Wuppertal-Institut In zehn Jahren: Halb Elberfeld ganz autofrei?

Wuppertal · Das Wuppertal-Institut macht ein ziemlich großes Fass rund um das Thema Mobilität und Lebensqualität in Wuppertal auf: Mit einem Impulspapier wollen die Forscher Wege zu einer autoverkehrsfreien Elberfelder Innenstadt aufzeigen.

 Uwe Schneidewind (li.) und Oscar Reutter präsentieren ihr Impulspapier für eine Verkehrswende in der Elberfelder Innenstadt.

Uwe Schneidewind (li.) und Oscar Reutter präsentieren ihr Impulspapier für eine Verkehrswende in der Elberfelder Innenstadt.

Foto: Wuppertal Institut

"Innenstadt" meint dabei längst nicht nur die City, sondern einen 4,5 Quadratkilometer großen Bereich, zwischen Briller Straße im Westen, der Bahnstrecke im Süden, dem Campus Haspel im Osten und der A46 im Norden. Innerhalb dieses Sektors soll im Grundsatz kein privates Auto mehr fahren und parken, fortbewegen sollen sich Menschen zu Fuß, per Fahrrad, Bus, Schwebebahn, Taxi oder mit Carsharing-Fahrzeugen. Anwohner können zwar weiterhin ein Auto besitzen und damit ins Stadtviertel kommen, aber der Anreiz dafür soll deutlich sinken. Zum Beispiel, indem nicht mehr direkt vor der Haustür, sondern nur noch auf Quartiersparkplätzen und in Quartiersgaragen geparkt werden kann.

Davon verspricht sich das Wuppertal Institut ein entscheidendes Plus an urbaner Lebensqualität in der Innenstadt. Professor Oscar Reutter, federführender Autor des Impulspapiers: "Gehen Sie mal im Sommer durchs Luisenviertel. Dann sehen Sie, wie sich die Menschen nach Aufenthaltsqualität im Freien sehnen." Mehr Ruhe, Attraktivität für Leute, die bewusst auf das Auto verzichten und bessere Luft sollen weitere Pluspunkt sein.

Bis 2027, so die Idealvorstellung des Wuppertal Instituts, könnte die autofreie Innenstadt Realität werden. "Elberfeld wäre damit der erste bestehende Stadtteil in Deutschland, der systematisch von einem Autostadtteil zu einem zukünftig autoverkehrsfreien Stadtquartier entwickelt wird. Wuppertal spielt dann in einer Liga mit Städten wie Oslo, Wien oder Madrid, die ähnliche Projekte voranbringen", so Reutter.

Instituts-Chef Professor Uwe Schneidewind ist sich dabei der Tragweite des Vorhabens durchaus bewusst: "Uns ist klar, dass man damit tief in das kulturelle Selbstverständnis eingreift, dass das Auto mehr als ein Fortbewegungsmittel von A nach B ist. Man muss das wollen." Grundsätzlich sei Mobilität aber ein Feld, an dem sich ganz viele gesellschaftliche Veränderungsprozesse festmachen: "Das ist ein Angebot für eine produktive Diskussion. Wir wollen zeigen, welche Chancen es gibt, Wuppertal sehr früh im Mobilitätssektor fit und zukunftsfähig zu machen."

Der Weg dahin steckt naturgemäß voller Herausforderungen. Die autofreie Innenstadt setzt einen Ausbau des ÖPNV genauso voraus wie engmaschige Fuß- und Radwegverbindungen, Aufzüge und gut verfügbare Car-Sharing-Angebote.

Für den Einstieg in die öffentliche Diskussion wirft das Impulspapier eine ganze Reihe Fragen auf, die aus dem Leitbild der autofreien Innenstadt resultieren. Sie könnten in eine Machbarkeitsstudie münden, die sich unter anderem mit diesen Punkten beschäftigt:

- Welche Chance bietet die ausgebaute B7, um künftig statt als Ost-West-Durchfahrtsstraße im engen Talraum nun als tangentiale Erschließungsstraße für Elberfeld den Autoverkehr der angrenzenden Wohn- und Mischgebiete aufzunehmen, die selbst autoverkehrsfrei gestaltet werden?

- Wie und wo können die bestehenden Fußgängerzonen in Elberfeld erweitert werden?

- Wo fehlt noch eine Tempo-30-Regelung und wo wären Spielstraßen sinnvoll?

- Wie können der Laurentiusplatz und die Friedrich-Ebert-Straße zwischen Kasinokreisel und Robert-Daum-Platz zur autoverkehrsfreien Fußgänger- und Fahrradstraße umgestaltet werden — und möglicherweise noch weitere Teile des Luisenviertels?

- Wie kann die Mobilität der Betriebe und Beschäftigten rund um den innerstädtischen Bürostandort Ohligsmühle vom Auto auf den Umweltverbund verlagert werden?

- Wie können insbesondere die Berufs-Einpendelnden auf ihrem Arbeitsweg nach Wuppertal zum Umsteigen vom Auto auf den ÖPNV motiviert werden? Und umgekehrt: Was kann für die Berufs-Auspendelnden, die in Wuppertal-Elberfeld wohnen und zur Arbeit in die Nachbarstädte müssen, getan werden, damit das für sie auch ohne Auto funktioniert?

- Wo könnten weitere Carsharing-Stationen eingerichtet werden, wenn das Carsharing in Wuppertal genauso rasant wächst wie in ganz Deutschland?

- Wie können neue Formen eines bedarfsgerecht differenzierten ÖPNV und neue Mobilitätsplattformen eingerichtet werden?

- Wo gibt es unausgelastete Parkraumkapazitäten für Quartiersparken, um diejenigen Autos aufzunehmen, die heute noch den öffentlichen Raum auf den Straßen verstellen?

- Wichtig sind aus Sicht des Instituts dabei Starterprojekte, die schnell erlebbare Beispiele für die gewünschte Verkehrswende geben. In den Fokus rücken könnte dabei besonders das Luisenviertel, über dessen mögliche Autofreiheit schon in der Vergangenheit intensiv diskutiert wurde.

Das komplette Impulspapier: hier klicken!

Internet-Umfrage (bis 18. Juli 2017, 11 Uhr): hier klicken!

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