Interview: Eckig oder rund — zwei Experten streiten über die Bahnhofsfenster "Diskussion kommt zehn Jahre zu spät"

Wuppertal · Der Rat hat im März entschieden: Die Bahnhofsfenster werden eckig, der Prozess scheint nicht mehr zu stoppen. Oder doch? Die "Initiative Baudenkmal Döppersberg" um den Wuppertaler Architekten Florian Baltzer sammelt aktuell Unterschriften für eine Petition, um die ursprüngliche Form mit Rundbogenfenstern wiederherzustellen.

 Architekt Florian Baltzer will so nah wie möglich an die erste Version des Bahnhofsgebäudes — mit runden Fenstern. Seine Petition hat mehr als 2.000 Unterzeichner.

Architekt Florian Baltzer will so nah wie möglich an die erste Version des Bahnhofsgebäudes — mit runden Fenstern. Seine Petition hat mehr als 2.000 Unterzeichner.

Foto: Rundschau

Die Rundschau-Redakteure Nicole Bolz und Stefan Seitz luden Planungsdezernent Frank Meyer und Florian Baltzer zum (Streit-)Gespräch.

 Für Planungsdezernent Frank Meyer ist die Entscheidung klar: Die Fenster im Bahnhof werden eckig. Denn auch das ist denkmalgerecht.

Für Planungsdezernent Frank Meyer ist die Entscheidung klar: Die Fenster im Bahnhof werden eckig. Denn auch das ist denkmalgerecht.

Foto: Rundschau

Rundschau: Die rechteckigen Bahnhofsfenster scheinen im wahrsten Sinne zementiert. Die Pläne dazu waren lange bekannt. Warum wird die Kritik erst jetzt so lautstark geäußert?

Baltzer: Das stimmt ja so nicht. Die Bürger haben sich schon 2007, als die Entwürfe erstmals vorgestellt wurden, für runde Fenster eingesetzt. Unsere Initiative gibt es seit 2013 — und wir haben seitdem viel diskutiert. Wir appellieren auch jetzt noch an Herrn Meyer, den Prozess zu stoppen. Noch gibt es keine Not dazu, die Pläne umzusetzen, da die Bahn erst in zwei Jahren das Gebäude entkernt. Und man kann ja nicht die Fassade herrichten, bevor das Gebäude entkernt worden ist.

Meyer: Da bin ich ganz bei Ihnen. Ich halte das auch für keine sinnvolle Reihenfolge. Aber in diesem Fall wird es so gemacht, denn die Bahn will das Gebäude ja nicht behalten, sondern verkaufen ...

Baltzer: Das ist ja interessant, entspricht aber nicht den Fakten. Wenn ein Verkauf möglich wäre, sind mir mehrere Interessenten bekannt, die Rundbögen für selbstverständlich halten.

Meyer: Wegen des Verkaufs ist das Vorgehen in der Reihenfolge jedenfalls folgerichtig. Außerdem wollen wir im Frühjahr mit den Arbeiten am Bahnhofsvorplatz beginnen — und dafür brauchen wir die genaue Höhe, um dort ansetzen zu können.

Rundschau: Ist es überhaupt noch realistisch, den Prozess zum jetzigen Zeitpunkt zu stoppen?

Meyer: Nein! Die Bahn als Eigentümer des Bahnhofgebäudes will rechteckige Fenster. Der Rat hat es noch einmal in der März-Sitzung so beschlossen — darüber kann ich mich nicht einfach hinwegsetzen. Zudem verursachen Interventionen im laufenden Bau besonders hohe Kosten.

Rundschau: Wie hoch wären die Kosten in dem Fall?

Meyer: Das lässt sich schwer berechnen, da neben den eigentlichen Baukosten auch Vertragsänderungen dazu kämen — und die Juristen warten ja nur auf solche Fälle. Es wäre ein finanziell nicht kalkulierbares Risiko.

Baltzer: Wir haben bereits jetzt 40.000 Euro an Spendenzusagen, wenn man sich für die Rundbogenfenster entscheidet — dabei haben wir nicht mal einen Aufruf gestartet. Da käme sicher noch einiges dazu. Wir haben das unter Einschaltung von Fachfirmen berechnet. Es wären etwa 300.000 Euro an Mehrkosten. Für die Änderungen am Investorenkubus war ja auch Geld da.

Meyer: Wenn wir das jetzt ändern und sich die Kosten für den Döppersberg-Umbau dadurch erheblich vergrößern, wäre das eine Verschwendung von Steuergeldern!

Baltzer: Das ist lächerlich, Herr Meyer! Sie betreiben Verschwendung von Steuergeldern für die falschen Maßnahmen! Fragen Sie doch mal, was die Bürger wollen! Wir verpassen eine einmalige Chance zur historisch korrekten Rekonstruktion dieses einmaligen Gebäudes. Der heutige Wuppertaler Hauptbahnhof ist ein Denkmal von nationaler Bedeutung. Das wäre ein enormer Imagegewinn für Wuppertal. Die Leute werden das zu schätzen wissen. Aber so nicht, Herr Meyer! (Zeigt auf die Abbildung mit den rechteckigen Fenstern)

Meyer: Das ist eine Feinschmecker-Diskussion!

Rundschau: Jetzt hat sich das Gebäude ja relativ schnell äußerlich verändert, auch die rechteckigen Fenster gelten als historisch...

Meyer: Eben. Die Denkmalbehörde hat ausdrücklich beide Varianten als denkmalgerecht eingestuft. Es ist ja letztlich eine Frage der architektonischen Haltung: Der Sockel hat sich durch verschiedene Umbauten immer wieder verändert, so dass man einen wirklichen Originalzustand gar nicht erreichen kann. Was Sie wollen, ist ja nur eine Annäherung an das Original, so tun als ob. Die andere Möglichkeit: Man macht sichtbar, was dem Gebäude in den Jahren widerfahren ist.

Baltzer: Aber man kann es fast originalgetreu herstellen. Dadurch, dass die Befunde so gut erhalten sind, sollte man das doch jetzt nutzen und es so nah wie möglich ans Original heranführen.

Meyer: So nah wie möglich ist auch vorbei! Fakt ist, dass die Bahn sich gegen Rundbogenfenster ausgesprochen hat. Und meine Aufgabe ist es nicht, das Gebäude der Bahn zu planen.

Baltzer: Aber Sie haben eine Verantwortung für die Stadt! Wo wird denn hier der Bürgerwille berücksichtigt? Bürgerbeteiligung wird ja heute in der Stadt großgeschrieben!

Meyer: Diese Diskussion kommt leider zehn Jahre zu spät! Außerdem ist die Position der Stadt klar. Der Rat hat entschieden — und das war an Deutlichkeit kaum zu überbieten. Und ich werde den Teufel tun, mich über diese Entscheidung hinwegzusetzen. Außerdem finde ich die Entscheidung richtig und verstecke mich nicht dahinter.

Rundschau: Wird es noch Gespräche mit allen Beteiligten und auch mit der Bahn geben?

Baltzer: Uns wäre es wichtig, noch einmal alle Beteiligten an einen Tisch zu holen. Oberbürgermeister Mucke hat dies erst Anfang der Woche zugesagt in der Politischen Runde der VHS. Dazu gehören die Stadtverwaltung, die Deutsche Bahn AG, die Denkmalbehörde und sachkompetente Vertreter der Initiative. Nach unseren gesicherten Informationen zeigt sich die Bahn wie bisher offen gegenüber der Variante mit Rundbögen. Entscheidend ist, wie man auf die Bahn zugeht.

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