Bergische Uni Soziale Medien: Digitaler Spiegel der Psyche?

Mit der Nutzung sozialer Medien erfolgt in Krisen- und Katastrophenlagen eine interaktive Kommunikation, durch die die Bevölkerung ihre Erfahrungen, Gefühle und Gedanken sowie ihre Bedarfe und die zur Verfügung stehenden Ressourcen öffentlich macht. Welche sozialwissenschaftlich fundierten Rahmenempfehlungen sich aus dieser Form der Kommunikation für das staatliche Krisenmanagement ableiten lassen, untersucht der Lehrstuhl für Bevölkerungsschutz, Katastrophenhilfe und Objektsicherheit der Bergischen Universität Wuppertal in einem neuen Forschungsprojekt.

Das Hochwasser vom Juli 2021 (hier eine Szene aus Wuppertal) war lange ein beherrschendes Thema in den sozialen Medien.

Foto: Christoph Petersen

Die Corona-Pandemie führte in den vergangenen Jahren zu enormen Belastungen in großen Teilen der Bevölkerung. Im Sommer 2021 zerstörten massive Überschwemmungen und Starkregenereignisse die Existenzgrundlagen vieler Menschen im Ahrtal. Und gegenwärtig weckt der russische Angriffskrieg in der Ukraine Erinnerungen an in Europa längst vergangen geglaubte Zeiten. In den sozialen Medien bleiben derartige Krisen nicht ohne Widerhall.

Das Projekt mit dem Titel „Systematische Analyse der Kommunikation in sozialen Medien zur Anfertigung Psychosozialer Lagebilder in Krisen und Katastrophen (#SOSMAP)“ wird in den kommenden drei Jahren vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) gefördert. Unter der Leitung von Lehrstuhlinhaber Prof. Dr.-Ing. Frank Fiedrich sollen Kriterien zur Identifikation von psychosozialen Bedarfen und Ressourcen der Bevölkerung in sozialen Medien entwickelt und fundierte Rahmenempfehlungen für deren Auswertung in Krisen- und Katastrophenlagen abgeleitet werden.

„Ich konnte beispielsweise schon während meiner Quarantäne zu Beginn der Pandemie allein über soziale Medien erfahren, wie sich die Situation in den Supermärkten zuspitzte und wie die Leute darauf reagierten“, beschreibt Projektmitarbeiterin Francesca Sonntag den Projekthintergrund.

Das Projekt könne aufgrund der öffentlich verfügbaren Datenmengen einen wesentlichen Beitrag zur Lageerkundung leisten, um das Verhalten, die Bedarfe und die Selbstschutzkompetenzen der Bevölkerung in Krisen und Katastrophen für Entscheidungsprozesse im Krisenmanagement nutzbar zu machen. Zusammen mit den Erkenntnissen aus dem ebenfalls am Lehrstuhl umgesetzten BBK-Projekt „Entwicklung eines Sozialkapital-Radars für den sozialraumorientierten Bevölkerungsschutz (Sokapi-R)“ sollen umfassende Informationen und Erkenntnisse für die Aufbereitung in einem psychosozialen Lagebild zur Verfügung gestellt werden.

„Durch die enge Zusammenarbeit mit dem ‚Virtual Operations Support Team‘ (VOST) des THW und weiteren virtuell organisierten Teams sowie durch die Unterstützung der Universität Greifswald und der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung können wir einen interdisziplinären Forschungsansatz für das hochkomplexe Thema wählen“, sagt Prof. Fiedrich.

Mit Hilfe eines Methoden-Mixes aus Datenanalysen, Fokusgruppen, Interviews, Befragungen, Einsatzbeobachtungen und einem Planspiel sollen die Merkmale psychosozialer Bedarfe und Ressourcen in sozialen Medien identifiziert und in einem Methodenhandbuch für die Analyse sozialer Medien zusammengefasst werden. Dieses soll zugleich die Grundlage eines Fort- und Ausbildungskonzepts für psychosoziale Lagebilder bilden.

Die Ergebnisse sollen im Rahmen eines Dashboards, vergleichbar dem COVID-19-Dashboard des Robert-Koch-Instituts, dargestellt werden, um eine Verknüpfung zu den Sozialdaten des Projekts Sokapi-R zu gewährleisten. „Hierdurch können kommunale Behörden und die Akteure des Bevölkerungsschutzes zielgerichteter auf Handlungsbedarfe reagieren und die psychosozialen Folgen von Krisen und Katastrophen stärker bei deren Bewältigung berücksichtigen“, ergänzt Lehrstuhlmitarbeiter Dr. Tim Lukas.

Die Ergebnisse der Forschung sollen in sozialwissenschaftlich fundierten Rahmenempfehlungen für das staatliche Krisenmanagement zusammengefasst und den relevanten Akteursgruppen zugänglich gemacht werden.