Kommentar zur Situation der Wuppertaler Wälder Erst denken, dann schreien

Wuppertal · Wann waren Sie zuletzt im Wald spazieren? Haben nach einem kräftigen Regenguss die würzige Luft gerochen und bei strahlendem Sonnenschein dem Zwitschern der Vögel und dem Rauschen der Blätter gelauscht?

 Volontärin Hannah Florian geht fast täglich im Wald spazieren und weiß, dass kranke Bäume für Laien auf den ersten Blick nicht immer zu erkennen sind.

Volontärin Hannah Florian geht fast täglich im Wald spazieren und weiß, dass kranke Bäume für Laien auf den ersten Blick nicht immer zu erkennen sind.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Max Höllwarth

Der Wald ist ein magischer und heilsamer Ort. Aber genau wie wir Menschen kann er krank werden, leidet unter Wetterschwankungen und unter ungewohnten Temperaturen. Ist der Sommer zu heiß und trocken, schwächt das den Wald und lässt Bäume anfällig werden für Schädlinge.

Grundsätzlich ist der Wald in der Lage, sich selbst zu wehren. Bäume produzieren Harz und ersticken Schädlinge wie den lästigen Borkenkäfer. Doch das Klima in Deutschland verändert sich, und mit dem Klima die Wälder. Der Wupperverband zählte im April den 13. Monat in Folge, der im Durchschnitt zu warm war. Die Wälder schaffen es alleine nicht. Sie können sich nicht wehren und sind auf die Pflege der Menschen angewiesen. Nicht aus reiner Boshaftigkeit, sondern um gesunde Arten zu schützen und Platz zu machen für robuste Pflanzen, muss die Stadt daher ab und zu kranke Bäume fällen.

Es sieht erschreckend aus, wenn ein ganzes Feld augenscheinlich gesunden Waldes plötzlich verschwindet und abgeschnittene Baumstümpfe wie eine offene Wunde im sonst dichten Wald klaffen. Das weiß auch Sebastian Rabe, der Leiter des Forstamts der Stadt Wuppertal. Aber er wirbt um Verständnis. Denn die Wunde ist eine Chance für das Ökosystem Wald, wieder ins richtige Gleichgewicht zu geraten. Seit 20 Jahren arbeitet die Stadt daran, ihre Wälder an klimatische Veränderungen anzupassen. Damals war der Klimawandel noch kein ganz so großes Thema. „Fridays for Future“-Demos und Greta Thurnberg gab es noch nicht.

Doch trotz der 20-jährigen Vorbereitung werden Arten wie die Esche und die Fichte in Zukunft aus Wuppertals Wäldern verschwinden. Damit keine Lücken entstehen, muss die Stadt fällen und pflanzen – und zwar Baumarten, die mit dem veränderten Klima besser umgehen können als unser bisheriger Bestand.

Wenn uns unser Klima so wichtig ist, dass wir an Freitagen auf die Straße gehen und für eine bessere Klimapolitik demonstrieren, sollten wir es auch schaffen, nachzudenken, anstatt aus dem ersten Impuls heraus zu schreien, wenn irgendwo Bäume im Stadtgebiet von Menschenhand fallen.

Wie das Klima wird auch der Wald sich verändern – „das ist alternativlos“, wie Sebastian Rabe sagt. Hoffen wir nur, das wir auch noch in 20 Jahren in der Zukunft die würzige Luft das Waldes atmen und lange Spaziergänge unter meterhohen Bäumen unternehmen können

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