Erhebliche Schäden in Wuppertal „Wir kämpfen um jeden Baum“

Wuppertal · Dass unsere Natur krankt, wird auch in den Städten immer sichtbarer. Wuppertal lässt nun 250 Stadtbäume fällen. Bereits im vergangenen Jahr mussten 200 weichen. Geht das jetzt immer so weiter? Rundschau-Redakteurin Nina Bossy sprach mit Michael Kaiser und Christian Arlt, Abteilungsleiter für Pflege und Unterhaltung von Grün- und Freiflächen bei der Stadt Wuppertal, sowie ihrer Ressortleiterin Annette Berendes.

 Immer öfter müssen Bäume gefällt werden.

Immer öfter müssen Bäume gefällt werden.

Foto: Christoph Petersen

Rundschau: Ich fürchte die Antwort. Dennoch: Wie geht’s den Wuppertaler Bäumen?

Berendes: „Seit 2018 kämpft die Natur gegen eine Dürre. Auch die Bäume im Wuppertaler Stadtgebiet sind in Folge der trockenen Sommer teils in einem sehr schlechten Zustand. Pilze haben zum Beispiel das Wurzelwerk angegriffen, Parasiten haben ein leichtes Spiel, denn die Abwehr vieler Bäume ist geschwächt. Leider werden solche Bäume im städtischen Raum zu einer Gefahr. Deshalb müssen wir nun 250 Bäume fällen.“

Kaiser: „Tatsächlich sind das auch manchmal Bäume, die augenscheinlich gar nicht krank aussehen. Oft haben diese zum Beispiel eine gesund aussehende Krone, aber kaum noch Wurzelwerk. Über das gesamte Jahr betreiben unsere Mitarbeiter eine komplexe Risikobewertung, achten genau auf Indizien. Gerade im innerstädtischen Bereich müssen wir die Gefahr, die ein kranker Baum bedeuten kann, genau im Blick haben.“

Rundschau: Um was für Bäume handelt es sich? Und wo im Stadtgebiet sind sie zu finden?

 Annette Berendes.

Annette Berendes.

Foto: privat

Berendes: „Es handelt sich um unterschiedliche Arten, einzelne Exemplare, flächendeckend in der ganzen Stadt.

Arlt: „Im Nordpark werden zum Beispiel acht Buchen gefällt. Die Buche ist ein Flachwurzler und muss sich in den oberen Bodenschichten mit Wasser versorgen. Hier liegt das Problem, durch die andauernde Trockenheit fehlt den Buchen zusehens die Lebensgrundlage. Eine Erdprobe hat dies im letzten Jahr aufgezeigt.“

Rundschau: Ab März sollen laut Baumschutzsatzung starker Rückschnitt und Fällungen vermieden werden, um die nistenden Vögel zu schützen. Warum sind die Fällungen nicht schon im Februar vorgenommen worden?

Berendes: „Nicht verkehrssichere Bäume können grundsätzlich das ganze Jahr über gefällt werden. Wir versuchen jedoch, dies möglichst in das Winterhalbjahr zu legen. Diesmal müssen wir so viele Bäume fällen, dass der Auftrag europaweit ausgeschrieben wurde. Und da überall Bäume wegen der Dürre gefällt werden müssen, haben die Firmen gut gefüllte Auftragsbücher.

Arlt: „Grundsätzlich werden bei allen Fällungen die Belange des Naturschutzes beachtet. Außerdem achten wir darauf, dass keine Nester zu Schaden kommen. Um den natürlichen Kreislauf zu schützen, können wir dort die gefällten Bäume liegen lassen. Teilweise entnehmen wir nur die Krone und überlassen den Stamm der Fauna und Flora.“

 Michael Kaiser, Abteilungsleiter für Pflege und Unterhaltung von Grün- und Freiflächen.

Michael Kaiser, Abteilungsleiter für Pflege und Unterhaltung von Grün- und Freiflächen.

Foto: privat

Rundschau: Was unternimmt die Stadt, um den Verlust auszugleichen?

Arlt: „Im Nordpark findet dauerhaft eine Naturverjüngung statt. Die Samen aus den Bucheckern, mit denen die Kinder im Herbst so schön spielen, treiben aus und neue Bäume wachsen. Und die passen sich dann dem veränderten Klima an. Für die alten Bäume, teils über 150 Jahre alt, kam die Veränderung nur zu schnell und zu radikal. Ob die Buche eine Zukunft hat, wird die Zeit zeigen. Eine solche Naturverjüngung findet in vielen der Wuppertaler Park- und Grünanlagen statt.“

Berendes: „Zudem werden im gesamten Stadtgebiet 150 Neupflanzungen umgesetzt.“

Rundschau: Durch das Arboretum, also die Sammlung verschiedener und exotischer Bäume im Burgholz, hat Wuppertal Expertise über fremdländische Bäume. Auf welche Arten setzen Sie?

Kaiser: „Durch das sich verändernde Klima ist die Frage, welcher Baum gute Zukunftschancen hat, ein echter Blick in die Glaskugel. Vor allem, weil auch innerhalb Wuppertals jeder Standort eine Besonderheit hat. Wir setzen innerhalb der Stadt derzeit unter anderem auf Amberbaum, Hopfenbuche, Schnurbaum, Feldahorn oder Silberlinde.“

 Christian Arlt, Abteilungsleiter für Pflege und Unterhaltung von Grün- und Freiflächen.

Christian Arlt, Abteilungsleiter für Pflege und Unterhaltung von Grün- und Freiflächen.

Foto: Stadt Wuppertal

Rundschau: 2020 wurden 200 Bäume gefällt, dieses Jahr sind es 250. Und nächstes Jahr setzen sich die Fällungen weiter fort?

Berendes: „Die klimatischen Bedingungen bleiben eine große Herausforderung. In welchem Umfang wir fällen müssen, hängt davon ab, wie viel es regnen wird. Wir kämpfen um jeden Baum.“

Rundschau: Wie grün ist unsere Stadt eigentlich? Glauben Sie, dass sie in Zukunft grauer wird?

Kaiser: „Wir haben immer noch ca. 25.000 Straßenbäume und möchten gerne aufstocken. Das ist in Wuppertals engen, von Versorgungs- und Entsorgungsleitungen durchzogenen Straßen aber auch nicht leicht.“

Berendes: „34 Prozent des Stadtgebiets sind Grün. Und auch wenn die klimatischen Bedingungen schwieriger werden, möchten wir hier auf kein Prozent verzichten.“

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