Bergische Uni Wuppertal Das größte Planetarium der Welt stand in Barmen

Wuppertal · Die Wuppertaler Studentin Sabrina Engert hat im Stadtarchiv für ihre Bachelorarbeit über Barmens einstmals größtes Planetarium der Welt recherchiert.

Postkarte mit dem Blick auf das Planetarium.

Foto: Engert

„Barmen hatte einstmals das größte Planetarium der Welt, wenn auch nur für fünf Tage“, sagt Sabrina Engert, die an der Bergischen Universität Geschichte studiert. Fasziniert von der Historie des Barmer Planetariums, über das es kaum Literatur zu finden gibt, entschloss sich die Studentin, ihre Bachelorarbeit diesem Thema zu widmen. Im Stadtarchiv Wuppertal fand sie interessante Unterlagen.

Stadtverordnetenversammlung entschied schnell

Der Bau des Barmer Planetariums stand am 18. Oktober 1924 auf der Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung im Rathaus Barmen und wurde bereits drei Tage später beschlossen. „Der Finanzausschuss ist grundsätzlich mit dem Bau des Planetariums in den Anlagen des Verschönerungsvereins gegenüber der Einmündung der Augustastraße in die Ottostraße nach der Vorlage der Verwaltung einverstanden. Das Projekt soll so ausgearbeitet werden, dass die Möglichkeit für einen späteren Ausbau anderweitiger Verwendung des Gebäudes besteht. Der Einbau von Kleiderablagen ist vorzusehen. Die Bewilligung der erforderlichen Mittel wird befürwortet“, berichtet ein Auszug aus dem Versammlungsprotokoll, welches Engert im Stadtarchiv fand.

Zwar sei das dann schließlich nicht der Ort, an dem das Planetarium gebaut wurde, erklärt die Studentin, denn schon damals protestierten Anwohner gegen das geplante Unterfangen der Stadt, so dass man sich für einen anderen, nahe gelegenen Ort entschied. „Das Planetarium wurde innerhalb eines Jahres oberhalb der Barmer Anlagen an der Unteren Lichtenplatzer Straße gebaut. Es stand gegenüber der alten Barmer Stadthalle und neben der Fahrstrecke der alten Bergbahn, die man ja auch heute noch sehen kann“, sagt Engert. Wer das Gelände der Barmer Anlagen kenne, könne sich vorstellen, wie sich das prächtige Gebäude dort einst einreihte.

Sabrina Engert ist wissenschaftliche Hilfskraft im Fach Wissenschafts- und Technikgeschichte der Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften der Bergischen Universität.

Foto: UniService Transfer

Das Barmer Planetarium – Blütezeit von 1926 bis 1931

„Das Planetarium wurde nach dem Ersten Weltkrieg in der Weimarer Republik erbaut. In dieser Zeit - und besonders in den ersten fünf Jahren - ist die Entwicklung des Planetariums durch die historischen Umstände besonders spannend“, erzählt Engert. „Ich schreibe in der Thesis natürlich die Geschichte sozusagen zu Ende, aber zwischen 1943 und 1955 verwahrloste das Planetarium leider, und es kam zum Abriss.“

Zwar stand das erste optische Planetarium bereits in München, das erste Großplanetarium wurde jedoch in Barmen gebaut. „Die Kuppel in München ist wesentlich kleiner, hat einen Durchmesser von ungefähr 15 Metern und war kein eigenständiger Bau, sondern im Museumsgebäude integriert“, berichtet Engert. Der Projektionsapparat sei noch das Modell I gewesen. Das Barmer Planetarium hingegen war ein freistehender Bau, hatte eine Kuppel von circa 25 Metern Durchmesser und schon das Projektionsmodell II. „Deshalb kann man zurecht vom ersten Großplanetarium der Welt in Barmen sprechen.“

Schon die Außenansicht ließ die Besucher staunen. Dazu Engert: „Zunächst gelangte man über zwölf Meter breite Treppen zum Kuppelbau, der links und rechts mit Mars- und Venusstatuen, den Gottheiten aus der Mythologie, als Verbindung zur Sternenwelt geschmückt war. Die Kuppel selbst war 15 Meter hoch. Vor der Kuppel gab es eine 11x4 Meter große Vorhalle, wo sich die Kassen befanden. Im Planetarium selber konnten circa 600 Menschen Platz finden. Zum Vergleich: in Bochum gibt es heute circa 250 Plätze. Die Kosten für diesen Bau lagen damals bei 350.000 Reichsmark.“

Der Planetarien-Boom erfasste bis 1931 viele deutsche Städte. „Bis 1931 wurden Planetarien in Berlin, Dresden, Hamburg, Hannover, Jena, Leipzig, Mannheim, München, Nürnberg und Stuttgart eröffnet“, weiß Engert. Es gab regelmäßige Vorstellungen, Vorträge wurden gehalten, doch die Wirtschaftskrise und die nationalsozialistische Einflussnahme stoppte die Erfolgsgeschichte vorzeitig.

Betrieb wird 1931 größtenteils eingestellt

Ab 1931 wurde der reguläre Spielplan des Planetariums eingestellt. Zwar nutzten Schulen das Angebot weiterhin und auch einzelne Sonderveranstaltungen für die Öffentlichkeit, wie eine Weihnachtsvorstellung unter dem Titel „Stern über Bethlehem“ wurden angeboten, doch der Niedergang hatte bereits eingesetzt. „Welche Gründe in welchem Maße auf den Niedergang des Planetariums gewirkt haben, ist letztendlich nicht genau beantwortbar“, erklärt Engert.

Durch die intensive Beschäftigung mit den Quellen im Stadtarchiv hat sie dennoch drei Thesen entwickelt. Zum einen könne es mit der Weltwirtschaftskrise und der 1929 einsetzenden Massenarbeitslosigkeit zu tun haben, denn „dadurch konnten sich natürlich weniger Menschen den Eintritt oder die Fahrkarten zum Planetarium leisten. Daran konnte schon ein Besuch scheitern. Außerdem war die gesamte Republik Sparmaßnahmen unterworfen und auch die ab 1929 gegründete Stadt Wuppertal unterlag diesen. Das Planetarium erhielt folglich weniger Werbemittel, Vortragsbudget etc. und das wiederum führte natürlich zu weniger Besuchern. Weniger Vorträge bedeuten dann auch wieder weniger Einnahmen – ein Teufelskreis.“

Postkarte mit einem „Gruß aus Wuppertal-Barmen“.

Foto: Engert

Ein zweiter Auslöser könne auch mit dem Boom zusammenhängen, denn nur fünf Tage nach der Barmer Eröffnung wurde ein weiteres Planetarium in Düsseldorf eingeweiht, dessen Kuppel im Durchmesser sogar noch vier Meter größer war. „Natürlich scheint es erstmal nicht so schlimm, wenn es zwei optische Planetarien gibt, aber das Problem war wohl eher die Nähe. Durch die geringe Distanz zwischen Wuppertal und Düsseldorf verlor Wuppertal nicht nur seine Exklusivität, sondern auch einen großen Teil des Einzugsgebiets. Personen aus Erkrath oder Solingen bspw. konnten sich dann zwischen Wuppertal und Düsseldorf entscheiden, welches auf einmal das größere Planetarium präsentierte.“

Ab 1931 fiel das Planetarium in einen Dornröschenschlaf. „Diesen Begriff hat die Tochter des Leiters des Planetariums geprägt und bezeichnete damit den Zustand des Gebäudes für die nächsten Jahre“, sagt Engert. Einen weiteren Grund sieht die Studentin in der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Auch dazu wurde sie im Stadtarchiv fündig.

„Es gibt Zeugnisse, die belegen, dass die Nazis sich von dem Leiter, Dr. Erich Hoffmann, ideologisch angepasste Vorträge im Planetarium wünschten. Dazu habe ich im Stadtarchiv Briefe gefunden“, berichtet Engert. „Darin wird er um Vorschläge gebeten, wie man Vorträge im Planetarium ideologisch anpassen könnte. Also zum Beispiel Vorträge über die germanische Sternenkunde oder die Wehrmacht. Diesem Wunsch konnte Hoffmann nicht zufriedenstellend nachkommen. Deshalb kann man davon ausgehen, dass die Nationalsozialisten diese Bildungsstätte nicht förderten, da sie nicht in ihre ideologischen Rahmen passte.“ Zwar habe Hoffmann sich noch bemüht, Vorträge des Planetariums in die Vortragsreihe der NS-Kulturgemeinde aufnehmen zu lassen, blieb damit aber erfolglos.

Abriss 1955

Am 30. Mai 1943 wurde in Barmen durch einen Luftangriff circa 80 Prozent der bebauten Fläche zerstört. Mehr als 3.700 Tote waren zu beklagen. Der Schaden am Planetarium fiel vergleichsweise gering aus. „Durch die Erschütterung einer Bombe, die in der Nähe des Planetariums explodierte, entstand ein circa ein Meter langer Riss in der Kuppel. Das war eigentlich kein großer Schaden“, erzählt Engert, „aber Teile des Tals waren komplett zerstört, es gab unglaublich viele Tote und Verletzte. Die Priorität lag einfach nicht auf dem Planetarium.“

Und dann erging es dem Prachtbau wie vielen anderen Gebäuden auch. „Mit der Zeit gelang dann Nässe durch die Kuppel und machte das Gebäude instabil. Einbrecher stahlen die Inneneinrichtung und Teile der Technik. Ich denke, dass eine Reparatur und Instandsetzung sehr teuer gewesen wäre und viele Bürger noch in Erinnerung hatten, dass das Planetarium schon in den 30ern nicht mehr gut besucht war. Man entschied sich schließlich dazu, das Gebäude lieber abzureißen als es zu restaurieren.“

Postkarte zum Planetarium.

Foto: Engert

Stadtarchiv Wuppertal – wichtige Quelle zur Stadtgeschichte

Viele Stunden verbrachte Sabrina Engert im Wuppertaler Stadtarchiv. Dort fand sie umfangreiches Material. „Das war eine ganz schöne Sucharbeit“, sagt sie lachend, „ich habe eine Vielzahl an Quellen genutzt, darunter Verwaltungsakten der Stadt Barmen / Wuppertal. Ich habe alle Haushaltspläne zwischen 1924 und 1939 ausgewertet sowie Protokolle und Einladungen von Sitzungen einbezogen.“

Zeitungsartikel, aber auch Polizeiberichte und private Briefe rundeten ihre Recherche ab. Besonders dankbar ist sie für die wunderbare Unterstützung der Mitarbeitenden des Wuppertaler Stadtarchivs. „Die Familie Sundermann, Nachfahren des ersten Leiters, die den Nachlass von Dr. Erich Hoffmann bewahrt, hat mir viele Quellen zur Verfügung gestellt, die spannende Einblicke gegeben haben. Da gibt es zum Beispiel einen händisch verfassten Belegplan des Planetariums sowie ein Skript eines Vortrages, der dort gehalten wurde.“
Und sogar original verschickte Postkarten mit der Abbildung des Planetariums sowie der rückseitigen Briefmarke mit dem Konterfei Paul von Hindenburgs konnte Engert im Internet finden und kaufen.

Noch nicht ganz vergessen

Fragt man junge Wuppertaler nach dem früheren Planetarium, erntet man nur fragende Blicke, denn außer einem Gedenkstein, den die Tochter des ersten Leiters in den Barmer Anlagen errichten ließ, erinnert nichts mehr an das einmal größte Planetarium der Welt. Selbst in Berichten über die Geschichte der Zeiss-Planetarien kommt Barmen nicht vor.

„Ich finde, da sollte das erste Großplanetarium der Welt schon einen Platz haben, immerhin hat Wuppertal bzw. Barmen einiges an kulturellem Gut zu bieten. Das darf nur nicht vergessen werden. Deshalb war das Thema auch so interessant für mich, weil ich es kaum glauben konnte, dass es so wenig über das Barmer Planetarium gibt“, sagt Engert abschließend. „Meine Arbeit basiert zu über 50 Prozent auf Quellen. Ich wollte die Geschichte unter Berücksichtigung aller verfügbaren Quellen und der Literatur einmal sammeln. Vorher haben die wenigen Artikel immer einzelne Aspekte beleuchtet, aber eine Gesamtdarstellung der Geschichte fehlte bislang. Ich hoffe, dass das Planetarium in Zukunft mehr Aufmerksamkeit erfährt und sich vielleicht noch andere weiter mit dem Thema beschäftigen. Vielleicht kann da meine Bachelorarbeit als eine Art Fundament dienen.“