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Wuppertal · Für Junge und Junggebliebene: "Lady Happy und der Zauberer von Ukerewe " von Hermann Schulz und "Protektor — Monsterjäger mit Sockenschuss" von André Wiesler.

 André Wiesler: "Protektor - Monsterjäger mit Sockenschuss, Verlag Torsten Low - kostet 14,99 Euro.

André Wiesler: "Protektor - Monsterjäger mit Sockenschuss, Verlag Torsten Low - kostet 14,99 Euro.

Foto: Verlag Torsten Low

Nach Tansania, wo er selbst geboren wurde, ist Hermann Schulz jetzt für ein Jugendbuch einmal mehr zurückgekehrt. Auf der Insel Ukerewe im Tanganjika-See geht es um drei 13-Jährige und eine Kette von überraschenden Vorfällen, die das Fenster bis in die Zeit öffnen, als in Ostafrika die Deutschen als Kolonialmacht vor Ort waren. Samuel, seine Cousine Happy und Papis, ein neuer Schüler aus dem weit entfernten Senegal — sie sind es, von denen Schulz' Buch vor allem erzählt. Papis' Vater ist der neue (nicht korrupte!) Polizeichef von Ukerewe: Sein für die Kinder undurchschaubares Verhalten reizt sie dazu, kleine Privatdetektive zu werden — und sich damit einigen Ärger sowie einige erstaunliche Endeckungen einzuhandeln.

 Hermann Schulz: "Lady Happy und der Zauberer von Ukerewe", Aladin-Verlag - kostet 12,95 Euro.

Hermann Schulz: "Lady Happy und der Zauberer von Ukerewe", Aladin-Verlag - kostet 12,95 Euro.

Foto: Aladin-Verlag

Hermann Schulz, der sich in der Region, von der er schreibt, gut auskennt, übernimmt die Welt- und Alltagssicht der jungen Leute, vor allem die Samuels, der fast durchgängig als Ich-Erzähler agiert, um ganz unspektakulär und völlig ohne "Dritte-Welt-Erklärungsbedürfnis" in die Wirklichkeit der tansanischen Provinz einzusteigen. Alltagsprobleme, Schule, Familie, Essen, ein irrtümlich verhafteter Vater, das Nebeneinander von Christen und Moslems, und die Sehnsucht der Kids, einmal ein richtig großes Musikkonzert in den Hotspots Sansibar oder Dar-es-Salam live zu erleben: Darum geht's und dabei lernt der Leser ganz nebenbei jede Menge über "Africa live today". Schulz' Sprache ist jugendlich, ohne dabei angestrengt zu werden: Samuels selbstironischer Plauderton kommt immer "echt" rüber. Und bei der Vorstellung, wie hiesige Gesundheitsmoralapostel die Hände überm Kopf zusammenschlagen werden, weil in "Lady Happy" selbst die 13-Jährigen ganz selbstverständlich rauchen, muss man grinsen...

Dass Samuel, Happy und Papis Schritt für Schritt ein noch aus der deutschen Kaiserzeit stammendes Geheimnis um alte Geldmünzen, eine historische Soldatenuniform und das Schicksal der letzten Königstochter von Sengerema aufdecken, macht das etwa 200-Seiten-Buch mit sehr schönen Illustrationen von Barbara Yelin zu einem Stück leichtfüßigem Geschichtsunterricht — ganz ohne staubigen Oberlehrer-Ton. Übrigens: Ein wichtiger Teil der Erzählung hat einen historischen Kern aus der Deutsch-Ostafrika-Kolonialzeit, auf deren Spuren Hermann Schulz noch im Herbst 2014 auf der Insel Ukerewe unterwegs war.

Was das Buch aber auch erzählt: Wie man als Freunde, trotz vieler Unterschiede, gut zusammenhält, um Probleme zu lösen und gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Dass es sich nicht lohnt zu lügen, weil früher oder später alles auffliegt. Dass spannende Dinge auch da passieren können, wo eigentlich nie irgendetwas los ist. Dass vieles ganz anders ist, als es zuerst aussieht — und dass die Schicksale von Menschen oft über viele Jahrzehnte hinweg zusammenhängen.

"Lady Happy und der Zauberer von Ukerewe" ist ein ganz klassisch-typisches Hermann-Schulz-Jugendbuch. Leicht und unkompliziert erzählt, einfühlsam und in ganz unaufdringlicher Art lehrreich. Allerdings bleibt es ein gutes Stück hinter anderen seiner Texte zurück: Die Story hier ist letztlich zu blass, zu wenig ergiebig — und hört doch sehr plötzlich auf, so dass einige Erzählfäden im Leeren liegenbleiben.

Aladin-Verlag, 12,95 Euro.

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Dass er irgendetwas liegen lässt — und schon gar keinen (Wort-)Witz, Gag oder Kalauer — das kann man André Wiesler und seinem Roman "Protektor — Monsterjäger mit Sockenschuss" nun wirklich nicht vorwerfen. Im Gegenteil. Klaus Holger (die Verwechslung von Vor- und Nachname hat Running-Gag-Charakter), ein (selbst verschuldet) arbeitsloser, übergewichtiger, verschrobener Computer-Nerd auf Hartz IV wandelt sich (eigentlich ungewollt) vom Totalversager zum Weltretter. Für ihn selbst völlig überraschend verführt von der atemberaubenden Schönheit Veronique gehen deren mystische Protektor-Kräfte auf ihn über — und Klaus Holger muss von nun an gegen Dämonen kämpfen, die die Oberherrschaft über die Welt der Menschen an sich reißen wollen.

André Wiesler, der das Ganze mit "Ein lustiger Mysteryroman" untertitelt hat, zieht auf 244 Seite sämtliche Zwerchfell- und Absurditätsregister. Das Spektrum der Lesereaktion reicht dabei von schallendem Gelächter über fassungsloses Kopfschütteln bis hin zu schmerzhaftem Wimmern. Was Wiesler seinem "Helden" zumutet, spottet jeder Beschreibung: Eine Kuh wird zu seinem ihn beschützenden Seelen-Verwandtschaftstier, seine attraktive Tante entpuppt sich als Dämon, die (mit Billigung der Mutter) zusammen mit seinem Vater schwarze Sex-Messen besucht, ein Teufels-Zahnarzt beschwört das Böse aus dem Weltraum — und der Showdown um die Herrschaft über die Erde spielt sich — im nächtlichen Kampf mit Neo-Nazi-Dämonen — im Bälle-Bad eines kommerziellen Wuppertaler Kinderspiel-Paradieses ab. Und das sind nur ein paar der Ereignis-Ausschnitte des Feuerwerkes, das André Wiesler fast durchgängig abbrennt. In jedes Kapitel streut Wiesler außerdem schräge Rückblicke auf das schulisch, sexuell, familiär und überhaupt immer erfolglose Leben von Klaus Holger.

"Protektor" spielt mit den unterschiedlichsten Motiven aus Film und Pop-Kultur, aus Street-Sprache und Game-Welt — und nimmt nie und nirgendwo auch nur den Hauch eines Blattes vor den Mund. H.P. Lovecraft schimmert ebenso durch den Text wie "Resturlaub" und/oder "Vollidiot" von Tommy Jaud sowie die "Men in Black"-Filmtrilogie. Das Ganze knickt zwar kurz vor dem finalen Kampf im Bälle-Bad in Sachen Tempo und Dichte etwas ein, bleibt aber bis dahin sowieso und auch darüber hinaus immer ein irrer Höllenritt der sehr anderen Art.

Wiesler schreibt in seiner Vorbemerkung, die Suche nach einem Verlag sei fast aussichtlos gewesen: Man habe ihm überall gesagt, witzige Mystery verkaufe sich nicht. Warum nicht? Der Schwachsinn von Tommy Jaud läuft doch auch wie geschnitten Brot…

Fazit: "Protektor — Monsterjäger mit Sockenschuss" ist genau das, was der Titel verspricht. Außerdem immer wieder erfrischend nicht-jugendfrei und großartig zum Vorlesen geeignet. Völlig durch- und abgedreht!

Verlag Torsten Low, 14,99 Euro.

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