Bergische Uni Wuppertal hat das Zeug …

Wuppertal · Dr. Karoline Augenstein ist Junior-Professorin für „Politikfeldanalyse, insbesondere Transformationsforschung und Nachhaltigkeit“ an der Bergischen Universität Wuppertal. Mit ihrer Forschungsgruppe geht sie der Frage nach, was eigentlich gutes Leben in einer Stadt ausmacht? In der Reihe „Bergische Transfergeschichten“ erklärt sie, welche Rolle die Idee des Teilens dabei einnimmt und warum Wuppertal das Zeug zu einer nachhaltigen Stadt der Zukunft hat.

 Dr. Karoline Augenstein.

Dr. Karoline Augenstein.

Foto: Pia-Maria Michnik

Was ist Nachhaltigkeit? Das Portal der Geschäftsstelle „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ der Deutschen UNESCO-Kommission e.V. nennt es die wichtigste Regel, damit alle Menschen auf der Welt heute und in Zukunft gut leben können. Und wenn diese Regel heute eingehalten wird, profitieren zukünftige Generationen davon. Jeder einzelne kann seinen Beitrag dazu leisten, denkt man, doch so einfach ist es nicht. Prof. Dr. Karoline Augenstein vom Zentrum für Transformationsforschung und Nachhaltigkeit (TransZent), dem gemeinsamen Forschungszentrum der Bergischen Universität und dem Wuppertal Institut, weiß das sehr genau.

„Es ist bei mir, wie bei vielen vermutlich, dass man oft an seinen Ansprüchen scheitert. Ich bemühe mich. Ich pendele zur Arbeit mit der Bahn, bin viel zu Fuß unterwegs, achte natürlich auf mein Konsumverhalten und all diese Dinge, die natürlich ganz viele machen“, sagt sie, sieht den Lösungsansatz allerdings woanders. „Ich finde es wichtig, dass man das nicht grundsätzlich auf den Einzelnen abschiebt, dass man weder ökonomisch sagt, die Menschen sind in erster Linie Konsumentinnen und Konsumenten, die entscheiden es durch ihr Kaufverhalten, noch, dass die Politik sagt, jeder Einzelne muss seinen Beitrag leisten. Die Aufgabe ist eigentlich, dass man strukturelle Bedingungen schafft, die es den Menschen leichter machen, sich nachhaltiger zu verhalten.“

Mithelfen, diese Bedingungen zu schaffen, sieht Augenstein als ihre wichtigste Aufgabe an. „Da sehe ich meinen Beitrag tatsächlich am ehesten in meinem Beruf. Ich kann diese ganzen Themen rund um Nachhaltigkeit und Transformation in der Forschung präsenter machen und dazu gute Projekte erarbeiten. Auch in der Lehre kann ich das Thema in der Universität verankern, den Studierenden vermitteln und ein Bewusstsein schaffen!“

Urban Sharing Society

In Wuppertal leitet die Juniorprofessorin die Nachwuchsgruppe „UrbanUp – Upscaling-Strategien für eine Urban Sharing Society“. Dieses auf fünf Jahre angelegte inter- und transdisziplinäre Forschungsprojekt hat das Ziel, Sharing-Praktiken innerhalb unterschiedlicher Gruppen von Nutzerinnen und Nutzern zu analysieren sowie nachhaltigkeitsorientierte Geschäftsmodelle und Governance-Ansätze für „Sharing Cities“ zu entwickeln. Aber was ist eigentlich eine Urban Sharing Society? „Danach sind wir in diesem Forschungsprojekt auf der Suche“, erklärt sie lachend, „das ist das Leitkonzept, welches verschiedene Fragestellungen und Disziplinen integriert.“ Es geht zu Anfang noch darum, zu hinterfragen, ob die Idee des Teilens überhaupt ein Leitprinzip zur nachhaltigen Stadtentwicklung sein könne, erklärt sie. „Teilen im Sinne von Ressourcen teilen und diese effizienter zu nutzen: Also wie kann man eigentlich in der Stadt dazu beitragen, dass es so eine Art Wertewandel gibt? Wem gehören die Ressourcen und wie können sie sinnvoll nachhaltig geteilt werden? Wie lässt sich so eine nachhaltige Stadtentwicklung als gemeinsamer Prozess gestalten?“

Im nächsten Schritt werden dann die „Urban Player“ zusammengedacht. „Wie ist das Zusammenspiel von städtischer Politik und Verwaltung, lokalen Unternehmen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Bürgerinnen und Bürgern, die sich natürlich auch vielfältig mit einbringen?“, fragt die Wissenschaftlerin. In ihrem Team werden Konzepte der möglichen Kooperationsformen ausgearbeitet und immer wieder die Frage gestellt: Was macht eigentlich ein gutes Leben in einer Stadt aus?

Kann Wuppertal eine nachhaltige Stadt werden?

Über die Politikwissenschaft kommt die gebürtige Heidelbergerin zum Thema Nachhaltigkeit. „Ich habe mich mit europäischer Umweltpolitik und der Nachhaltigkeitsstrategie der EU beschäftigt. Wie kann man eigentlich“, fragte sie sich, „das Thema Nachhaltigkeit auch in verschiedenen Politikfeldern integrieren? Und da ist das Interesse auch interdisziplinär an diesem Thema gewachsen. Was heißt Nachhaltigkeit im Bereich der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft?“

Ihre Forschungsschwerpunkte sind heute die Nachhaltigkeits- und Transformationsforschung. Augenstein kann sich Wuppertal durchaus als nachhaltige Stadt der Zukunft vorstellen, denn „Wuppertal ist ein superinteressantes Pflaster“, sagt sie spontan, „einmal allein schon durch die Forschungslandschaft und insbesondere das TransZent!“ Hier kommen viele unterschiedliche Forschungsbereiche zusammen, denn was die Nachhaltigkeits- und Transformationsforschung insbesondere braucht, sind interdisziplinäre Perspektiven. Daneben gibt es das Wuppertal Institut. „Eine Institution für sich“, wie Augenstein sagt, mit der sie auch kooperiert. „Dann arbeiten wir auch mit dem Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP), das ebenfalls in Wuppertal ansässig ist, zusammen. Die beschäftigen sich mit nachhaltigem Konsum und Produktion.“ Und auch die vielen zivilgesellschaftlichen Initiativen vergisst sie nicht zu erwähnen – „Utopiastadt“, „Aufbruch am Arrenberg“ oder der „BOB Campus“ – mit denen ein reger Austausch besteht und die zur Nachhaltigkeit einer Stadt entschieden beitragen, wie auch lokale Unternehmen, die sich mit Ideenreichtum einbringen. „Die Bedingungen sind hier sehr günstig, weil es viele gute Netzwerke und Kooperationen zwischen Wissenschaft und Praxis gibt“, ergänzt sie.

Die optimale Stadtentwicklung im 21. Jahrhundert?

Wie würde eine Wissenschaftlerin die optimale, nachhaltige Stadtentwicklung im 21. Jahrhundert beschreiben? „Selbst, wenn ich könnte, wie ich wollte, bleibt das eine etwas schwierige Frage“, sagt sie, denn wie es beispielsweise auch der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) in seinem Kompass für nachhaltige Stadtentwicklung formuliert, müsse jede Stadt den eigenen Weg finden. Es gehe immer darum: „Wie können lokale Unternehmen, lokale Politik und die Zivilgesellschaft das gemeinsam gestalten? Wie kann es in einer Stadt gelingen, dass es ein gutes Leben für alle gibt?“ Es gehe nicht immer nur um das Bruttoinlandsprodukt oder ein noch größeres Wirtschaftswachstum, erklärt sie, sondern um ganzheitliche Lösungen, Freiräume und Begegnungsorte, die ein gutes soziales Miteinander ermöglichen sowie die Frage: „Wie kann man das gute Leben in der Stadt eigentlich gestalten, ohne die ökologischen Grundlagen zu zerstören?“

Ein Virus fordert Alternativlösungen

Die Zusammenarbeit mit Praxispartnerinnen und -partner vor Ort ist durch die anhaltende Coronakrise schwierig geworden. Digitale Lösungen bieten eine Alternative. In Zusammenarbeit mit der Stadtbibliothek Wuppertal plant Augenstein zum Beispiel digitale Räume des Austausches. Und bestehende Initiativen bauen ihre Netzwerke aus, organisieren Nachbarschaftshilfen oder verteilen Schutzmasken.

„Das erschwert zwar unsere Arbeit mit dem, was wir geplant hatten“, resümiert sie, „aber es zeigt auch, dass wir an einem sehr relevanten Thema dran sind: Nämlich neue Formen von Kooperationen in Krisen zu unterstützen.“

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