41. Hilfstransport der Wuppertaler Rumänienhilfe "Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll"

Wuppertal · Der inzwischen 41. Hilfstransport der Wuppertaler Rumänienhilfe ist Geschichte. Hier der ausführliche Reisebericht von Organisator Arno Gerlach.

41. Hilfstransport der Rumänienhilfe
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41. Hilfstransport der Rumänienhilfe

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Eine graue, diesige Wolkendecke gibt der Sonne keine Chance, sich zu zeigen. Der Blick nach oben verläuft sich im dichten Nebel. Ab und zu durchbrechen die Motorengeräusche unserer LKW die triste Atmosphäre in der trüben Witterung.

Bald ist es geschafft. Mit Unterstützung fleißiger Helfer vor Ort werden die Kartons und Säcke mit Decken, Bettwäsche, Kleidung und Schuhen sowie Windeln, Waschmittel und Familienpakete zügig entladen. Wir spüren, dass sich hier einiges verändert hat.Der Kopf des Anwesens, der Hauptverantwortliche für die Landarbeiter, der Vater der Familie, fehlt. Er, der sich für die Ärmsten der Armen eingesetzt und ihnen in allen Belangen geholfen hat, ihnen so gut es ging Arbeit und Brot gab, ist nicht mehr. Eine schwere Krankheit beendete sein Leben. Die Lücke ist groß.

Nun sitzt sie vor mir, die Witwe, tief traurig, verhärmt, mit leerem Blick. Sie ist unruhig. Ihre Stimme klingt niedergeschlagen, gebrochen: "Was soll ich tun? Ich fühle den Druck. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll." Und: "Ihr wisst doch, mein Sohn ist krank. Er kann das nicht alleine. Die schlechte Ernte und der geringe Erlös, die Löhne für die Arbeiter, die Forderungen und Hindernisse der Ämter, die Korruption und die Bespitzelung durch einen unsichtbaren Geheimdienst, alles bereitet mir Kummer und macht mich kaputt. - Bitte, vergesst mich nicht. Betet für mich. Ich brauche euch als Freunde!"

Auch dieses Mal stellen wir uns darauf ein, dass vieles vor Ort noch längst nicht so ist, wie es sein sollte und könnte. Immer wieder müssen wir den Eindruck von Touristen und Durcheisenden relativieren oder korrigieren. Der Schein trügt. Vollmundige Äußerungen und Darstellungen von "ewig gestrigen" Politikern und die Wirklichkeit des täglichen Lebens vieler Menschen klaffen weit auseinander. Wir wissen das - seit 28 Jahren.

Mit gewohnter Verlässlichkeit und Treue sortieren und packen engagierte, erfahrene Frauen schon viele Wochen vor dem Start Kleidung für Erwachsene und Kinder, Decken, Bettwäsche, Schuhe, Spielzeug, Medikamente, klinische Materialien und vieles andere mehr. Ohne diese, weit im Vorfeld beginnende und umfangreiche Arbeit wären ein sinnvoller Transport und die Übergabe dieser Hilfsgüter an die bedürftigen Menschen in den Zielgebieten für uns als Team nicht denkbar.

Gut, dass wir in der Lagerhalle ausreichend Platz haben, um die fertigen Gebinde nach der Abfolge der Entladestellen in Rumänien zu ordnen und zu platzieren. Das Drehen und Rangieren der Sattelzüge auf engem Raum ist schwierig, aber gelingt.

Sämtliche Paletten werden mit Hubwagen bis ans Rolltor befördert. Dort übernimmt sie der Gabelstapler und hebt sie auf die Ladefläche der Auflieger. Im Flutlicht der Standscheinwerfer herrscht emsiges, für einen Außenstehenden fast gespenstisches Treiben.

Es ist schon weit nach Mitternacht, aber alles verladen. Die schweren Züge setzen sich langsam in Bewegung. Durch dicht beparkte Straßen und enge Kurven gelotst erreichen wir schließlich den Hof der Berufsfeuerwehr. Dort stehen unsere LKW bis zur Abfahrt am nächsten Tag sicher.

Nach einer kurzen Mannschaftsbesprechung und dem obligatorischen technischen Check der Fahrzeuge starten wir die Motoren. Ihr vertrautes Geräusch wird uns wieder tausende Kilometer begleiten.

Bevor wir die A46 ansteuern, füllen wir noch die durstigen 1000 Liter-Tanks. Dann ist es so weit; das Schlussfahrzeug meldet: "Alle auf der Bahn. Konvoi rollt!" Eine lange Nacht beginnt.

Auch wenn wir schon mit fast allen LKW-Typen vertraut sind, gibt es im Cockpit immer wieder neue Tasten, Regler und Funktionen zu entdecken. Diese auszuprobieren, ist Aufgabe dessen, der gerade nicht am Steuer sitzt. Meist schon nach einer Weile stimmt die Innentemperatur, die Lüftung, können die diversen digitalen Instrumente und Anzeigen im Bordcomputer analysiert werden. Das, was sich in der Dunkelheit dem klaren Durchblick verweigert, wird nach Sonnenaufgang erledigt.

Wie schön könnte eine reibungslose, nur von Fahrerwechseln und kleinen, individuellen Pausen unterbrochene Reise sein! Doch schon der erste, zwangsläufige Stopp folgt an der österreichischen Grenze: Konvoi anhalten, aussteigen, in eine Tankstelle gehen, am Mautgebührenschalter anstehen, dort umfassende Registrierung der LKW-Daten vornehmen lassen, bezahlen und Mautboxen installieren. Funktion prüfen und wieder starten.

An der ungarischen Grenze erwartet uns etwas Ähnliches. Auch hier ist Geduld gefragt. Dann geht es endlich weiter: Györ - Budapest - Szolnok - Artand. Doch, was ist denn da los? Die fast endlose Kette von roten Rücklichtern der schon weit vor der ungarisch-rumänischen Grenze wartenden LKW signalisiert uns nichts Gutes. Bleiben wir in der Schlange, passieren wir den Grenzposten Richtung Rumänien erst am nächsten Tag. Wollen wir unseren Zeitplan einigermaßen einhalten, müssen wir etwas organisieren.

Wir nehmen telefonischen Kontakt auf mit unseren hinter der Grenze wartenden, rumänischen Freunden, die sich wiederum mit dem ungarischen Grenzposten in Verbindung setzen. Eine schnelle Entscheidung muss her. Mit auffallender Signalisierung an der Spitze und am Ende des Konvois ziehen wir bis an die Kontrollstelle vor. Nicht ganz unproblematisch, aber wir sind durch! Jedes Mal ein kribbeliger Akt!

Es dauert ein paar Augenblicke, bis uns klar wird: 28 Jahre, zum 41. Mal, stehen unsere Freunde in Borș in Kälte, Nässe, Schnee oder Frost, und warten geduldig immer an derselben, unwirtlichen Stelle an der Grenze. Wir erkennen sie im Scheinwerferlicht, halten an, steigen aus und begrüßen uns sehr herzlich.

Bis zur ersten Entladestelle in Oradea ist es nicht mehr weit. Eine große Schar freiwilliger Helfer wartet dort schon auf uns. Mittlerweile ist es Nacht. Nach und nach rangieren die LKW rückwärts in eine Halle. Sie bietet den Vorteil, dass die Hilfsgüter für die vorgesehenen Krankenhäuser, Sozialeinrichtungen, Kinder- und Altenheime in der Umgebung trocken und übersichtlich deponiert werden können. Noch in derselben Nacht beginnen unsere Freunde mit der Vorbereitung der Verteilung aller Spendenwaren. Bewundernswert!

Draußen ist es echt ungemütlich. Und die Müdigkeit der Crew macht sich bemerkbar. Deshalb gönnen wir uns vor der Weiterfahrt eine Pause in den Kabinen unserer Fahrzeuge. Teilweise auf den Sitzen hockend, in krummer Haltung, tut es trotzdem gut, die Augen zu schließen. Nach einem kurzen Weckruf sind alle wieder einsatzbereit. Das Verlangen nach einem frischen Kaffee kommt auf. Doch leider muss das ursprünglich zwischen Oradea und Cluj geplante Outdoor-Frühstück auf der Ladebühne des LKW 03 wegen Regen und nasser Parkflächen ausfallen. Schade! Das, was noch an Bord ist, muss nun vorläufig genügen.

Die neuen Autobahn-Teilstücke auf dem Streckenabschnitt Cluj - Sibiu lassen uns gut vorankommen.

Wie in einem Film wechselt das Panorama. Die schneebedeckten Gebirgszüge der Karpaten sind das sichere Zeichen, dass unser Ziel Cisnădie (Heltau) nicht mehr fern ist. Nun sind es nur noch wenige Kilometer bis nach Cisnădioara (Michelsberg). Dort treffen wir auf unsere mit dem Flieger vorgereisten beiden Frauen des Teams.

Die Ankunft des Konvois soll für die Beiden ein akustisches Erlebnis werden. Geplant, getan! Mit Hupen und Hornsignalen macht sich die LKW-Kolonne lautstark bemerkbar und taucht auf der Kuppe vor dem Dorfplatz auf. Aber auch die beiden Damen sind einfallsreich. Sie stehen dort und schwenken rumänische Fahnen und rufen uns ein herzliches Willkommen zu. Die Wiedersehensfreude ist groß. Jetzt ist die Crew komplett!

Wie gewohnt umrunden wir mit den Zügen den Dorfbrunnen und stellen diese ordentlich hintereinander ab.

Bis zum Elimheim, einem etwas abgelegenen Haus der Evangelischen Kirche, sind es noch ein paar hundert Meter Fußweg. Hier haben wir nach 1800 km zum ersten Mal die Möglichkeit, in "normalen" Betten zu ruhen.

Bei einer warmen Abendsuppe kommt es wie aus einem Munde: "Wir sind angekommen!"

Die Entladung der für Heltau und die Region bestimmten Hilfsgüter beginnt bald nach dem Frühstück. Enge Gassen und verwinkelte Ecken machen die Anfahrt zum Deutschen Forum mit einem Sattelzug nicht gerade einfach. Der Mannschaftswagen fährt voraus und prüft, ob die schmalen Straßen dorthin passierbar sind.

"Alles klar! An einigen Stellen wird's kritisch, aber es müsste gehen" war die Funkmeldung unserer "Pfadfinder".

Vor dem alten Holztor stehen schon einige Männer. Sie wollen helfen, anpacken. Kaum sind die Türen vom Auflieger geöffnet, ertönt schon das Kommando von der Ladefläche: "Es geht los, Leute! Kette!"

Wie von unsichtbarer Hand geschoben, nimmt jeder einen Platz in der Reihe ein. Was hier abgeladen wird, ist für die vielen Familien bestimmt, die am Rande der Stadt und in den abgelegenen Gassen in immer noch ärmsten, für uns unvorstellbaren Verhältnissen leben. Nur gut zu wissen, dass unsere Freunde vom Forum sich um sie kümmern. Das Elend wohnt gleich nebenan.

Es lässt uns nicht los, was wir schon lange kennen und immer wieder sehen. Der Kontrast zwischen den Lebensverhältnissen in den größeren Zentren mit ihren Einkaufszonen und dem, was uns in den kleineren Orten und auf dem Lande, dem größten Teil Rumäniens, begegnet, ist teilweise krass und unbegreiflich.

Am Abend vergessen wir für ein paar Stunden die Arbeit. In einer einfachen, aber gemütlichen Stube genießen wir wieder einmal die von den Frauen des Forums liebevoll zubereiteten, landestypischen Speisen. Und reden miteinander, informieren uns. Eine herzliche, entspannte Begegnung! Wir fühlen uns wohl.

Der nächste Einsatz wartet schon. Um auf der langen, verschlungenen Strecke durch die Karpaten gut durchzukommen, werden alle Fahrzeuge vollgetankt. Von kurzen Fahrerwechseln unterbrochen zieht der Konvoi seine Bahn weit nach Osten, durch unzählige Dörfer, windet sich durch Serpentinen und Wälder, steil auf und steil ab. Es ist schon dunkel, als wir nach 450 km endlich Puiești erreichen. Nun ist wieder Millimeterarbeit gefragt. Bei der sehr engen Toreinfahrt im ansteigenden Gelände passt kaum eine Zeitung zwischen LKW und Pfosten. Einweiser und Fahrer müssen sehr gut aufpassen. Endlich, es ist geschafft! Auch das hat geklappt.

Hier hat sich etwas verändert. Wir spüren das. Die Wachhunde schlagen wie gewohnt an und bringen den Maschenzaun kräftig in Bewegung. Doch insgesamt ist es auf dem Gelände anders geworden.

Die hauptverantwortliche Person des Hofes, der Kopf, fehlt. Ein riesiger Verlust für das ganze Anwesen.

Ohne besondere Absprache sammeln wir uns in einem Raum, in dem wir unsere "alte", liebevolle Freundin, die gute Seele des Hauses, und ihren Sohn still begrüßen. An ihrer Seite entdecken wir ein unbekanntes Gesicht. "Das ist jetzt meine Tochter. Ich bin so froh, dass ich sie habe", klärt sie uns erleichtert auf.

Die junge, kluge, bescheidene Frau ist die Freundin des Sohnes. Sie macht sich gleich auf und schleppt in großen Metalltöpfen Suppe, Sarmale, Speck und Brot heran. Das, was im Hause ist, wird gebracht. Schließlich sollen wir satt werden. Die Gelegenheit für uns, den Körper zu recken, die Beine zu strecken!

Gleichwohl hören wir gut zu, wenn über die gegenwärtige Lage und die neuesten Ereignisse berichtet wird.

Am nächsten Morgen geht's wieder an die Arbeit. "Wo bleibt der Traktor?", ruft einer von uns in die Runde. Wie bestellt vernehmen wir schon das auffällige, bockige Tuckern eines mittelalterlichen Gefährts mit Einachsanhänger. Das Gespann leistet gute Dienste. Nach und nach füllt sich der Raum im alten Gebäude mit Hilfsgütern für das Krankenhaus in Bȃrlad, die Dorfarztpraxen in Puiești und Umgebung, die Kindergärten, Alten- und Behindertenheime in der Region. Wir erfahren, wie sehr die bedürftigen Einrichtungen auf unsere Hilfe warten. Es ist wie es war. Die gesundheitliche bzw. medizinische Versorgung in den Armutsregionen ist einfach mangelhaft, teilweise katastrophal. Vieles funktioniert nur nach dem Prinzip des materiellen "Interessen-ausgleichs". Die, die nichts zu bringen haben, bleiben auf der Strecke. Und hier sind das fast alle.

Bevor es für uns weitergeht, bittet die Witwe um ein vertrauliches Gespräch. Auch wenn wir eigentlich aufbrechen müssten - die Zeit dafür muss sein. Sie klagt ihre Not: "Ich bin gezwungen, Teile der landwirt-schaftlichen Nutzfläche zu verkaufen, weil ich es nicht mehr schaffe. Im Winter gibt es kaum Feldarbeiten, doch die Arbeiter müssen bezahlt werden. Wenn sie einmal entlassen sind, stehen sie im Sommer, in der Erntezeit, nicht mehr zur Verfügung. Sie fallen zurück in ihr altes, inhalts- und antriebsloses Leben. Ich mache mir Sorgen um ihre Familien, die dann noch tiefer abrutschen. Der Ertrag bleibt aus. Am Ende kann ich nicht mehr."

Während sie das sagt, schaut sie mich an. Ihre Augen sind leer, ihre Worte traurig, ihr Herz ist voller Unruhe!

"Jede Veränderung muss ich melden und genehmigen lassen. Das alles dauert immer sehr lange. Und wenn überhaupt etwas geht, dann nur mit 'Schmieröl‘. Die Ämter machen mich kaputt. Ich bin immer der Verlierer! Was soll ich tun?" Und dann: "Ich fühle den Druck. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Betet für mich!"

Sie schweigt und drückt meine Hand. Wir trösten sie und versprechen ihr, sie nicht zu vergessen.

Ihr wehmütiger Blick beim Abschied geht uns noch lange nach.

Wir müssen weiter, immer noch weiter nach Osten. Doch nach dem, was wir gerade erlebt haben, fällt es uns schwer, den Kopf freizumachen für das, was heute noch auf uns zukommt. Gegen Abend erreichen wir Iași. Am Stadteingang sichten wir den PKW, der uns zur Kirche führt, dorthin, wo wir entladen werden. Alles klappt reibungslos, wie vereinbart. Vor der Kapelle stehen dunkle Gestalten. Bei näherem Hinsehen erkennen wir, dass auch hier Männer bereitstehen, um uns zu helfen. Jeder Karton, jeder Kleidersack, jedes Waschmittelpaket muss einen weiten Weg geschleppt werden, Treppen rauf und runter. Nicht so ganz einfach. Aber alle halten durch. Die Krankenbetten bringen wir direkt in das Spital, für das sie vorgesehen sind.

Der Priester der Gemeinde bittet uns in die Kirche. Leicht verschmutzt, aber gespannt stehen wir neben dem Altar. Dann erklingen rumänische, geistliche Lieder. Eine kleine Gruppe junger Sängerinnen und Sänger singt für uns. Wunderschön. Wir sammeln unsere Gedanken und werden ruhig. Besinnliche, wohltuende Momente.

Bei einem gemeinsamen Essen mit der Familie des Priesters spüren wir die herzliche Verbundenheit und einen großen Dank für alles, was wir für die vielen Armen in der Gemeinde und in den Randgebieten der Stadt tun.

Das, was sich jetzt noch auf den Ladeflächen der LKW befindet, ist für ein Kloster in ca. 130 km Entfernung bestimmt: Vovidenia bei Tȃrgu Neamţ.

Es ist längst wieder dunkel. Bevor wir das letzte Stück der schmalen Straße mit einer sehr engen und scharfen Kurve zum Klostergelände hinauffahren, zieht der Mannschaftswagen wieder an die Spitze und erkundet die Lage. "Alles ok. Konvoi kann kommen", ist die Meldung per Funk. Der Tross setzt sich in Bewegung.

Es kommt selten vor, dass die Idylle dieses Fleckchens von solch starken Motorengeräuschen durchbrochen wird. Der Vorsteher des Klosters, Archimandrit Mihail, begrüßt und empfängt uns mit offenen Armen. Auch hier: Seine Leute warten schon auf ihren Einsatz. Sie geben ihr Bestes. Pusten und Schnaufen. Bleiben aber dran. Nachdem die letzte Palette die Ladefläche des zweiten Sattelzuges verlassen hat, atmen wir tief durch.

Von hier erhalten eine große Zahl von sehr bedürftigen, kinderreichen Familien und viele alte, oft vereinsamte Menschen in den umliegenden Dörfern unsere gerade entladenen Hilfsgüter: Kleidung, Decken, Bettwäsche, Schuhe, Windeln, Waschmittel und Lebensmittelpakete.

Wir stehen direkt neben der Klosterkirche. Sie ist hell angestrahlt und wirkt im Dunkeln wie ein Friedensturm in der Einsamkeit. Mihail weiß, dass wir nach getaner Arbeit gerne dort hineingehen. Er geht voraus. Wir folgen ihm. Wortlos stehen wir im Innenraum unter der Kreuzkuppel. Einige von uns setzen sich auf die neuen Wandstühle. Stille kehrt ein. Mihail spricht ein paar besinnliche Worte, die an uns gerichtet sind. Wieder Stille.

Kurz darauf erfüllt das Gotteshaus ein Klang wie aus dem Himmel. Sechs junge Dozenten und Studenten des nahegelegenen Priesterseminars sind gekommen, um für uns zu singen. Wir sind tief bewegt und ergriffen. Für eine Weile fühlen wir, dass trotz spürbarer Müdigkeit alle Anstrengungen vergessen sind. Wir genießen den Gesang und möchten die Zeit anhalten.

In der Klosterküche hat man sich auf uns eingestellt. Die Stärkung und die Tischgemeinschaft tun uns gut.

Mitten in der Nacht, um 3 Uhr, starten wir auf die längste Strecke innerhalb des Landes: durch die Ostkarpaten, über Topliţa, Rhegin, Tȃrgu Mureș, Cluj, bis nach Oradea im Westen des Landes. Auch auf dieser Fahrt erleben wir die Nacht, den Tagesanbruch und das Licht des neuen Tages. In Oradea schließt sich der große Kreis der 41. Aktion in Rumänien.

Unsere Freunde und wir nutzen die Chance eines zweiten Treffens und freuen uns sehr, wieder zusammen zu sein. Bei dieser Gelegenheit erfahren wir, dass sämtliche Hilfsgüter, die wir vor knapp einer Woche hier entladen haben, bereits an alle Einrichtungen und Stellen, die mit unseren Spenden versorgt werden sollten, verteilt sind. Ein großartiges Engagement und eine fantastische Leistung unserer Freunde, auf die wir uns stets verlassen können.

Die Lieferung von dringlichen Hilfsgütern einerseits und die Gespräche mit der Bevölkerung, den Ärzten und Verwaltern, den Politikern und Helfern vor Ort andererseits gehören für uns zusammen. Nur so erhalten wir die notwendigen Informationen über die aktuellen, wahren Lebensverhältnisse der Menschen. Und diese sind anders als es die glitzernden Fassaden der Großstädte den durchreisenden Touristen glauben machen wollen. Wir wissen das. Schon lange. Gerade die Nachhaltigkeit unseres Engagements eröffnet uns Einblicke in die politische und gesellschaftliche Entwicklung des Landes, die einen sehr mühsamen Weg nimmt.

Wie immer ist der Abschied von unseren Freunden ein Wechselbad der Gefühle, zwischen einem allgemeinen "La revedere și drum bun!" (Auf Wiedersehen und gute Reise) und einem wehmütigen "Pa și pe curȃnd! Nu ne uita!" (Tschüss und bis bald! Vergesst uns nicht!). Werden wir wirklich alle wiedersehen?

Mit vollgetankten Fahrzeugen verlässt der Konvoi geschlossen und langsam rumänisches Territorium und stoppt zwangsläufig nach wenigen hundert Metern. Jetzt haben ungarische Grenzpolizisten und Zollbeamte das Sagen.

Nach dem Prozedere der Datenerfassung und der Entrichtung der Mautgebühren ziehen wir zur Pass- und Ladekontrolle vor. Wieder ganz langsam, mit Blickkontakt mit den an der Grenzbude sich lässig aufbauenden Kontrolleuren - breitbeinig, Pistole sichtbar im Halfter und beide Daumen demonstrativ im Gürtel.

Alle sind durch, nur der 03 wird festgehalten. Was ist los? Geduldig warten wir, die anderen, hinter der Grenze.

Hat 03 etwas geladen, was der Zoll beanstandet? Plötzlich ein Funkspruch: "04 an 01; die Grenzpolizei möchte den Konvoileiter sprechen." Antwort von 01: "Aber wir stehen schon weit voraus. Könnt ihr das nicht selber klären?" Antwort von 04: "Nein, geht nicht. Der Konvoileiter soll kommen!"

Es scheint etwas Unangenehmes zu sein, was es da zu regeln gibt. Ok, ich verlasse den 01 und mache mich mit einem Kollegen von 02 zu Fuß auf und gehe von der Spitze der Kolonne zurück, bis zur Kontrollstelle.

Nanu, was ist das? Ein rumänischer Grenzpolizist am ungarischen Grenzposten? Er kommt auf uns zu, begrüßt uns und will unbedingt mit mir reden.

Wir gehen in die kleine Bude, in der zwar 4 Personen stehen, aber nicht sitzen können. Wie ein Wasserfall schoss es aus ihm heraus: "Ich bin rumänischer Grenzpolizist. Mein Dorf, aus dem ich stamme, liegt 6 km hinter Aleșd. Bei uns sind viele Arme und Behinderte und Schwache. Wir haben ein kleines Haus aus Holz gebaut, um die Armen, Hilflosen und Kranken zu betreuen und zu pflegen. Jetzt haben wir auch ein Dach gemacht, damit es nicht reinregnet. Niemand gibt uns etwas. Wir können alleine nicht mehr. Wir haben kein Bett, kein Schrank, kein Stuhl, kein Tisch, keine Decken, keine Medikamente, nichts, was wir dringend brauchen. Ihr müsst uns helfen. Bitte! Bitte! Helft uns."

Die ganze Zeit, während er sehr aufgeregt spricht, hält er sein Handy in seinen zitternden Händen und zeigt uns zum Beweis Fotos von seinem Dorf und vom Holzhaus.

Und: "Wir sind eine christliche Reformgemeinde. Du musst mit unserem Pastor sprechen. Der kann besser Englisch als ich. Und mit unserem Bürgermeister, der sich sehr bemüht, aber nichts mehr tun kann. Bitte, ihr müsst uns helfen! Bitte!" Ich verspreche ihm, mich zu melden.

Nach einigen Telefonaten und der Notiz von Kontaktdaten gehen wir zu unseren Fahrzeugen zurück und setzen uns endlich in Bewegung. Ja, wir hatten uns den Grenzübertritt und den Start zur langen, strapaziösen Heimreise etwas anders vorgestellt. Aber es ist nicht das erste Mal, dass wir mit solchen oder ähnlichen Situationen konfrontiert werden.

(Anmerkung: Inzwischen bestehen zwischen uns, dem Gemeindepastor und dem Bürgermeister des Dorfes Kontakte und ein Informationsaustausch. Wie wir dort helfen können, müssen wir noch erörtern und sondieren).

Jedes Mal, wenn wir die Rückfahrt antreten, sind unsere Gedanken mit dem beschäftigt, was hinter uns liegt. Wie lange noch können wir die existentielle Not der wirklich Bedürftigen und Benachteiligten im Lande lindern?

Zeit genug, uns mit Fragen zu beschäftigen haben wir - auf der langen Rückreise: Szolnok, Budapest, Györ, Wien, Linz, Passau, Würzburg, Frankfurt, Köln, Wuppertal.

Nach 5.500 km verlassen wir die A46. Der Mannschaftswagen fährt voraus und öffnet Tor 13 der Berufs-feuerwehr Wuppertal. Die LKW werden Seite an Seite abgestellt. Jetzt nur noch Motoren aus, Luft holen, aussteigen. Wir sind gesund angekommen! Einer sagt's für alle: "Was war das wieder für eine Aktion?"

Das Team der Rumänienhilfe Wuppertal (RHW) dankt allen Spendern und Helfern, die den 41. Hilfskonvoi überhaupt möglich gemacht haben. Nach Auswertung aller uns vorliegenden Informationen und Kenntnisse werden wir, wie immer, rechtzeitig entscheiden und bekanntmachen, wie es weitergeht.

Im Namen aller ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der RHW wünschen wir denen, die uns unterstützt und bis hierher begleitet haben, ein gesegnetes und friedvolles Neues Jahr!

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