Wie fühlt sich jetzt das Essengehen an? Gastronomie als Maskenball

Wuppertal · Ich sag(te) ja immer: „Als Lokalredakteur muss ich mich oft in Lokalen aufhalten ...“ Viele Wochen lang lief da gar nichts. Ich und viele andere haben mit dem Abholen und Sich-liefern-Lassen so gut wie möglich versucht, Restaurants & Co. zu unterstützen. Jetzt geht’s langsam wieder „in echt“ los.

 Rundschau-Redakteur Stefan Seitz  mit Latte macchiato.

Rundschau-Redakteur Stefan Seitz mit Latte macchiato.

Foto: Wuppertaler Rundschau

Wir waren – damit der Kreis sich schließt – in eben jenem Restaurant, das wir als Letztes zwei Tage vor dem Lockdown besucht haben. Ich hatte reserviert, was man in NRW nicht zwingend muss, sich aber als klug erwies: Das Lokal ist nicht groß, im Lauf des Abends kam ein Pärchen und musste – trotz mehrerer freier Tische – unverrichteter Dinge wieder weiterziehen. Die beiden haben das Beste daraus gemacht und sich etwas zu essen mitgenommen. Zurück zum Anfang: Warten aufs Tischzuweisen, Hand-Desinfektion per Spender an der Theke, dort auch Eintragung in eine Liste mit Name, Adresse, Telefonnummer. Können Sie sich noch an die Wahnsinnswelle in Sachen Datenschutzgrundverordnung erinnern? Ich lach’ mich tot.

Die gesamte Bedienung trägt Atemschutzmasken und Handschuhe. Masken sollen auch die Gäste beim Betreten und Verlassen des Lokales (also auch, wenn man zum Rauchen rausgeht) tragen. Ebenso auf dem Hin- und Rückweg zum WC. Das kann einem schon die Laune versauen. Da ist es wichtig, wie gut drauf das jeweilige Gastro-Team ist – und einem dabei hilft, das Ganze mit Humor zu nehmen. An unserem Abend war das Team schlicht Weltklasse. Wie früher eben auch schon.

Am Tisch eigentlich alles wie immer. Bloß die gewohnte Speisekarte gab es nicht: Erlaubt sind Einweg-Modelle oder Abwasch- beziehungsweise Desinfizierbares sowie der Hinweis auf die Online-Seite des Hauses. Also Handy raus und nachgeschaut. Das kann, wenn Mutti oder Oma dabei ist und alles vorgelesen werden muss, einen Moment dauern ...

Überhaupt: Mutti oder Oma – wer darf überhaupt mit wem? Personenzahl unbegrenzt (auch Aufenthaltsdauer im Restaurant), aber nur aus zwei verschiedenen Haushalten. Lustige Ein-Tisch-Stammtischrunden, Geschäftsessen mit mehreren Personen: Fehlanzeige. Und Freund und Freundin, die nicht unterm selben Dach wohnen, wenn sie noch jemanden mitnehmen möchten? Ich habe Isabel Hausmann, die stellvertretende Geschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) Nordrhein gefragt, denn gerade die letzte Frage geht mich höchstpersönlich an.

Ihre Antwort: „Mehrere Personen dürfen an einen Tisch, wenn es sich erstens um Verwandte ersten Grades oder Lebenspartner und zweitens um maximal zwei verschiedene Haushalte handelt.“ Puh! Eheleute sind Lebenspartner, Freund und Freundin offenbar auch. Man hat ja in diesem Zusammenhang auch schon den höchst romantischen und sehr familiären Ausdruck „Hauptkontaktperson“ gehört ...

Wetten würde ich aber auf all das nie und nimmer, Informationen & Co. gehen munter durcheinander. Auf der Homepage des DEHOGA Nordrhein steht dazu – adressiert an die Wirte des Bezirkes: „Ein Satz vorweg: Das ständige Hin und Her verunsichert. Wir geben Auskunft nach bestem Wissen und Gewissen und halten uns an die Verordnung, denn Sie brauchen Rechtssicherheit. Wenn es unklare Formulierungen gibt – und die gibt es reichlich in der Coronaschutzverordnung – klären wir unsere Rechtsauffassung mit der Behörde.“

Gutes Beispiel: Kneipen. Da gibt’s nichts zu essen, also weiterhin zu. So war es bisher. Nun meldet der DEHOGA: „Die widersprüchlichen Aussagen der Landesregierung haben jetzt eine Klarstellung durch das zuständige Gesundheitsministerium erfahren. Kneipen dürfen auch ohne Speiseangebot öffnen. Abstandsregelungen, Hygieneanforderungen und Kontaktdatenerfassung gelten natürlich auch hier.“

Zurück zu meinem Restaurantbesuch: Den Zuckerstreuer zum Espresso macchiato gibt’s (wie alles andere, was sonst so an Zubehör auf einem Tisch herumsteht) nur noch auf „Bestellung“. Und alles zusammen – Tisch, Stühle und was weiß ich noch – muss desinfiziert werden, wenn der Gast wieder weg ist. Dass Lokale deswegen neuerdings einen Hygienezuschlag erheben, habe ich aus Wuppertal noch nicht gehört. Aus Düsseldorf aber schon. Verständlich würde ich das auch bei uns finden: Die Läden hatten es schwer genug während der Lockdown-Wochen.

Noch eins: Getränke mitzunehmen, wenn man zum Rauchen vor die Tür geht, ist jetzt verboten. Die A-Karte, den Gästen, die das in vielen Lokalen aber seit Jahren so gewohnt sind, diese Neuigkeit zu vermitteln, hat der Wirt.

Fazit: Nein, es ist noch längst nicht wie früher. Aber wir haben trotz „Maskenball“ gut gegessen, gut getrunken und viel Spaß in einem unserer Stammlokale gehabt. Das uns hat gefehlt.

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