Schwerste Kindesmisshandlung Landgericht verhängt Gefängnisstrafen

Wuppertal · In einem Prozess um schwerste Misshandlungen an einem Jungen aus Wuppertal hat das Landgericht den 22 Jahre alten Hauptangeklagten, die Mutter (27) und ihren Freund (30) zu Gefängnisstrafen verurteilt.

 Die Angeklagten mit ihren Verteidigern.

Die Angeklagten mit ihren Verteidigern.

Foto: Dirk Lotze

Das zur Tatzeit zweieinhalb Jahre alte Kind hatte brutale Schläge und Verbrühungen knapp überlebt und muss mit bleibenden Schäden rechnen.

Der 22-Jährige, damals Mitbewohner des älteren Mannes, muss für acht Jahre in Haft. Den 30-Jährigen verurteilten die Richter zu drei Jahren, die Mutter zu zweieinhalb Jahren. Bewährung ist jeweils ausgeschlossen, das Urteil ist noch angreifbar. Auslöser für die Tat vergangenen Juli sei gewesen, dass das Kind "nervte".

Laut Urteil hatten die beiden Männer in der Wohnung des 30-Jährigen auf den Jungen aufpassen sollen, mitten im Zentrum von Vohwinkel. Der Ältere war der neue Freund der Mutter. Sie war für mehrere Tage außerhalb Wuppertals unterwegs. Dem Gericht zufolge hatte der Zweieinhalbjährige schon bei ihrer Abreise einen gebrochenen Arm. Und die Frau habe auch erkennen müssen, dass etwas "nicht in Ordnung war". Die schreckliche Feststellung: "Es war ihr völlig gleichgültig."

Der Hauptangeklagte habe das Kind über Tage misshandelt, weil der Zweieinhalbjährige in seine Windeln machte oder sonst "lästig" war. Laut einem Geständnis-Brief des 22-Jährigen habe er dem Kind zeigen wollen, was "Recht und Unrecht" ist. Die Folgen: Prellungen, Schüttel-Verletzungen und großflächige Verbrühungen. Das Kind soll vorübergehend blind geworden sein und blutig erbrochen haben. Nach einer Tortur soll der 22-Jährige seinem Opfer noch in die Ohren gekniffen haben, um Reaktionen zu testen. Richter Ulrich Krege erklärte: "Es ist unfassbar. Er macht das, weil er sich von einem Kleinkind 'verarscht‘ gefühlt hat. Und dann testet er noch das Schmerzempfinden."

Eine Internet-Nachricht des 30-Jährigen an die Frau benennt klar: "Der Junge sieht aus, wie vom Zug überfahren. Wenn Du jetzt den Notdienst vom Jugendamt anrufst, ist es aus."

Schließlich riefen die Angeklagten dann doch den Rettungsdienst. Da lag der Junge bewusstlos auf dem Boden. Die Erwachsenen gaben an, er sei vor ein Fahrrad gelaufen. Die Notärztin berichtete dem Gericht, um Fassung ringend, dass sie kein Wort geglaubt habe: "Ich habe das Kind auf meine Arme genommen und zum Rettungswagen getragen." Noch vom Einsatzort rief sie die Polizei. Den Eltern ließ sie sagen, die Beamten würden den Unfall aufnehmen. Damit niemand floh.

Die Mutter und ihren Freund verurteilte das Gericht, weil sie hätten einschreiten müssen: Für "Quälen durch Unterlassen", durch Gleichgültigkeit. Sichtlich erschüttert hatte die Staatsanwältin zusammengefasst: "Da haben wir einen zweieinhalbjährigen Jungen, der fast völlig auf die Hilfe Erwachsener angewiesen ist. Und der wird in der Obhut fremder Männer zurückgelassen, die ihn so quälen und misshandeln, dass er vorübergehend sogar das Augenlicht verliert. Und das alles nur, weil er 'nervt‘. Weil er ein kleines Kind ist." Sie kommentierte Äußerungen der Mutter in einem Chat mit ihrem Freund: "Sie hat ihr eigenes Kind als 'Fehler‘ bezeichnet. Es ist menschenverachtend." Laut weitern Äußerungen wollte die Angeklagte, dass der Junge "weg" kommt.

Das heute dreijährige Kind lebt bei Pflegeeltern. Laut Ärzten wird er sich auf Dauer nicht voll bewegen können. Richter Krege: "Er wird sein ganzes Leben unter dem leiden, was an diesen paar Tagen passiert ist." Der Vorsitzende dankte den Verteidigern für ihre persönlichen Worte am Ende des Prozesses. Anwälte Michael Blum, Andreas Plümpe und Michael Pietsch hatten zu ihren betont sachlichen und begründeten Plädoyers erklärt: "So ein Prozess geht auch an der Verteidigung nicht spurlos vorüber." Auch sie würden Teile der Angaben ihrer Mandanten "schwer nachvollziehbar" finden.

Die Angeklagten hatten die Vorwürfe bestritten. Der 22-Jährige widerrief sogar ausdrücklich, was er früher zugegeben hatte. Er habe die Anderen schützen wollen. Der 30-Jährige hatte angeführt, die Taten überwiegend nicht mitbekommen zu haben: Er habe während dessen auf der Straße mit Drogen gehandelt.

Der 22-Jährige muss insgesamt mit mehr als zehn Jahren Gefängnis rechnen, wegen weiterer Urteile. Er soll seinen Vater mit einer Hantelstange misshandelt haben. Seine Strafe berücksichtigt, dass er mit seiner Ausweisung rechnen muss, weil er Iraner ist. Auch der 30-Jährige muss weitere Strafen absitzen, insgesamt voraussichtlich mehr als fünf Jahre.

Die Frau ist als Einzige in Freiheit. Sie hat das Sorgerecht für das Opfer verloren. Derzeit läuft ein Verfahren um ihre Sorge für ein weiteres Kind, zudem sie vorläufig nur unter Aufsicht Kontakt haben soll.

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