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Ev. Kirchenkreis Wuppertal: Für die Musik unterwegs​

Sommerreihe des Ev. Kirchenkreises Wuppertal : Für die Musik unterwegs

In der Sommerreihe „Unterwegs für andere“ werden Menschen aus dem Ev. Kirchenkreis Wuppertal vorgestellt, die sich in den Ferien engagieren. Mit Kirchenmusiker Michael Kristahn endet die Reihe. Der Musiker reist an deutsche Urlaubsorte, um dort für Gäste und Gemeinden die Orgel zu spielen.

Rund um die Sophienkirche im Wuppertaler Luisenviertel herrscht geschäftiges Treiben. Doch wer kurz innehält, kann die Orgelmusik hören. Bach, Beethoven, Buxtehude: Michael Kristahn übt die Werke, die er ab dem 11. August in seinen Orgelvespern und Gottesdiensten in der evangelischen Gemeinde St. Jakob in Rothenburg ob der Tauber präsentieren möchte. Drei Wochen vertritt er in dem bayerischen Ferienort die dortige Kantorin.

Wenn die Kirchenmusiker im Sommer eine wohlverdiente Pause von Gottesdiensten, Konzerten, Trauungen und Beerdigungen machen, ist Michael Kristahn mit der Musik unterwegs. Und das nicht erst, seit der 71-jährige Organist in Rente ist. Schon seit 22 Jahren geht es für ihn nach Bayern in die Kur- und Urlaubsorte. Geld verdient er damit nicht, denn Aufwandsentschädigungen für den Aufenthalt und die Fahrt reichen nicht aus.

 Jetzt ist üben auf der Orgel in der Sophienkirche angesagt.
Jetzt ist üben auf der Orgel in der Sophienkirche angesagt. Foto: Sabine Damaschke

„Ich finde es spannend, auf einer anderen Orgel zu spielen, eine andere Gemeinde und ein anderes Publikum kennenzulernen“, erklärt der studierte A-Kirchenmusiker, der auch als Rentner die Finger nicht von den Tasten lassen kann. Seit fünf Jahren hat er eine nebenamtliche Stelle als Organist und Chorleiter an der Wuppertaler Sophienkirche. Davor war er Kantor in Leverkusen, Heide und Bremen. Geboren und aufgewachsen ist Michael Kristahn in Heidelberg.

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Ohne Musik geht es nicht

Die Musik sei für ihn „Nahrung für Körper und Seele“, sagt er. Schon mit fünf Jahren hat er das Klavierspiel gelernt; mit 17 Jahren bestand er die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule in Heidelberg, um dort Klavier und Oboe zu studieren. Das Orgelspiel brachte er sich in zwei Monaten bei und wechselte dann zur Kirchenmusik. Auch heute gehört regelmäßiges Üben zu seinem Alltag. Drei Stunden sind es mindestens pro Tag, wenn Michael Kristahn eine Urlaubsvertretung macht.

 Michael Kristahn musiziert in der Rothenburger Stadtkirche St. Jakob.
Michael Kristahn musiziert in der Rothenburger Stadtkirche St. Jakob. Foto: Sabine Damaschke

„Das ist wichtig für die Fingerfertigkeit, die im Alter nachlässt“, erklärt er. Doch als harte Arbeit empfindet er es nicht. Im Gegenteil. „Ich lerne neue Stücke zwar langsamer als früher, aber ich erspüre und interpretiere sie besser.“

Die Orgel in der Rothenburger Stadtkirche St. Jakob ist für Michael Kristahn eine besondere Herausforderung, denn es ist die größte Orgel, auf der er jemals konzertiert hat. Sie besitzt 69 Register mit rund 5.500 Pfeifen und zwei Spieltischen, einen viermanualigen auf der Vorder- und einen zweimanualigen Nebenspieltisch auf der Rückseite.

Große Orgel, starke Herausforderung

Auf einer Leiter muss der Kirchenmusiker zu ihr hochsteigen – und von weit oben einschätzen, wann der Klang unten beim Publikum ankommt. Als er zum ersten Mal vor vier Jahren in Rothenburg gespielt hat, ist ihm das nicht auf Anhieb gelungen. “Ich war viel zu schnell. Erst recht, weil man im Gottesdienst in Rothenburg gerne langsam singt.“

Zu schnell oder langsam, zu laut oder leise, zu kurz oder lang, zu klassisch oder modern: Michael Kristahn hat in seinem langen Kirchenmusikerleben neben viel Lob auch Kritik erfahren. Das gehört für ihn zum Job. „Ich lasse mir immer etwas sagen, denn ich spiele ja für die Gemeinde“, betont er. So hat er neben Kantoreien auch Gospelchöre geleitet und bei Trauungen oder Beerdigungen auch Popsongs gespielt, wenn es gewünscht war.

Doch als Musiker probiert er gerne Neues aus und hat dafür seine Nischen gesucht und gefunden. So lädt er regelmäßig zu Konzerten mit Neuer Musik oder zu modernen Orgelmessen ein. „Damit erreiche ich dann ein bestimmtes Publikum, aber weit über die Stadtgrenzen hinaus.“

 Den Sommerhut nicht vergessen! Michael Kristahn vor der Sophienkirche.
Den Sommerhut nicht vergessen! Michael Kristahn vor der Sophienkirche. Foto: Sabine Damaschke

Offen für musikalische Vielfalt

Diese Vielfalt mag Michael Kristahn. Deshalb ist er Kirchenmusiker geworden. Dabei wollte er diesen Weg zuerst nicht einschlagen. „Die Kirche war für mich so verhaftet in alten Traditionen und weit weg von den Menschen.“ In Taizé lernte er dann eine andere, lebendige Kirche kennen, in der er sich aufgehoben fühlte und „auftanken“ konnte – nicht zuletzt durch die Musik. „In ihr kommen die Menschen Gott nahe, sie erfahren Ermutigung, Trost und Gemeinschaft.“

Michael Kristahn sieht sich als Teil dieser Gemeinschaft, die er in Rothenburg auf besondere Weise erlebt. Dort sei er nicht „der einsame Solist“, erzählt er. „Jeweils von Montag bis Freitag gibt es für alle Mitarbeitenden – vom Pastor bis zur Putzfrau – ein gemeinsames Frühstück. Dort erfahre ich dann, was die Gemeinde für ihre Gäste in der Urlaubszeit so alles anbietet.“ Wenn die Zeit es zulässt, nimmt er an Wanderungen, Andachten oder Vorträgen teil – aber erst, nachdem er seine drei Stunden an der Orgel geübt hat.