Die Wuppertaler Junior Uni ist ein innovativer, außerschulischer Lernort. Sie bietet jungen Menschen zwischen vier und 20 Jahren praxisorientierte Kurse zum gemeinsamen Experimentieren, Forschen und Gestalten in verschiedenen Themenbereichen – von Naturwissenschaften, Mathematik, Technik und Ingenieurwissenschaften über Geistes- und Sozialwissenschaften bis hin zu Wirtschaftswissenschaften sowie Kunst und Kultur. Die Einrichtung wird fast ausschließlich privat finanziert.
Seit ihrer Gründung wird die Junior Uni vom Wuppertaler Institut für bildungsökonomische Forschung, kurz WIB, wissenschaftlich begleitet. Das in der Bergischen Universität Wuppertal angesiedelte Institut überprüft in regelmäßigen Abständen, ob die von der Junior Uni selbst gesteckten Ziele erreicht werden und welche Entwicklungspotenziale bestehen. „Auch über die Bergische Region hinaus kann das Beispiel und Vorgehen der Junior Uni als Vorbild dienen“, betonen die Bildungsökonominnen Prof. Dr. Kerstin Schneider und Dr. Anna Makles aus dem WIB-Vorstand.
So stelle der aktuelle Bericht dar, was außerschulische Lernorte leisten könnten. Dass sie wichtig sind, daran haben die Autorinnen keinen Zweifel. „Unsere regelmäßige Überprüfung zeigt, dass es sich für eine Stadt oder Region lohnt, ein solches Angebot bieten zu können“, erklärt Kerstin Schneider. Schulen würden diese Angebote auch nicht als Konkurrenz sehen. Vielmehr seien außerschulische Einrichtungen willkommene und notwendige Bestandteile im Bildungssystem.
Nur ein Aspekt, der ihre Bedeutung unterstreicht, ist die kleine Gruppengröße und die daran geknüpften Chancen im Bereich der individuellen Förderung. In der Schulklasse sitzen häufig mehr als 30 Schülerinnen und Schüler zusammen. Die durchschnittliche Zahl der Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer bei der Junior Uni in Wuppertal: zwölf.
Die Junior Uni wird immer bunter
Die Zahl ist ein Ergebnis von vielen weiteren aus dem neuesten Statusbericht zur Junior Uni, den das WIB im Rahmen einer Fördererveranstaltung in der Junior Uni vorgestellt hat. Geschäftsführerin Dr. Ariane Staab von der Junior Uni: „Die externe Evaluation ist für uns weit mehr als eine selbstverständliche Pflicht – sie ist ein wertvolles Instrument, um unsere Arbeit kritisch zu reflektieren, weiterzuentwickeln und die Qualität unserer Bildungsangebote langfristig zu sichern. Nur durch den Blick von außen können wir sicherstellen, dass wir unseren Anspruch, allen jungen Menschen bestmögliche Lernbedingungen und die Möglichkeit bieten, ihre Potenziale zu entdecken und Orientierung zu finden, immer wieder neu erfüllen.“
Das allgemeine Fazit des Berichts: Die Junior Uni wird immer bunter. Seit ihrer Gründung 2008 hat sich bei den Kursteilnehmerinnen und -teilnehmern der Anteil an Mädchen erhöht, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer besuchen alle Schulformen, die angebotenen Kurse sind thematisch vierfältiger geworden, es gibt zudem speziell auf Kita- und Schulgruppen zugeschnittene Angebote und auch die Zusammensetzung der Dozentinnen und Dozenten wird immer diverser.
Im Fachbereich Technik und Ingenieurwissenschaften liegt der Anteil der Mädchen und diversen Personen im Schnitt bei nur 22 Prozent. „Damit bleibt es eine zentrale Herausforderung, Mädchen gezielter für technische Themen zu begeistern“, so die Autorinnen des Berichts.
Kontinuierlich testet man an der Junior Uni daher, wie man technische Kurse für Mädchen attraktiv gestalten kann. „Wir holen Mädchen thematisch mit Aktivitäten wie beispielsweise dem Designen von Schmuck ab und setzen in diesen Kursen technische Verfahren wie den 3D-Druck oder auch das Löten von Metall ein“, schildert Staab. Die nächsten Berichte aus dem WIB sollen dann zeigen, ob die Maßnahmen dazu beitragen können, dass sich mehr Mädchen für Technikkurse anmelden.
Inzwischen wird die zur Zeit der Gründung vollkommen neuartige Idee der Wuppertaler Junior Uni zwar auch in ähnlichen Modellen andernorts umgesetzt, besonders sei jedoch weiterhin die bemerkenswerte Offenheit für eine kontinuierliche Evaluation durch ein unabhängiges Forschungsinstitut. „Das verdeutlicht den hohen Anspruch der Junior Uni, die eigene Wirksamkeit systematisch zu prüfen und sich weiterzuentwickeln“, bestätigt Anna Makles.
Diese Offenheit erlaubt es der Wissenschaft, fundierte Aussagen über außerschulische Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche zu treffen. Genutzt werden können die zum einen von anderen Einrichtungen als Inspirationsquelle und zum anderen von der Bildungspolitik als Entscheidungsgrundlage für die Gestaltung unterschiedlicher Programme zur Förderung außerschulischer Angebote oder individueller Entwicklungen.
Nicht nur Nice-to-have
Warum es nicht nur für die Junior Uni ergiebig ist, Potenziale, Erfolge und mögliche Strategien, die den Weg dorthin ebnen, zu identifizieren? Ein Beispiel nennt Junior-Uni-Geschäftsführerin Ariane Staab: „Mädchen für technische Fächer zu begeistern, ist kein Nice-to-have. Wenn ihr fachliches Interesse zum Beispiel in eine wissenschaftliche Karriere mündet, trägt das vielmehr zu einem vielseitigen Blick auf zukünftige Forschungsfragen und Problemlösungen bei.“
Anna Makles vom WIB ergänzt: „Auch für Aktivitäten rund um das Thema Fachkräfteentwicklung ist es von Bedeutung, Herangehensweisen zu kennen, mit denen möglichst viele Kinder unabhängig von Herkunft und sozialer Schicht erreicht werden können.“
Der Bericht bescheinigt der Junior Uni bei diesen Themen positive Ergebnisse: Die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer aus dem Bergischen Städtedreieck entsprechen inzwischen weitgehend der Zusammensetzung der Gesamtbevölkerung. Im Jahr 2024 hatten 41 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Migrationshintergrund. Und auch Schülerinnen und Schüler aus Förderschulen nehmen an den Kursen teil.
Besuch der Junior Uni beeinflusst die kognitive Entwicklung
Wichtig sei, das betonen Kerstin Schneider und Anna Makles, dass sie mit ihrem Bericht überwiegend einfache Zusammenhänge aufdecken – wie die Beobachtung, dass sich Mädchen überdurchschnittlich häufig für Kurse mit weiblichen Kursleiterinnen anmelden. Über dahinterliegende Gründe lässt sich an vielen Stellen nur spekulieren. Mit einer Ausnahme: In der Vergangenheit konnte das WIB bereits nachweisen, dass der Besuch der Junior Uni einen kausalen Einfluss auf die kognitive Entwicklung von Kleinkindern hat.
Dazu betrachtete das WIB die Schuleingangsuntersuchung, also Kita-Kinder am Übergang in die erste Schulklasse, und verglich jene miteinander, die die Junior Uni besucht haben mit denen, die sie nicht besucht haben. Stünden ihnen die finanziellen Mittel zur Verfügung würden sie am WIB hieran gerne anknüpfen und die Wirkung außerschulischer Lernorte auch für ältere Kinder und Jugendliche noch weitgehender analysieren.
„Ich würde auch in anderen Kontexten sehr gerne die Aussage treffen können ,Die Junior Uni wirkt‘“, sagt Anna Makles. Wie sie ein entsprechendes Forschungsprojekt angehen würden, wissen sie im WIB bereits. „Wir wollen untersuchen, ob der Besuch der Junior Uni einen nachweisbaren Einfluss auf die spätere Berufswahl hat. Dabei interessiert uns besonders der Bereich der sogenannten MINT-Fächer, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik“, beschreibt Kerstin Schneider. Möglich sei diese Untersuchung jedoch nur im Rahmen einer größer angelegten Studie im Kontrollgruppendesign, für die sich noch keine Förderung gefunden hat.
Aktuell hält das WIB daher weiter Ausschau nach passenden Förderprogrammen und hofft auf einen erfolgreichen Antrag in nicht allzu ferner Zukunft. „Die tatsächlichen Wirkungszusammenhänge und Mechanismen zu verstehen, ist entscheidend für die Implementierung zielgerichteter und bedarfsgerechter Maßnahmen im Bildungsbereich“, so Kerstin Schneider.
Der vorliegende Evaluationsbericht zur Junior Uni hat erstmals auch die Kursleitungen genauer betrachtet. So hat das WIB geschaut, wie es um die Vielfalt der Kursleiterinnen und -leiter hinsichtlich ihres Geschlechts und des Migrationshintergrunds steht und untersucht, wie diese Vielfalt die Zusammensetzung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Kursen und deren Wiederkehrquoten beeinflusst.
● Die Kursleitungen sind in den vergangenen Jahren deutlich vielfältiger geworden. Der Anteil von Frauen und Kursleitungen mit Migrationshintergrund hat spürbar zugenommen – auch in MINT-Fächern. 2024 wurden 53 Prozent der Kurse von Frauen geleitet; weitere 30 Prozent von gemischten Teams aus Frauen und Männern.
● Während 67 Prozent der Kurse von Personen ohne Migrationshintergrund durchgeführt wurden, entfielen immerhin 25 Prozent auf Teams unterschiedlicher Herkunft, also eine Person mit und eine ohne Migrationshintergrund. Diese Entwicklung trägt dazu bei, neue Zielgruppen zu erreichen und die Attraktivität des Kursangebots zu steigern.
● Die Heterogenität der Kursleitungen spiegelt sich auch unter den Studentinnen und Studenten wider: Im Jahr 2024 hatten 2.746 von insgesamt 6.679 Teilnehmerinnen und Teilnehmern (41 Prozent) einen Migrationshintergrund.
● Das Wahlverhalten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigt klare Muster: Mädchen und diverse Kinder bevorzugen häufiger Kurse mit weiblicher Leitung (51 Prozent), während Jungen stärker Kurse unter männlicher Leitung besuchen (38 Prozent). Herkunftsmerkmale der Kursleitungen sowie die inhaltliche Ausrichtung der Kurse haben hingegen keinen signifikanten Einfluss darauf, ob die Kinder weitere Kurse buchen.
● Die Wiederkehrraten hängen stark von individuellen Merkmalen ab: Jungen kehren häufiger zurück als Mädchen oder diverse Kinder; jüngere Kinder häufiger als ältere; Kinder mit Wohnsitz außerhalb Wuppertals hingegen seltener.