Ein Tag bei der Feuerwehr „Wir wissen nie, was uns erwartet, wenn wir zur Arbeit kommen“

Wuppertal · Ob Tag oder Nacht, die Berufsfeuerwehr in Wuppertal ist immer einsatzbereit. 365 Tage im Jahr. Ohne Ausnahme. Die Aufgaben der Einsatzkräfte lassen sich grob in vier Grundtätigkeiten aufteilen: „Retten – Löschen – Bergen – Schützen“. Aber was passiert auf einer Feuerwache, wenn es gerade mal nicht brennt? Redakteurin Milka Vidović und Fotograf Christoph Petersen haben die Feuer- und Rettungswache 2 in der Waldeckstraße besucht und durften einen ganzen Tag lang der Feuerwehr bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen.

Auf der Wache in Heckinghausen sind rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.

Foto: Christoph Petersen

7:15 Uhr morgens an der Waldeckstraße 14. Wir betreten gerade die Feuer- und Rettungswache, als ein lauter Alarm die Stille in Heckinghausen durchbricht. Ein großes Tor öffnet sich. Ein Löschzug mit Martinshorn und Blaulicht verlässt eilig die Halle und rast zur Clausewitzstraße. Dort soll ein Auto in Brand geraten sein. Was genau passiert ist, werden wir später erfahren.

Nahezu zeitgleich werden wir von Wachabteilungsführer Marcel Betz begrüßt: „Guten Morgen! Eigentlich wollten wir euch anders empfangen. Aber so ist das eben bei uns: Man weiß nie genau, was einen erwartet.“ Das werden wir im Laufe unseres Tags bei der Feuerwehr noch erleben.

Marcel Betz nimmt uns mit ins Leitungsbüro. Dort sitzt schon sein Kollege Andreas Repp. Der Brandoberinspektor ist heute der Meister vom Dienst. Er und Marcel Betz sorgen von 6:45 bis 7:30 Uhr für einen nahtlosen Übergang der Schichten. Die nächste (es sind immer 24-Stunden-Schichten) löst die vorherige normalerweise um 7:30 Uhr ab und dann findet ein sogenanntes Antreten der ablösenden Schicht statt.

„Unsere Leute kommen freiwillig immer schon eher, ca. um 7 Uhr. Somit hat die neue Schicht, die alte, die gerade ihre 24 Stunden fast umhatte und zum Einsatz an der Clausewitzstraße gemusst hätte, entlastet“, erklärt Betz. Die 45 Minuten vor dem Wachwechsel empfinden wir als sehr arbeitsintensiv. Es wird viel geplant. Denn eine Feuerwache muss immer voll besetzt sein.

„Wir schauen, wie die Personalstärke bei uns und den Kollegen auf den anderen Wachen ist. Wenn an einer Stelle jemand fehlt, zum Beispiel wegen Krankheit, muss nach Ersatz gesucht werden. Einfach jemanden einsetzen können wir nicht. Wenn ein Truppenführer irgendwo fehlt, müssen wir auch Personal mit eben dieser Qualifikation finden“, sagt Andreas Repp.

Es geht zum Antreten. Um kurz nach halb acht versammeln sich alle in der großen Fahrzeughalle. Nicht ganz. Wir sehen nur Rettungsdienstler und erinnern uns, dass die Brandbekämpfer bei einem Einsatz sind. Das Antreten findet daher zunächst in einer kleinen Runde statt. „Durch die Berufsfeuerwehr werden auch Rettungswagen besetzt“, sagt Marcel Betz. Er und Repp rufen die Namen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf und weisen sie in Zweierteams jeweils einem Wagen zu.

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Weiter geht es direkt mit dem Check der Rettungsfahrzeuge. Notfallsanitäterin Pia und Rettungssanitäter Oli zeigen und erklären uns, worauf sie achten müssen: „Wir fangen an mit den Lichtern: Funktionieren alle Scheinwerfer, Blinker, das Blaulicht? Wir überprüfen alle medizinischen und elektronischen Geräte im Wagen, den Notfallkoffer, ob wir genug Sauerstoff und Medikamente da haben und schauen natürlich auf deren Haltbarkeit. Danach reinigen wir den Wagen von innen und desinfizieren alle Oberflächen. Das muss jeden Tag gemacht werden. Auch nach jeder Rettung.“

Gegen 8 Uhr konferieren Marcel Betz und Andreas Repp telefonisch mit den anderen beiden Wachen der Berufsfeuerwehr (Wache 1 an der August-Bebel-Straße und Wache 3 im Bayer-Werk). Der bevorstehende Dienst, die Besetzung der Fahrzeuge, die Lage der Baustellen in der Stadt und sogar das Wetter werden besprochen. „Wir müssen alles mit einplanen: Eventuelle Baustellen, die uns Zugänge versperren oder auch Wetterlagen, die uns Einsätze erschweren, oder zu Einsätzen werden könnten“, weiß Betz aus Erfahrung.

In der Zwischenzeit kommen die Brandbekämpfer von ihrem Einsatz zurück. Entwarnung: Kein großes Feuer, sondern nur eine Rauchentwicklung. Jetzt, um 8:15 Uhr, wird erneut angetreten, dieses Mal mit allen. Zehn Brandschützer, zehn Rettungsdienstler und zwei Notärzte sind heute im Einsatz. Ausruhen kann sich die gerade erst vom Einsatz zurückgekehrte Schicht nicht. Auch die vier Feuerwehrfahrzeuge müssen täglich inspiziert werden. Reifen, Lichter und Lampen, Funktion aller Geräte wie Schläuche, Kettensäge, der „Schere-Spreizer“ (zur Bergung von festgeklemmten Opfern) und vieles mehr muss gecheckt werden.

Nicht nur das: Einen 24-Stundendienst bei der Feuerwehr könnte man zur Veranschaulichung mit einem Tag in einer großen WG vergleichen, denn wenn die feuerwehrtechnischen Beamtinnen und Beamten nicht bei einem akuten Einsatz vor Ort sind, haben sie Arbeitsdienst auf der Wache. Es gibt Teams für die Küche, eins für den Einkauf der Lebensmittel, für die Reinigung der Brandschutzkleidung oder die Überprüfung und Säuberung der Atemschutzmasken sowie bereits erwähnt für die Kontrolle aller Fahrzeuge und des Inventars.

10.25 Uhr: Frühstückspause. Das diensthabende Küchenteam hat alles vorbereitet. Es gibt Brötchen, Eier, Wurst, Gurken, Tomaten, Haferflocken und vieles mehr. Rund 20 Minuten später geht es wieder weiter mit dem Arbeitsdienst. Fahrzeuge werden in der eigenen Waschhalle von außen gereinigt, Notfallsäcke gecheckt, Atemmasken sowie Schutzanzüge akribisch auf ihre Dichtheit überprüft.

12 Uhr, jetzt beginnt die Bereitschaftszeit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bis 15 Uhr sind die Feuerwehrleute dazu angehalten, sich auszuruhen. Ob Mittagsschläfchen, ein Buch lesen oder TV schauen in einem bequemen Sessel -– das können sie selbst entscheiden. „Sich ausruhen ist Pflichtprogramm, denn die Frauen und Männer müssen auch noch heute in den Nachtstunden fit sein, falls es zu einem Einsatz kommt“, sagt Betz.

Kaum hat er diesen Satz ausgesprochen, läutet einige Minuten nach zwölf Uhr der Alarm durch die gesamte Wache. Alle springen auf, wir auch, rennen die Treppe in die Wagenhalle hinunter. Da jeder der Feuerwehrmänner und -frauen und auch wir einen fest zugewiesenen Platz in einem Wagen haben, geht alles sehr schnell. Stiefel, Hose und Jacke, also die feuerfeste Schutzbekleidung, liegen vor den Fahrzeugen bereit. In Sekunden sind die Einsatzkräfte angezogen und los geht die rasante Blaulichtfahrt nach Ronsdorf.

In wenigen Minuten erreichen wir den Einsatzort, ein Pulk von Menschen steht bereits vor dem evakuierten Bürogebäude. Mit ihrer jeweils 16 Kilo schweren Ausrüstung betreten die Feuerwehrleute das Haus. Schnell gibt es Entwarnung. Nur ein kleiner Löscheinsatz, kein großer Brand. Nach rund einer Stunde geht es zurück zur Wache. Den Rest ihrer Bereitschaftszeit können die Kräfte mit Ausruhen verbringen, an diesem Tag wird kein weiterer Einsatz mehr stattfinden. Für die Rettungsdienstler dagegen schon.

Zwischen 15 Uhr und 16:30 Uhr müssen alle Arbeiten, die im Arbeitsdienst anstanden, erledigt sein. Regelmäßig steht für die Brandbekämpfer das Üben auf dem Dienstplan, und damit geht es jetzt weiter. Das Szenario: ein Zimmerbrand mit einer bewusstlosen Person. Zu unserer Überraschung werden wir in die Übung einbezogen. Während Redakteurin Milka Vidović in dem „brennenden Zimmer“ (ein Ruhe-Raum in der Wache in der obersten Etage) zum Feuer-Opfer wird, fotografiert Christoph Petersen den „Einsatz“. Auch wenn es nur eine Übung ist, spulen die Heckinghauser Feuerwehrleute das komplette Programm ab.

Es geht los. Die vermeintliche Brandwohnung wird mit einer Nebelmaschine komplett verraucht. Man sieht in dem Rauch absolut gar nichts, kann sich nicht orientieren und irgendwie ist der Gehörsinn (gefühlt) auch gestört. Die Fenster und die Tür sind verschlossen, Sirenen sind zu hören. Ein Gefühl der Erleichterung setzt ein. Ein dunkler Schatten. Die Rettung. Ein Feuerwehrmann. Er packt zu. Dann geht alles ganz schnell. Die Retter führen raus, es geht über Geräte, Schläuche, durchs Treppenhaus die Stufen hinunter. Der Rettungsdienst wartet. Auf einer mobilen Liege geht es mit Rettungsdecke sofort in den Krankenwagen. Diagnose: Inhalationstrauma. Behandlung. Ende der Übung.

Wir haben das Gefühl, dass der Einsatz rund eine Stunde gedauert hat. Wachabteilungsführer Marcel Betz schmunzelt: „Den geretteten Menschen kommt das immer viel länger vor. Es ist für sie eine Ausnahmesituation. Für die Menschenrettung haben wir keine zehn Minuten gebraucht, der komplette Übungseinsatz, vom Alarm bis zum Transport in den Rettungswagen, betrug knapp unter 18 Minuten.“ Da hat uns der künstliche Rauch wohl gehörig das Zeitgefühl vernebelt.

Marcel Betz ist mit der Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zufrieden. Alle bilden einen Kreis auf dem Hof und besprechen die Übung. „Der Aufwand muss sein. Wir wissen nie, was uns erwartet, wenn wir zur Arbeit kommen. Vielleicht sind wir den ganzen Tag auf der Straße, vielleicht passiert auch nichts, und wir leisten unseren Arbeitsdienst auf der Wache. Aber wenn der Alarm geht, muss alles reibungslos funktionieren“, sagt Andreas Repp.

Betz fügt hinzu: „Wir lieben unseren Job und sind rund um die Uhr einsatzbereit. Aber wenn wir nicht raus müssen, freut uns das, denn das bedeutet, dass es den Wuppertaler Bürgerinnen und Bürgern gut geht. Wenn wir kommen, geht es in der Regel nicht um etwas Schönes. Ich möchte unbedingt noch betonen, dass die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren in der gesamten Stadt eine enorme und unverzichtbare Unterstützung für uns sind.

Nach der Übung heißt es Ausrüstung wieder in Ordnung bringen und Fahrzeuge in die Halle fahren. Bevor es zum gemeinsamen Dienstsport geht. Es ist 18 Uhr, wir verlassen die Wache an der Waldeckstraße. Den Einsatzkräften stehen noch rund 12 weitere Stunden bevor.