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Zuletzt gelesen: Die Rundschau-Buchkritiken: Die Liebe lauert immer und überall

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Jörg Aufenanger lässt in "Ein Sommer in Caputh" (Klak-Verlag, 12,90 Euro) fast alle Hüllen fallen.

Von der jüngeren Vergangenheit handelten die beiden letzten Bücher von Jörg Aufenanger. Jetzt geht's ganz ums Heute. Aufenanger, in Wuppertal geboren und auch noch lange hier in der Kunst- und Kulturszene aktiv, ist Theatermann, Französisch-Übersetzer und (zurecht) hoch gelobter Grabbe-Kleist-Wagner & Co.-Biograph, lebt längst in Berlin: Nun lässt er seinen "Helden", den kunstsinnigen und verschrobenen Rentner Anton Henze, in der idyllischen Havelsee-Sommerfrische des Örtchens Caputh bei Berlin noch einmal richtig lebendig werden. Auch wenn's gar nicht so geplant war. Denn — apropos Vergangenheit — Liebe und Sex, da war doch was...

130 Seiten lang führt Aufenanger in dieser kleinen, leichtfüßigen, immer wieder zum Schmunzeln und zum wohlwollenden Kopfschütteln anregenden Erzählung den alten Westberliner Henze, der mit den Frauen abgeschlossen zu haben glaubt, auf ein Terrain, auf dem, man(n) glaubt es kaum, noch manches geht. Mehr oder weniger... Henzes Sommer- und Sommerhaus-Ritual mit uhrwerkverlässlichem Flanieren auf der See-Promenade, Wein- und Speisengenuss in den stets gleichen Lieblingsrestaurants plus Ab-und-zu-Flirts mit der Lieblingskellnerin, die seine Enkelin sein könnte, erfährt eine erdbebenartige Unterbrechung, als die 50-jährige Grundschullehrerin Irmtraud in sein Leben tritt. Sie schnappt sich Henze, der lässt sich nicht ungern schnappen — und mit der Ruhe einer angenehmen Langeweile ist's gründlich vorbei.

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Anton Henzes Welt kommt mächtig in Bewegung: Das will er zwar eigentlich gar nicht, aber dann wieder doch. Es wird fleißig geküsst, nackt sonnengebadet, "Wessi"- und "Ossi"-Ressentiments werden gewälzt, man feiert gar eine sommerhitzige abendliche Dessous-Party im Sommerhausgarten, die körperliche Liebe klappt zwar nicht, das macht aber nichts — los ist hier trotzdem jede Menge. Jörg Aufenanger, der ganz offensichtlich von den bunten Seltsamkeiten zwischen Mann und Frau viel versteht, führt seine Leser auf sehr menschlicher Augenhöhe durch einen wahrlich heißen Sommer — und macht es wie ein Großer, wenn er am Ende der Jahreszeit mit kunstvoll geschilderter Schwermut Richtung Herbst und Winter blickt.

Was soll man sagen? Die Liebe (auch wenn sie nicht rund läuft) lauert immer und überall. Und das ist gut so — auch mit Falten an Bauch und/oder Busen. Menschen sind das wirklich Schöne am Leben, feine Weine oder leckere Nudelgerichte halt nur die halbe Miete. Bis auf den Ort Caputh, so schreibt Aufenanger am Ende des Textes, seien Personen, Institutionen und Handlung frei erfunden. Kann man das glauben? Kann man sich all das, was hier so minutiös und liebevoll-schräg realistisch geschildert ist, wirklich "nur" ausdenken? Schwer vorstellbar...

"Ein Sommer in Caputh" erzählt ganz unverkrampft von Liebe, Erotik und Sex im Alter, lässt zwar offensiv fast alle Hüllen fallen, wird dabei aber nie indiskret. Aufenanger beschreibt gekonnt das Aufeinandertreffen zweier ganz und gar unterschiedlicher Menschen, gibt auch seinem Drumherum-Personal sehr fühlbare Konturen, hat immer wieder Zeit für den literarisch-emotional bedeutsamen Blick auf eine wunderschöne Havel-Biegung — und zum Schluss mit einer überraschenden Wendung außerdem noch einen hübschen Liebespfeil im Köcher. Ein feines, kleines Buch. Macht Appetit auf einen schönen Sommer.