Vom Flüchtling zum Staatsbediensteten Ali Fakih – eine deutsche Geschichte aus Wuppertal

Wuppertal · Dreimal flüchtete der Libanese Ali Fakih nach Deutschland. Jetzt ist er Referendar am Berufskolleg Elberfeld.

 Referendar Ali Fakih (36) vor seinem Arbeitsplatz. Im September 2020 ist er „fertiger“ Lehrer für die Fächer Wirtschaft und Gesundheitsökonomie.

Referendar Ali Fakih (36) vor seinem Arbeitsplatz. Im September 2020 ist er „fertiger“ Lehrer für die Fächer Wirtschaft und Gesundheitsökonomie.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Simone Bahrmann

„Vom Flüchtling zum Beamten. Das hört sich gut an“, sagt Ali Fakih und strahlt über das ganze Gesicht. Wer aufmerksam der Lebensgeschichte des 36-jährigen Vaters zweier Kinder lauscht, hängt automatisch an seinen Lippen. Er hat schließlich einiges erlebt. Mehr als die meisten in seinem Alter.

Und mehr als eine Menschenseele normalerweise ertragen kann. 1982 in den Libanon-Krieg hineingeboren, flüchtet er mit seiner Familie früh nach Deutschland. Was beim ersten Versuch 1987 noch misslingt, glückt zwei Jahre später. Es folgt eine lange Odyssee zwischen Hoffen und Bangen: Zunächst sechs Jahre Aufenthalt auf engstem Raum im Asylbewerberheim an der Tesche in Vohwinkel.

Dann die Abschiebung zurück in den Libanon. Gefolgt von der erneuten Flucht und dem endgültigen Aufenthalt in Deutschland – immer im Gefühl der stetigen Ungewissheit, in der neuen Heimat nur geduldet zu sein, und der Angst, in den schwer vom Krieg geplagten Libanon zurückkehren zu müssen.

30 Jahre nach der ersten erfolgreichen Flucht ist Ali Fakih vorläufig am Ziel. Seit Mai 2019 absolviert er sein Referendariat am Berufskolleg Elberfeld. Hier kann er das tun, wozu er sich bestimmt fühlt: seine außergewöhnlichen Lebenserfahrungen an die deutschen und ausländischen Schüler weiterzugeben und seinen Beitrag zur Völkerverständigung zu leisten.

Dafür schwor er jüngst seinen Eid auf die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. „Das hat mich richtig erfüllt, jetzt auch repräsentativ für den deutschen Staat tätig zu sein. Ich hatte Gänsehaut“, sagt er mit glänzenden Augen, während er die typische Handbewegung des Eidschwurs plastisch vorführt.

Dass Ali Fakih und seine Familie (eine ältere Schwester und zwei ältere Brüder) diesen Tag erleben durften, ist eigentlich ein Wunder. Schon in jungen Jahren muss Ali mit ansehen, wie sein Vater von Milizen mehrfach verhaftet und misshandelt wird, weil dieser unter anderem gegen die Abschiebung der Palästinenser aus dem Libanon protestiert. Vor der zweiten (geglückten) Flucht landet eine Rakete in der Küche des Elternhauses, explodiert jedoch zum Glück für die Familie nicht.

1996 nimmt die militärische „Operation Früchte des Zorns“ der israelischen Streitkräfte dem mittlerweile 14-jährigen Ali seinen gleichaltrigen Cousin. Ein Geschoss trifft ihn beim gemeinsamen Spielen am Kopf, unweit von Ali.

Wer Ali Fakih gegenüber sitzt, sieht einen Mann, den das erlebte Leid nur stärker gemacht zu haben scheint. Komplett frei von Spätfolgen ist er aber nicht: „Ich kann Blitz und Donner nicht ertragen, und an Silvester mache ich die Fenster zu. Das erinnert mich schon an den Krieg. Das kann man sich nicht vorstellen, wenn man es nicht selbst erlebt hat.“

Aktuell arbeitet Ali Fakih daran, sein bewegtes Leben zwischen zwei Buchdeckel zu packen und zu veröffentlichen. Erste Kontakte mit Verlagen sind bereits geknüpft.

Der Lehrer für die Fächer Wirtschaft und Gesundheitsökonomie möchte den deutschen Bürgern durch sein positives Integrations-Beispiel gerade in diesen Zeiten voller innenpolitischer Spannungen die Furcht vor Einwanderern nehmen. Flüchtlingen gibt er mit auf den Weg, es ihm gleichzutun und alles zu geben, ihre sich bietenden Chancen in Deutschland auch zu nutzen. Gleichzeitig ruft er beide Gruppen dazu auf, mehr aufeinander zuzugehen und dem Gegenüber mit Respekt und ohne Vorurteile zu begegnen.

Vorurteile, die er bis heute am eigenen Leib zu spüren bekommt und ihn an seiner Identität zweifeln lassen: „Für die meisten Deutschen bin ich immer noch der Libanese, und im Libanon bin ich der Deutsche.“ Dennoch ist Ali Fakih froh, in einem sicheren Land wie Deutschland leben zu dürfen. Neuerdings als offizieller Repräsentant.

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