Jahresbilanz 2022 des Jobcenters Zwischen Kerngeschäft und Krisenbewältigung

Wuppertal · Für das Jobcenter Wuppertal stand das Jahr 2022 nach eigenen Angaben „ganz im Zeichen der Bewältigung krisenbedingter Entwicklungen“.

Von li.: Uwe Kastien, Thomas Lenz und Andreas Kletzander bilden den Vorstand des Wuppertaler Jobcenters.

Von li.: Uwe Kastien, Thomas Lenz und Andreas Kletzander bilden den Vorstand des Wuppertaler Jobcenters.

Foto: Jobcenter Wuppertal

Die größte Herausforderung sei dabei die Aufnahme von knapp 4.000 ukrainischen Geflüchteten in den Zuständigkeitsbereich gewesen, hieß es am Donnerstag (9. Februar 2023) auf der Jahrespressekonferenz. Allerdings habe „auch die ausklingende Corona-Pandemie immer noch Auswirkungen auf das Jobcenter und die leistungsberechtigten Bürgerinnen und Bürger“ gezeigt.

„Die Aufnahme von 4.000 ukrainischen Kriegsflüchtlingen innerhalb von wenigen Monaten war ein enormer Kraftakt, der nur durch die Bündelung aller Kräfte innerhalb des Jobcenters und im Zusammenspiel mit der Stadt gelingen konnte“, so Thomas Lenz (Vorstandsvorsitzender des Jobcenters. Von Vorteil sei die Einrichtung des „Ukraine Service Centers“ im Wicküler-Park gewesen, wo Jobcenter, Ausländerbehörde, Ressort Zuwanderung und Integration sowie das Einwohnermeldeamt gemeinsam arbeiten.

Die Aufnahme der ukrainischen Flüchtlinge sei „ein weiterer Beleg dafür, dass die Jobcenter zunehmend zu Organisationen der kommunalen Krisenbewältigung geworden sind, wie dies schon bei der Integration der syrischen Geflüchteten oder bei der Corona-Pandemie der Fall war.“ Im „Ukraine Service Center“ hätten bis zu 45 Beschäftigte gearbeitet, ohne dass die Politik dafür zusätzliche Mittel bereitgestellt habe.

„Diese Personen fehlen natürlich an anderer Stelle. Der Spagat zwischen Kerngeschäft und Krisenmanagement hat jetzt schon zur teilweisen Überforderung der Organisation geführt und wird auf Dauer ohne zusätzliche Mittel nicht zu schaffen sein“, mahnt Thomas Lenz.

Trotz erschwerter Rahmenbedingungen und der konjunkturellen Eintrübung im Spätherbst hat das Jobcenter nach eigenen Angaben mit rund 6.700 Vermittlungen in sozialversicherungspflichtige Arbeit oder Ausbildung den Zielwert von 20,5 Prozent nur knapp verfehlt. Auch die Zahl der Regelleistungsberechtigten stieg demnach gegenüber dem Vorjahr nur um rund 1.000 Personen auf 47.745.

Für Dr. Andreas Kletzander (Vorstand Arbeitsmarkt und Kommunikation) sind das gute Zahlen: „Wir haben den Eingliederungstitel von 48,2 Millionen zu 99,7 Prozent ausgeschöpft und konnten dabei 15.000 Menschen ein konkretes Angebot machen wie eine Ausbildung, Umschulung oder ein persönliches Coaching.“

Besonders im Blick waren dabei junge Menschen. 694 davon wurden in eine betriebliche und weitere 210 in eine außerbetriebliche Ausbildung vermittelt. „Hier zahlt es sich aus, dass wir für junge Menschen mit erhöhtem Förderbedarf ein breites Spektrum an Ausbildungsberufen anbieten können wie zum Beispiel in der Fahrradmeisterei“, erklärt Kletzander.

Auf hohem Niveau habe sich die Zahl der im Rahmen des Teilhabechancengesetzes geförderten Stellen stabilisiert: Ende 2022 waren laut Jobcenter rund 500 Menschen im sogenannten sozialen Arbeitsmarkt beschäftigt: „Landesweit beispielhaft sind dabei die über 160 Stellen, die zusätzlich von der Stadt Wuppertal gefördert werden, um Aufgaben im kommunalen Interesse – wie zum Beispiel die Pflege der Nordbahntrasse – ermöglichen zu können.“ In das Rehapro-Projekt „Bergauf“ wurden die ersten 100 Frauen aufgenommen, die durch individuelle Gesundheitsangebote schrittweise wieder in Arbeit und Gesellschaft integriert werden. Ausgebaut wurden auch die Beratungsangebote für die Berufliche Rehabilitation.

Als „Meilenstein in der Organisationsentwicklung“ bezeichnet das Jobcenter den Bezug der neuen Räumlichkeiten in der Schwarzbach in Oberbarmen. „An diesem Standort haben wir konsequent unser neues Raumkonzept mit Desk Sharing und flexibler Flächennutzung umgesetzt“, berichtet Uwe Kastien (Vorstand Personal und Finanzen). „Wir sind damit auch Vorreiter in der kommunalen Familie.“

Der Ausblick auf Jahr 2023 fällt zurückhaltend aus. „Die letzten Jahre haben gezeigt, wie schnell sich Rahmenbedingungen ändern und wie unerwartete Entwicklungen die Organisation treffen. Auch wenn wir als Jobcenter sowohl die Folgen von Pandemie als auch Flucht gut bewältigt haben, so erwarten uns auch 2023 neue Herausforderungen“, so Thomas Lenz. Er nennt als Beispiel die Einführung des Bürgergeldes, die aus seiner Sicht mehr Chancen als Risiken biete.

Ein Schwerpunkt werde 2023 auch die Betreuung der ukrainischen Menschen sein, wo nun nach erfolgter Existenzsicherung verstärkt auch die soziale und berufliche Integration in den Fokus rücke. Weitere Herausforderungen seien die Umsetzung des Chancen-Aufenthaltsgesetzes oder die finanziellen Belastungen der Bürgerinnen und Bürger infolge steigender Energie- und Lebenshaltungskosten.

Der Vorstand geht davon aus, dass in Aufgaben und Arbeitsaufwand nochmals gegenüber dem Vorjahr steigen werden. Dem gegenüber stehe keine Steigerung der Haushaltsmittel, im Eingliederungsbereich würden die Mittel sogar um drei Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr.

„Die Jobcenter haben sich in den letzten Jahren als verlässliche Krisenmanager und Garanten des sozialen Friedens erwiesen. Wenn man uns jetzt noch weitere Aufgaben draufpackt, erwarte ich auch eine ausreichende Finanzierung“, so Lenz.

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