Wuppertaler Bühnen: Theater-Abend für Helene Stöcker Zauberhaft, präzise und ausdrucksvoll

„Ich glaube an das ewige Werden, an das Fließende der Entwicklung“ – wie ein Motto wirkte dieser Satz von Helene Stöcker in der umjubelten Uraufführung des ihr gewidmeten Soloabends „Zwischen den Stühlen“ im Theater am Engelsgarten.

 Beate Rüter, Regisseurin des Stückes „Zwischen den Stühlen“.

Beate Rüter, Regisseurin des Stückes „Zwischen den Stühlen“.

Foto: Anja Dassler

Die Worte der Philosophin der Liebe und ersten promovierten Deutschen Dr. Helene Stöcker entfalten in diesem Stück auf vielen Ebenen ihre Wirkung.

Auf der Bühne kraftvoll und sensibel gespielt und gesprochen von Beate Rüter, als Tonaufnahmen aus dem Off, und verwandelt im Fluss eines dynamischen Bühnenbildes: Während des ganzen Abends sieht man die permanente Bewegung der Heckwellen eines Schiffes auf dem Meer.

Das präzise wie zauberhafte Bild verbindet sich mit einer eindrucksvollen Auswahl von Stöcker-Texten – und mit großer Theaterkunst. Damit trägt Beate Rüter ihr Publikum durch den anspruchsvollen Abend. Nichts darin macht es uns leicht.

Nicht zuletzt die Tatsache, dass die Erinnerung an Helene Stöcker so lange so verdrängt wurde. Auch sie, die bis 1933 deutschlandweit wie international berühmte Kriegsgegnerin, Sozial- und Sexualreformerin, musste vor der braunen Pest aus Deutschland fliehen und starb – verfemt, ausgebürgert, beraubt und vergessen – im Exil in New York.

Wie macht man das zu gutem Theater? Letztlich mit der Kraft der Sprache. Die Schauspielerin und Regisseurin Beater Rüter wagt es, sich darauf zu verlassen. Weil sie es kann. Und auch, weil die Sprache Helene Stöckers oft eine Ur-Energie und eine Klarheit hat, wie wir sie von Dichterinnen kennen. Wer es vorzieht, in Bildern zu baden, wer lieber zuguckt als mitdenkt, dem verlangt dieses Stück viel ab. Statt Sensationen für die Sinne erlebt man Ideen – und wie sie die Welt verändern können. Man erfährt, wie gut – und wie schwer – es ist, authentisch zu sein. Das gilt nicht nur für Frauen – auch das macht der Abend klar.

An Helene Stöcker, nicht zuletzt an ihrem privaten Beziehungsleben, wird die Herausforderung der Liebe sichtbar, wenn beide Partner eigenständige Persönlichkeiten sind. Helene Stöcker schrieb darüber unter dem Titel „Liebe“ auch einen Bestseller-Roman.

Ihre frühen, hellsichtigen Ideen einer Gesellschaft ohne Patriarchat und ohne Krieg machten sie zu einer Zeitgenossin der Zukunft: „Die moderne Frau ist etwas, das noch nicht in dieses Jahrhundert hineingehört, für die es noch keinen Namen und keinen Mann gibt...“

Wie unerbittlich das auch Helene Stöcker und ihr langjähriger Lebensgefährte Bruno Springer persönlich erfahren mussten, deutet das Stück an. Beate Rüter zitiert an dieser Stelle Else Lasker-Schüler. In ihren Worten lautet das Problem: „Wie ein Meer ist mein Herz. Aber Dein Herz lässt keine Meere mehr ein“.

Beide – die Dichterin der „Wupper“ und „Fräulein Doktor“ Helene Stöcker – stammen aus Wuppertal-Elberfeld. Und beide werden 2019 zu ihrem 150. Geburtstag besonders gewürdigt. Der Soloabend „Zwischen den Stühlen“ ist eine punktgenaue und würdige Entdeckung der Philosophin und Friedensaktivistin für das Theater.

Die Uraufführung fand soeben im ausverkauften Theater am Engelsgarten statt. Der Soloabend von und mit Beate Rüter entstand unter Mitarbeit von Petra Koßmann. Für beide gab es langanhaltende stehende Ovationen.

(Rundschau Verlagsgesellschaft)
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