Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor sechs Jahre Haft gefordert, der Verteidiger plädierte auf Freispruch. Dass er das Auto gefahren habe, sei seinem Mandanten nicht nachzuweisen, so Rechtsanwalt Andreas Sauter. Hinzu komme, dass das Unfallopfer aus seiner Sicht eine Mitschuld trage, weil Robert Heidt dunkel bekleidet auf die Straße gelaufen sei.
In das Urteil einbezogen wurde auch eine weitere Straftat, die der 20-Jährige gemeinsam mit seinem nun neben ihm auf der Anklagebank sitzenden Bruder (15) begangen hatte. In der Nacht des 11. Januar 2025 hatten beide vergeblich versucht, verschiedene Türen und Garagen sowie einen Kassenautomaten an der „Alten Papierfabrik“ aufzuhebeln. Auf der Dachterrasse war es den Angeklagten gelungen, eine Türe aufzubrechen und das Gebäude zu betreten.
Nachdem der Versuch misslang, eine Wohnungstüre zu öffnen, gelangten sie durch eine Fluchttür in ein Büro. Dort hatten sie diverse Gegenstände im Wert von 4.000 Euro entwendet, der 14-Jährige soll dabei ein Messer bei sich geführt haben. Er muss wegen Diebstahls für zwei Jahre und drei Monate in Jugendhaft. Die beiden Brüder und weitere Geschwister der aus Serbien stammenden Familie sind der Justiz seit Langem als Intensivtäter bekannt.
Vor allem auch, um die Unfallfahrt lückenlos aufklären zu können, hatte Amtsrichter Markus Adams über zehn Verhandlungstage hinweg etliche Zeuginnen und Zeugen gehört. Darunter eine Krankenschwester, die zufällig am Unfallort vorbeigekommen war und Robert Heidt Erste Hilfe geleistet hatte. Dass die Ersthelferin ihm vermutlich das Leben gerettet hat, erfuhr der 45-Jährige erst im Gerichtssaal. Seine Frau wollte damals mit dem Handy das Silvesterfeuerwerk filmen, stattdessen hielt sie den Moment des Zusammenstoßes auf Video fest. Auch die beiden Kinder mussten alles mitansehen, die Familie stand unter Schock. (Bilder aus der Silvesternacht)
Schwerer Unfall auf der B7
Der 20-Jährige, der aus Sicht des Gerichts ohne Zweifel am Steuer saß, war nach dem Aufprall weitergefahren und hatte zwei Frauen bei Zusammenstößen verletzt, bevor er den Wagen mit gestohlenem Kennzeichen in einer Seitenstraße abstellte. Nachdem der letzte Halter des Wagens beteuert hatte, nicht selbst gefahren zu sein, ermittelte die Polizei später den nun verurteilten 20-Jährigen als Fahrer. Er soll das Auto kurz zuvor gekauft, aber weder angemeldet noch versichert haben. Dazu soll er keinen Führerschein besessen und unter Drogen gestanden haben.
Dass er ohne Versicherungsschutz unterwegs war, wird nun für die Unfallopfer und vor allem auch für Robert Heidt zum Problem. Auch wenn das Gericht ihm 100.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen hat, ist kaum davon auszugehen, dass die mutmaßlich in prekären Verhältnissen lebende Familie des Unfallverursachers zu Zahlungen in der Lage ist.
Die beiden Frauen (15 und 43 Jahre) waren vergleichsweise glimpflich davongekommen. Die jüngere der beiden war am Bein erfasst worden, sie hatte eine Prellung am Knie erlitten. Die 43-Jährige hatte der Angeklagte „aufgeladen“, mit einer Kopfverletzung und mehreren Prellungen musste sie notoperiert und drei Tage auf der Intensivstation behandelt werden.
Deutlich schlimmer hatte es Robert Heidt getroffen: Vor den Augen seiner Frau und seiner beiden Kinder wurde er mehr als 20 Meter durch die Luft geschleudert, bevor er auf dem Asphalt aufschlug. Die Anklage listet etliche schwere Verletzungen auf, unter anderem einen offenen Schädelbasisbruch, Frakturen der Wirbelsäule und eine Lungenembolie. Wochenlang lag Robert Heidt auf der Intensivstation, dort erlitt er mehrere Schlaganfälle. Mehrfach wurde er operiert, bis Ende Februar 2024 lag er im Krankenhaus. Nach Wochen im Koma musste er in der Reha alles neu lernen, blieb dort sechs Monate, weitere Operationen sind geplant
Noch immer gilt er als Pflegefall, an eine Rückkehr in seinen Job im Garten- und Landschaftsbau ist nicht zu denken. Das Arbeitslosengeld läuft demnächst aus, danach werde „die Familie ins Bürgergeld fallen“, so Nebenklageanwalt Carsten Rebber. Robert Heidt könne auf einem Ohr nicht mehr hören, die rechte Hand nicht richtig bewegen, eine Gesichtshälfte sei gelähmt. Er könne nur mit Mühe sprechen, nicht mehr mit seinen Kindern (8 und 10 Jahre alt) spielen.
„Es ist eine gewisse Melancholie eingetreten“, sagt Rebber über die Familie. Um sie wenigstens finanziell zu unterstützen, sei kürzlich eine Spendenaktion bei auf der Plattform „GoodCrowd“ gestartet worden.