Interview mit Karin Lammel, Leiterin der Justizvollzugsanstalt Wuppertal-Ronsdorf "Es gibt keine 100-prozentige Sicherheit"
Wuppertal · Seit September leitet Karin Lammel die JVA in Ronsdorf - eine Jugend-Haftanstalt, die in den Schlagzeilen steht. Mit Redakteurin Nina Bossy sprach sie über verschwundene Munition und ihren Arbeitsplatz hinter Gittern.
Rundschau: Seit zwei Monaten leiten Sie die JVA Wuppertal-Ronsdorf. Wie war Ihr Start?
Lammel: Intensiv. Die JVA ist sehr großräumig und hochmodern. Die Einrichtungen, in denen ich zuvor gearbeitet habe, verfügten nicht über diese neueste Technik. Dafür hatten sie den Charme einer gewachsenen Institution. Da hat die JVA Ronsdorf noch Möglichkeiten, sich zu entwickeln. Zum Beispiel bieten die weißen Flure jede Menge Raum für Gestaltung.
Rundschau: Was macht diese Einrichtung noch aus?
Lammel: Unter anderem ihr junges Personal. Die Mitarbeiter sind hochmotiviert, in keiner Routine verhaftet. Sie haben Freude daran, mit mir Neues auszuprobieren und neue Wege zu gehen. Zum Beispiel informieren wir uns zurzeit über die Einsatzmöglichkeiten von Therapiehunden.
Rundschau: Ihr Beruf ist fast exotisch. Wie wird man Leiterin einer JVA?
Lammel: Ich habe Jura studiert und dabei überhaupt nicht an einen Job im Strafvollzug gedacht. Im Referendariat habe ich dann Anstalten kennenlernen dürfen und festgestellt, dass mich dieses Arbeitsumfeld interessiert. Denn im Strafvollzug arbeiten verschiedenste Professionen zusammen, es kommt auf ein gutes Zusammenspiel an.
Rundschau: Ihr Büro liegt hinter Gittern. Ist das nicht bedrückend?
Lammel: Als ich das erste Mal eine JVA betreten habe, habe ich die Gitter bemerkt, bedrückt haben sie mich nie. Mir ist mein Arbeitsplatz sehr bewusst, Angstgefühle hat er noch nie ausgelöst.
Rundschau: Sie haben eine Haftanstalt übernommen, die in den Schlagzeilen steht. Im Mai sind 1.000 Schuss Munition verschwunden. Wie ist der neueste Ermittlungsstand?
Lammel: Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Rundschau: Die damalige Leiterin hat den Fall erst unter Verschluss gehalten. Erst nach Monaten erfuhr die Öffentlichkeit davon. Hätten Sie sich anders verhalten?
Lammel: Meine Vorgängerin hat damals situativ entscheiden müssen, deshalb möchte ich nicht über ihr Verhalten urteilen.
Rundschau: In den vergangenen fünf Jahren nahmen sich vier Häftlinge und eine Angestellte das Leben.
Lammel: Das, was in Ronsdorf passiert ist, ist sehr tragisch — hätte aber in jeder JVA passieren können. Es gibt keine 100-prozentige Sicherheit, wie auch im normalen Leben.
Rundschau: Werden Sie denn Weichen stellen, um dieser näher zu kommen?
Lammel: Es gibt in jeder Haftanstalt zahlreiche Maßnahmen, um Suizide zu verhindern. Diese funktionieren auch in der JVA Ronsdorf. Wenn es neue Erkenntnisse gibt, sind wir natürlich für Verbesserungen aufgeschlossen.
Rundschau: Wie möchten Sie die Haftanstalt in Zukunft prägen?
Lammel: Hier steht zunächst ein solides Grundgerüst. Natürlich versuche ich meine eigenen Ideen einzubringen. Dazu bin ich mit den Mitarbeitern sehr konstruktiv im Gespräch. Wir gleichen Ideen ab und denken über neue Wege nach.
Rundschau: Was wäre so ein neuer Weg?
Lammel: Man kann zum Beispiel die Unterbringung nicht nach Delikten, sondern nach Verhaltensfortschritten sortieren. So haben die Inhaftierten Anreize sich weiterzuentwickeln und werden auf das Leben draußen vorbereitet.
Rundschau: Wie verbringen Sie am liebsten Ihre Zeit, wenn Sie die Mauern verlassen?
Lammel: Meine Freizeit ist gut gefüllt. Ich habe 18-jährige Zwillingstöchter und treibe Sport. Außerdem fahre ich Motorrad. Meine Bochumer Kollegen haben mir zum Abschied einen Biker-Führer für das Bergische Land geschenkt. Jetzt freue ich mich aber erst einmal auf den bergischen Winter. Ich hoffe hier auf ein bisschen mehr Schnee als im Ruhrgebiet.