Begische Uni Wuppertal Ausstellung: Die Bedeutung von Bildlichkeit

Wuppertal · Die Kunstprofessorin Katja Pfeiffer über Ideen und Wege der Kunst in der neuen Ausstellung „Kaleidoskop“ an der Bergischen Universität.

 Student von Paul Schraa.

Student von Paul Schraa.

Foto: Bergische Uni

Hellgestrichene, offene Flure mit phantasievollen Kunstwerken erwarten die Besucher im Gebäude I der Bergischen Universität an der Fuhlrottstraße und zeigen unter dem Motto „Kaleidoskop“ die enorme Bandbreite junger Kunststudierender. Faszinierend, witzig, manchmal verstörend und auch unbeschreiblich kommen die Semesterarbeiten der jungen Künstler den Betrachtern vor.

Versuche, sich diese Werke verbal zu erklären, fallen oft schwer und unsere Worte scheinen an ihre Grenzen zu stoßen. Genau an diesem Punkt setzt die Kunstprofessorin Katja Pfeiffer an. „Die Titelfindung bei der diesjährigen Ausstellung gestaltete sich komplexer als gedacht“, erklärt sie und suchte neue Wege der Beschreibbarkeit. Sie vernetzte sich mit dem Social-Media-Kanal der Studierenden und nutzte ein Umfragetool mit 50 Titeln, an dem ebenso viele Studierende teilnahmen.

 Kunstprofessorin Katja Pfeiffer.

Kunstprofessorin Katja Pfeiffer.

Foto: Sebastian Jarych

Wichtig schien ihr diese Herangehensweise, da sich das Wording in der Welt derzeit in alle möglichen Richtungen massiv und schnell ändere. „Nun stehen also die verschiedenen Generationen vor großen Fragen hinsichtlich der Verwendung von Sprache“, sagt sie, „es ist ein Zustand der Unruhe, der sich bei der Titelfindung durch die Studierenden wunderbar abgebildet hat.“ Ein Titel sollte es werden, der lange hält und auch Diversität abbildet. Nach ausgiebigen Diskussionen einigte man schließlich demokratisch auf den Begriff „Kaleidoskop“.

Deutung von Bildlichkeit

Kaleidoskop ist ein Wort, was ursprünglich aus dem Griechischen stammt und bedeutet: schöne Formen sehen. Kunst ist aber mehr, und so brach Pfeiffer diesen Begriff mit dem Motiv des Plakates, auf dem der Betrachter ein Tattoo vermuten kann. „Die Studierenden haben in der Kunstpraxis zurzeit die Gattung Grafik erweitert, denn sie sind im Besitz einer Tätowiermaschine“, erzählt die Künstlerin.

Collage von Jana Fischer.

Collage von Jana Fischer.

Foto: Bergische Uni

Dieses Phänomen der gegenseitigen Tätowierung sei spannend, weil es eine leibliche Verbundenheit mit der eigenen Kommilitoninnen- und Kommilitonengeneration zeige, die es so noch nicht gegeben habe. „Hier sieht man, wie sich neben der Sprache auch die Deutung von Bildlichkeit verändert.“

Galten Tattoos früher als religiöse Zeichen der Ureinwohner, Seefahrerkennung oder Knastschmuck, sind sie heute gesellschaftsfähig und allgemeiner Konsens. Jeder könne heute mit diesem Begriff etwas anfangen, und so hat er auch Eingang in die Kunstpädagogik gefunden. „Mit dem Blick auf Kunst und Design kann man auch anmerken, dass Menschen mit ihren zwei Händen, bzw. ihrer Leiblichkeit, auch zu analogen Tätigkeiten geboren sind, egal wieviel KI wir noch erfinden.“

Kontroversen sind wichtig

Mischwesen von Thinette Skicki.

Mischwesen von Thinette Skicki.

Foto: Bergische Uni

Kunst und Sprache, zwei wichtige Faktoren, die Bildung vermitteln, werden oft kontrovers aufgefasst. Was ein Betrachter/Leser als schön, spannend oder abstoßend empfindet, kann ein anderer als hässlich, langweilig oder anziehend ansehen. „Darüber müssen wir sprechen. Quer durch die Generationen, quer durch die Republik, quer durch die Fächer, quer durch die Geschlechter“, fordert Pfeiffer.

Ein Sprechen und Forschen miteinander sei wichtig, es dürfe durchaus auch unbequem sein, also jenseits der eigenen Komfortzone und des eigenen Geschlechts. Die Frage, wie weit Kunst dabei gehen darf, behandelt zusätzlich eine zweite Ausstellung unter dem Titel „Schauprozess Prozessschau“, die noch bis zum 24. Januar 2ß23 im Oktogon an der Wormser Straße 55 zu sehen ist. Die Multimediainstallation der Frankfurter Hauptschule stellt die Frage: Wie weit kann oder darf ich zu weit gehen?

Kaleidoskop 2022 – eine variantenreiche Semesterausstellung

Erstmals nach langer Coronaphase stellen Studierende der Fachgruppe Kunst in einer variantenreichen Ausstellung ihre rund 50 Semesterarbeiten aus, über die man sprechen muss, auch wenn man oft nicht sofort die richtigen Worte hat.

Zu sehen sind unter anderem malerisch veränderte Fotocollagen, ein begehbarer Gedankenwürfel, graphisch feinst ausgearbeitete Mischwesen und Zeitraffergemälde sowie eine sich bewegende Lichtinstallation. Verstörende Wasserimaginationen, eine überdimensionale Labyrinthkonstruktion im Außenbereich, die scheinbar von Außerirdischen bewacht wird oder eine durch die Decke wachsende Folieninstallation vervollständigen das Ausstellungsoeuvre ebenso, wie wandfüllende Farbströme, ein schmelzender Torso oder Memory ähnliche, kachelgroße Ornamente, einfarbig eingefärbte Fotographien und graphisch gestaltete Elektrokardiogramme.

Merkwürdige Dinge können zu Lösungen führen

„Kunst kann helfen, mit diesen neuen Bildern umzugehen“, sagt Pfeiffer, „merkwürdige Dinge können zu Lösungen führen!“ Das sei vor allem deshalb möglich, weil die Kreativität einer neuen Generation von kritischen, diversen und unternehmungslustigen Studierenden auch das Lehrpersonal inspiriere. Das Fach Kunst an der Bergischen Universität zeige mit dieser Ausstellung anschaulich, wie verschiedene Strategien zur Lösung eines Problems beitragen können. „Und das tun wir, indem wir Unruhe stiften, Verwunderung auslösen oder Begeisterung, Freude und Humor hervorrufen.“

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