1. Corona Virus

Vereins zur Förderung der Gehörlosen in Wuppertal

Wuppertaler Verein : Ohne Gehör durch die Pandemie

Corona trifft uns alle hart. Kontaktbeschränkung, Maskenpflicht, Impf-Wirrwarr, geschlossene Läden und Einrichtungen – nervig und kompliziert. Und nun stellen Sie sich mal vor, dass Sie die Tücken der Pandemie mit einer Behinderung meistern müssten. Zum Beispiel mit einer Hörbehinderung. Wie schwierig das ist, erklären die Mitglieder des Vereins zur Förderung der Gehörlosen in Wuppertal.

In den Räumen der sonst so gut besuchten Beratungsstelle des Vereins zur Förderung der Gehörlosen am Hofkamp 138, die vielen gehörlosen und hörgeschädigten Menschen auch als Kommunikationstreffpunkt dient, ist seit über einem Jahr nichts mehr los. „Alle unsere regelmäßigen Veranstaltungen fielen beziehungsweise fallen der Corona-Pandemie geschuldet weiter aus“, bedauert Geschäftsführer Klaus E. Altenfeld.

Ausfallen müssen seit dem ersten Lockdown im vergangenen Jahr unter anderem der Seniorentreff, die Skat- & Rommé-Veranstaltungen, verschiedenste Vorträge, die Studienreise und die Arbeit mit gehörlosen und hörgeschädigten Kindern. „Dieser Ausfall ist wirklich schlimm für die 400 Menschen, die wir betreuen. Für Hörgeschädigte war die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben schon immer schwierig. In Zeiten von Corona sind aber viele weitere Hürden dazugekommen“, weiß Altenfeld. Besonders für die Gruppe der Gehörlosen ab 60 Jahren sei dies ein großes Problem. Regelmäßig kamen Seniorinnen und Senioren jeden Donnerstag zum gemeinsamen Kaffeetrinken. Neues zu erfahren, Beratung einzuholen, Menschen aus der Community zu treffen, das sei für diese Altersgruppe nun nahezu unmöglich. „Viele dieser alten Menschen haben keinen Computer und können unsere Online-Angebote nicht nutzen. So isolieren die Betroffenen immer mehr“, sagt Altenfeld.

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  • Symbolbild.
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Ein besonderes Problem sei auch die Maskenpflicht, erklärt er. Vereins-Mitarbeiter Jerzy Kandora kennt das nur zu gut: Er ist von Geburt an gehörlos, und damit er Menschen, die die Gebärdensprache nicht beherrschen, verstehen kann, muss er den Mund seines Gegenübers sehen. Das sorgte zuletzt an der Fleischtheke eines Supermarkts für Ärger, weil Kandora dort kurz die Maske abzog, um sein Problem zu verdeutlichen. Auch ein auf seinem Handy eingetippter und hingehaltener Satz mit seinem Kaufwunsch sei ignoriert worden.

„Mit einer Maske vor dem Mund ist der Einkauf an einer Theke unmöglich. Gehörlose lesen das Gesprochene vom Mundbild ihres Gegenübers ab. Aufgrund ihrer Taubheit können sie auch nicht ihre Sprache steuern. Es kann sein, dass sie zu laut, zu leise oder sehr verwaschen und sich so schlecht verständlich äußern“, so Klaus E. Altenfeld. Und er fügt hinzu: „Das Problem ist, dass man den betroffenen Menschen ihre Behinderung nicht ansieht und ihr Verhalten sonstwie abstempelt.“

Es geht dem Verein nicht darum, die Maskenpflicht anzuprangern oder das Tragen von Masken mit Sichtfenstern zu fordern, die übrigens keine Lösung sind. „Es gibt Gründe, warum Menschen plötzlich anfangen, mit Hand und Fuß, per Zettel oder Getipptem im Handy zu kommunizieren. Es wäre schön, wenn die Leute einfach etwas empathischer wären und ihr Gegenüber nicht einfach direkt abstempeln“, wünscht sich Melanie Bräcker, selbst hörgeschädigt und unter anderem als Job-Coach und Leiterin für die Freizeitgestaltung von hörbehinderten Kindern im Verein tätig.

Auch wenn in den Räumen des Vereins derzeit keine Präsenzverantaltungen oder -beratungen stattfinden können, gibt es viel zu tun. Gebärden-Dolmetscherin Kim Schiffgen (und natürlich auch die anderen Mitarbeiter) sind im Homeoffice tätig. Als Dolmetscherin unterstützt sie aber insbesondere auch bei Arztbesuchen oder Behördengängen, da Praxispersonal und Mitarbeiter eben Masken tragen – und das zu den oben geschilderten Problemen führt.

Dies sind nur einige der Corona-Hürden, mit denen Hörbehinderte zu kämpfen haben. Klaus E. Altenfeld: „Leider werden Gehörlose oft vergessen. Das sieht man schon alleine daran, dass bei wichtigen Corona-Pressekonferenzen, die im Fernsehen ausgestrahlt werden, zwar ein Gebärdendolmetscher dabei ist, der aber meist ausgeblendet wird. Dann wird darauf hingewiesen, dass man sich die Konferenz mit diesem Service auf einer Internetseite angucken könnte. Wir finden schon, dass dies bei so wichtigen Themen wie Corona nicht sein muss. Warum muss es so umständlich sein? Wie bereits erwähnt, können ältere Betroffene nicht mit den modernen Medien umgehen oder haben erst gar keinen Zugang dazu. Oft gibt es aber auch gar keinen Dolmetscher. Und Informationen einfach im Internet nachlesen, ist nicht so einfach für Gehörlose, denn Lesen ist für viele von ihnen, sobald es lange und komplexe Texte sind, nicht machbar.“

Schwierig war es auch mit den Impfterminen: Der Verein war darum bemüht, einen Sammeltermin für seine Betreuten in den eigenen Räumen zu organisieren. Dies wurde nicht genehmigt. „Wir haben nun Impftermine bekommen, aber auch hier wird es wieder das Kommunikationsproblem durch die Maskenpflicht geben“, so Vereinsgeschäftsführer Altenfeld.

Auf der Webseite des Vereins www.gl-foerderverein-wuppertal.de finden Betroffene und alle außerdem am Thema Interessierten Videos von Melanie Bräcker, die in Gebärdensprache zum Thema Corona informiert.