Tanztheater Pina Bausch Fest der Schönheit und Erinnerung

Wuppertal · Mit der Wiederaufnahme von „… como el musguito en la piedra, ay si, si, si …“ und einer Eigenkreation des Ensembles beging das Tanztheater den zehnten Todestag von Pina Bausch.

 Annäherungsversuche: Stephanie Troyak und Christopher Tandy.

Annäherungsversuche: Stephanie Troyak und Christopher Tandy.

Foto: Marcelle Münkel

Schöne Frauen in tollen Kleidern, die hat es im Tanztheater von Pina Bausch schon immer gegeben, aber selten so edel in Szene gesetzt wie in „ … como el musguito en la piedra“. Ein gleißend weißer Fußboden lässt die Tänzerinnen geradezu aufleuchten: Es ist ein Fest der Schönheit, das in diesem letzten Stück der kurz nach der Uraufführung verstorbenen Choreographin gefeiert wird. Eine Szene umwerfender als die andere, und daraus resultiert gleichzeitig die Schwäche des Stücks: Dass grandios getanzten Soli und Duos ein wenig unvermittelt aneinandergereiht sind, ohne recht zu einem Bogen zusammenzufinden.

„Wie das Moos auf dem Stein“ (so die deutsche Übersetzung des Titels, einer Liedzeile der chilenischen Sängerin Violeta Parra) ist 2009 in Chile entstanden, und in der von Peter Pabst entworfenen Bühnenfläche mag man die chilenische Salzwüste erahnen. Wenn sich da Risse auftun, dann spiegelt sich das allerdings kaum in der Choreographie wider, die von einer vorsichtig heiteren Melancholie geprägt ist.

Einmal wird eine Tänzerin am Seil festgehalten, versucht mit aller Kraft, sich loszureißen – aber solche düsteren Momente sind selten. Vieles dreht sich um die Beziehung von Frau und Mann, und in einer der schönsten Szenen defilieren die Damen an Fernando Suels Mendoza (großartig zwischen Macho und Gentleman), der übertrieben Komplimente verteilt. Annäherung und Abwehr, Kuss oder Ohrfeige – zwischen diesen Polen bewegt sich alles. Es tanzt weitgehend die Besetzung der Uraufführung, sogar Dominique Mercy, Bausch-Tänzer der ersten Stunde und längst im Ruhestand, hat ein paar kurze Auftritte.

Aus der ganz jungen Garde imponiert vor allem Emma Barrowman, die mit einem selbstbewussten Auftritt andeutet, dass sie als verführerische Blondine die Partien von Julie Shanahan übernehmen könnte.

Noch ist das aber nicht so weit, denn auf diese Premiere folgte noch ein kleines Theaterwunder: Mitglieder des Ensembles und Gäste haben eine „Nacht für Pina“ geschaffen, ein etwa einstündiges Programm mit Versatzstücken aus älteren Stücken und Szenen, die so in älteren Stücken hätten stehen können. Und da ist es eben die großartige, hinreißende Julie Shanahan (die in „ …como el musguito …“ nicht getanzt hatte), die in gewohnter Manier klar macht, wer das Sagen hat, nämlich sie.

Nazareth Panadero mit ihrer unvergleichlichen Komik ist ihr Gegenpol, Jo Ann Endicott („Ich weiß nicht, warum ich immer noch hier bin“) ist auch da – Lutz Förster und Mechthild Großmann leider nicht.

Ungemein intensiv wird im Mobiliar, das dem „Café Müller“ oder „Bandoneon“ entstammen könnte, die Stimmung der 1980er Jahre heraufbeschworen, Szenen angedeutet, dazwischen immer wieder Textfragmente von Pina Bausch aus Gesprächen und Interviews vorgelesen, und wenn das Publikum am Ende auf die Bühne gebeten wird, dann gehören für einen wundersamen Moment alle zur großen Pina-Bausch-Familie.

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