Corona: Was wird mit den Martinszügen? „Mutlosigkeit des Landes“

Wuppertal · 170 Martinszüge gab es im vergangenen Jahr in Wuppertal. Was wird nun – angesichts von Corona-Abstandsregeln & Co. – aus ihnen? Die Stadtspitze ist sauer auf das Land NRW. Beklagt wird das „Zuschieben des Schwarzen Peters“.

 St. Martin im Jahr 2019 vor der Elberfelder Laurentiuskirche.

St. Martin im Jahr 2019 vor der Elberfelder Laurentiuskirche.

Foto: Christoph Petersen

Noch am Freitag (4. September 2020) schien klar: Laut NRW-Landesanordnung können Martinszüge in diesem (Corona-)Jahr nicht genehmigt werden. Am Montag (7. September) war wieder alles anders. Bei der Pressekonferenz des Oberbürgermeisters wurde bekannt gegeben, dass die NRW-Landesregierung die Martinszüge nun als „dem Grunde nach erlaubt“ einstuft – allerdings vor Ort bei jedem Zug-Antrag geprüft werden muss, ob die Corona-Regeln eingehalten werden (können).

Stadtdirektor Johannes Slawig als Leiter des Wuppertaler Corona-Krisenstabes fand klare Worte für diesen Schlingerkurs, der nun – so Slawig – „den Kommunen den Schwarzen Peter zuschiebt“. Der Stadtdirektor: „Ich kann das nur als Mutlosigkeit des Landes bezeichnen. Eine klare Regelung, die für ganz NRW gegolten hätte, wäre für die Veranstalter und Kinder sicher schmerzlich, aber eine allgemein verlässliche Richtlinie gewesen.“ „Fassungslos“ äußerte sich Verkehrsdezernent Frank Meyer: „Wir müssen ja schon seit einiger Zeit jeden einzelnen Martinszug unter dem Aspekt der Verkehrssicherheit der jeweils geplanten Routen unter die Lupe nehmen. Wie jetzt auch noch für jeden Zug eine Prüfung unter Hygiene- und Gesundheitsgesichtspunkten funktionieren soll, das weiß ich nicht.“

Gesundheitsdezernent Stefan Kühn beschrieb das drohende Durcheinander: „Familien dürfen zusammen gehen, Kita-Gruppen auch, alle anderen müssen aber die vorgeschriebenen Sicherheitsabstände einhalten. Es ist schwer vorstellbar, wer das und wie kontrollieren soll.“

Schwere Zeiten kommen auch auf die „offenen“ Wuppertaler Weihnachtsmärkte, also die in der Barmer und der Elberfelder City, zu: Es gilt Abstände einzuhalten, den Alkoholkonsum zu reduzieren sowie die Möglichkeit zur Kontaktverfolgung zu gewährleisten. Es gab bereits Gespräche der Veranstalter mit Dezernent Matthias Nocke, zu dessen Bereich auch das Ordnungsamt gehört. Die Frage dabei: Kann es überhaupt funktionieren, auf einem offenen Weihnachtsmarkt die sogenannten Hygiene-Vorschriften einzuhalten? Fest steht: Die Veranstalter wollen (und müssen) dazu jetzt Konzepte erarbeiten. Sowohl für Martinszüge als auch Weihnachtsmärkte gilt: Die Zeit wird knapp, denn wenn die Aktionen durchgeführt werden sollen, haben sie lange Vorbereitungsphasen.

Und das Thema (Straßen-)Karneval? Krisenstabschef Slawig: „Wir haben uns darauf geeinigt, dass es keinen Wuppertaler Eigenweg geben soll. Wir warten auf die Ergebnisse der Gespräche, die das Land mit den großen rheinischen Karnevalsgesellschaften führt, und werden uns daran orientieren. Aber da gibt es bis jetzt noch keine Ergebnisse.“

 Krisenstabs-Chef Johannes Slawig kann nicht verstehen, warum das Land NRW die  Martinszüge (im vergangenen Jahr gab es in Wuppertal 170 davon) zuerst als nicht genehmigungsfähig einstuft, drei Tage später aber den Kommunen die alleinige Verantwortung für die Überprüfung der Abstands- und Hygieneregeln zuweist.

Krisenstabs-Chef Johannes Slawig kann nicht verstehen, warum das Land NRW die Martinszüge (im vergangenen Jahr gab es in Wuppertal 170 davon) zuerst als nicht genehmigungsfähig einstuft, drei Tage später aber den Kommunen die alleinige Verantwortung für die Überprüfung der Abstands- und Hygieneregeln zuweist.

Foto: Max Höllwarth

Ergebnisse gibt es dagegen in Sachen Wuppertaler Corona-Zahlen: Dezernent Stefan Kühn betont, es habe bisher an keiner Schule und in keiner Kita eine Infektionskette, sondern stets nur Einzelfälle gegeben. Man müsse sich allerdings darüber klar sein, dass diese Einzelfälle immer wieder auftreten könnten – und würden. Mit den dann jeweils individuell notwendigen Konsequenzen. Außerdem informierte Kühn darüber, dass die Infektionszahlen bei den 18- bis 65-Jährigen doppelt so hoch sind wie bei den unter 18-Jährigen. Kühn sieht hier ein zusätzliches Argument für die Empfehlung der Stadt, auch während des Schulunterrichtes (obwohl das vom Land nicht mehr vorgeschrieben ist) weiterhin eine Maske zu tragen.

Der Gesundheits-Dezernent lobte die Arbeit des Gesundheitsamtes: Rund 70 Prozent aller Infektionsketten seien erfolgreich nachverfolgt worden. Sein Bild für die Situation, in der man sich befinde: „Es ist ein Marathonlauf im Sprinttempo, bei dem uns nicht die Puste ausgehen darf.“ Dass eine finanzielle Bundesinitiative nun etwa 20 neue Stellen im Gesundheitsamt möglich mache, helfe angesichts der zu leistenden Aufgaben sehr.

Apropos Maskentragen im Schulunterricht: Oberbürgermeister Andreas Mucke hat zuletzt bei Besuchen einiger Grundschulen und im Carl-Fuhlrott-Gymnasium bei Schülern, Lehrern und Eltern eine „überwiegend große Bereitschaft gespürt, dieser Empfehlung zu folgen.“ Er habe, so Mucke, viel Verständnis dafür erlebt, dass man sich gegenseitig schützen wolle. Der Oberbürgermeister: „Die Schüler haben deutlich zu verstehen gegeben, dass sie keine Quarantänen oder Schulschließungen mehr erleben wollen.“

Mucke schilderte auch das letzte Treffen des Wirtschaftskrisenstabes: Die Lage in Wuppertal sei immer noch angespannt – viele, viele Menschen befinden sich nach wie vor in Kurzarbeit. Das Handwerk dagegen verzeichne eine sehr gute Auftragslage: Dort sei man sogar intensiv auf der Suche nach neuen Mitarbeitern. Sorgenfalten gibt es aus dem Sektor der Gastronomie, denn der Herbst und Winter sowie damit das Ende der Draußen-Saison stehen vor der Tür. Andreas Mucke: „Es geht jetzt darum, ob es auch über Ende Oktober hinaus neue Formen der Außengastronomie geben kann, die den Gastronomen helfen. Wir sind offen dafür, und sollten jetzt gemeinsam die Weichen dafür stellen.“

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