Die "börse" wird 40 Jahre jung

Mit 40 ist man ja schon erwachsen. Da geht man nicht mehr so oft aus oder befasst sich mit Jugendkultur — höchstens bei seinen Kindern. Es sei denn, es handelt sich um die Wuppertaler "börse". Die feiert in diesen Tagen ihren 40-jähriges Bestehen — und beweist fast täglich, dass sie sehr wohl noch ein junges Herz hat.

 Das "börsen"-Team um Petra Lückerath (Mitte) — immer auf Ausschau nach neuen Trends und Anregungen.

Das "börsen"-Team um Petra Lückerath (Mitte) — immer auf Ausschau nach neuen Trends und Anregungen.

Foto: Jens Grossmann

Dabei kann das soziokulturelle Zentrum — übrigens eines der ersten dieser Art in Deutschland — auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Vorläufer der "börse" war das Aktionszentrum "Kult" in der Viehhofstraße. "Dort haben sich viele Künstler organisiert, den Raum für Proben genutzt", sagt Petra Lückerath, seit elf Jahren Geschäfts- und Programmleiterin der "börse". Der Jazz war dort von Anfang an zu Hause. Dieter Fränzel (seine Erinnerungen können Sie am Mittwoch in der Rundschau-Beilage "Evergreen" lesen) und Rainer Widmann haben ihre ersten Programme dort gespielt. Künstler wie Jan Garbarek, Peter Brötzmann, Peter Kowald, Till Brönner und Hölderlin waren zu Gast. Aber auch Bands aus allen musikalischen Richtungen von Rock und Pop bis Punk wie BAP oder Jamiroquai.

Doch die "börse" galt auch immer als politisch, war und ist Treffpunkt von politischen Netzwerken und Gruppen. Der Widerstand des Establishments gegen das basisorientierte Kulturanliegen motivierte engagierte Börsianer in den frühen Jahren ganz besonders. Wehrdienstverweigerer wurden dort beraten und mit dem legendären "Frauenschwoof" war die Frauenbewegung in den 1980er Jahren fest mit der "börse" verbunden. "In Hoch-Zeiten kamen bis zu 1.200 Frauen zu der Veranstaltung", erzählt Lückerath.

Es ist schwer, der Vielzahl an kulturellen, sozialen und politischen Aktivitäten von 40 Jahren "börse" gerecht zu werden. "Es war immer ein Ort der Begegnung unterschiedlichster Szenen und Altersgruppen", so Lückerath. Als Meilensteine in der wechselvollen Geschichte zählen der bis heute ungeklärte Brand 1977, der zum Umzug in Privatwohnungen und dann an den Hofkamp zwang. 1981 erreichte die "börse" im wiedereröffneten Gebäude an der Viehhofstraße — vor allem mit der ebenfalls legendären Party "Wackeltreff" — ungeahnte Besucherrekorde, die am Ende zu Konflikten mit den Anwohnern führten. Und diese wiederum zur Aufgabe beliebter Veranstaltungsreihen mit entsprechenden Umsatzverlusten. Seit 1996 ist die "börse" jetzt an der Wolkenburg zu Hause.

Viele Leute aus den Anfangszeiten der "börse" sind noch immer mit ihr verbunden. Neue Gesichter finden sich derzeit vor allem bei der erfolgreichen Veranstaltung "Rudelsingen" oder bei Festivals wie "Jung & Laut" ein. Mögen sich die Namen der Projekte und Partys auch ändern, der Grundgedanke ist geblieben: "Wer zu uns kommt und etwas auf die Beine stellen will, bekommt hier noch immer die Möglichkeit dazu."

(Rundschau Verlagsgesellschaft)
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