlich ein vermögender Mann und zugleich auch Wohltäter der Armen, wie mehrfach bezeugt wurde. 1775 schenkte er der Schule im Uellendahl 300 Reichsthaler.
Sein Vater Wilhelm Teschemacher war bei Jakob Engelberts Geburt bereits 57 Jahre alt. Als Jakob Engelbert 15 Jahre alt war, starb sein Vater. Seine Mutter Katharina Margarethe heiratete fünf Jahre später mit 44 Jahren zum zweiten Mal, einen 30-jährigen Mann. Jakob Engelberts Großvater Adolf Elscheid war ehemaliger Lehrer und mit dem berühmten rheinischen Orgelbauer Peter Weidtman in Ratingen gut befreundet.
Jakob Engelbert erlernte hier wahrscheinlich das Orgelbauerhandwerk. Er hatte eine Schwester und zwei Brüder. Sein Pate war Bürgermeister und Ältester Johann Jakob Siebel. Jakob Engelbert Teschemacher starb als Junggeselle, wie es damals hieß: „71 Jahre alt, 6 Monate, 1 Woche“.