Archivarin Anke Westermann Das „Gedächtnis“ des ev. Kirchenkreises

Wuppertal · Von wegen verstaubt und langweilig – Kirchenarchive bergen viele alte Schätze. Anke Westermann sortiert, katalogisiert und digitalisiert sie für den Ev. Kirchenkreis Wuppertal.

 Morgenritual: Anke Westermann kümmert sich um die Pflege der Datenbank.

Morgenritual: Anke Westermann kümmert sich um die Pflege der Datenbank.

Foto: Sabine Damaschke

Sie ist sportlich, musikalisch und kontaktfreudig. Anke Westermann passt so gar nicht ins Klischee einer Archivarin, die sich am liebsten hinter alten Akten und Büchern verkriecht. Im Gegenteil. Sie freut sich über jeden Besucher und jede Besucherin, die auf der Suche nach Informationen über ihre Familiengeschichte, historische Festschriften ihrer Kirchengemeinde oder alte Baupläne vorbeikommen.

Noch sind das nicht allzu viele, denn wer das Kirchenarchiv nutzen will, muss sich vorher anmelden. Das soll sich in einigen Jahren ändern, wenn auf dem Gelände des ehemaligen NS-Konzentrationslager Kemna eine Gedenkstätte entstanden ist. Dort wird das Archiv zusammen mit einem Dokumentationszentrum einen neuen Platz bekommen und, so hofft Anke Westermann, auch Besuche von Schülergruppen, Studierenden und historisch interessierten Wuppertalern.

 Archivarin Anke Westermann.

Archivarin Anke Westermann.

Foto: Sabine Damaschke

„Wir haben hier viele spannende alte Dokumente – Schriften, Bücher, Fotos und auch Gegenstände –, die es wert sind, bekannt und genutzt zu werden“, betont sie. „Hier befindet sich das Gedächtnis des Kirchenkreises.“

Die ältesten Urkunden aus Elberfeld und Sonnborn stammen aus dem frühen 15. Jahrhundert. Das älteste, original erhaltene Kirchenbuch, in dem die Tauf-, Konfirmations- und Sterbedaten sämtlicher Kirchenmitglieder zu finden sind, ist aus dem Jahr 1702. Frühere Kirchenbücher gibt es zumindest als Fotokopie.

Sie sind wichtige Dokumente für die Ahnenforscher. Damit die Suche nach in den Kirchenbüchern aufgeführten Namen schneller geht, erstellt Anke Westermann dazu ein digitales Register. „Jeden Morgen, wenn ich komme, nehme ich mir eine Stunde Zeit, um die Daten in unsere Computersoftware einzupflegen“, erzählt sie.

Eine Sisyphusarbeit, die sich aber lohnt. „Neulich hat mir ein Ahnenforscher das Bild eines Grabsteins geschickt. Er wollte wissen, wo sein Ururgroßvater begraben liegt und ob er noch Geschwister hatte. Dank der Register, die ich bereits erstellt hatte, konnte ich ihm schnell eine Antwort geben.“

 Aus Trümmern geborgen: Schlüssel der alten Friedenskirche.

Aus Trümmern geborgen: Schlüssel der alten Friedenskirche.

Foto: Sabine Damaschke

Wertvoller Schätze aus Porzellan

Doch nicht nur die Kirchenbücher, auch alte Akten aus den Archiven der Kirchengemeinden mit Flugblättern, Briefen, Bauplänen, Urkunden oder Festschriften, Liedern und Gedichten müssen gesichtet, katalogisiert und digital dokumentiert werden. Regelmäßig kommt neues Material hinzu, wenn die Kirchengemeinden oder auch Bürgerinnen und Bürger ihre Keller aufräumen.

Von dort hat das Archiv noch viele andere „alte Schätze“ erhalten, etwa handbemalte Konfirmations- und Weihnachtsteller, wertvolle Abendmahlskelche oder Kirchenschlüssel. Ein besonders schönes Exemplar ist der Schlüssel der Friedenskirche aus dem 19. Jahrhundert, die beim Angriff auf Barmen im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört wurde. All das bewahrt Anke Westermann in einem Safe auf.

Wenn sie die wertvollen Gegenstände herausholt, benutzt sie meistens Handschuhe. Die trägt sie auch, wenn sie eine andere Tür öffnet. „Hier ist mein Giftschrank“ sagt sie und nimmt eine der „traurigen Büchergestalten“ heraus, die von Schimmel befallen sind und dringend restauriert werden müssen. „Erst müssen wir schätzen lassen, wie viel das kosten würde, bevor wir entscheiden, ob wir dafür Geld in die Hand nehmen“, erklärt die Archivarin.

Bibliothek mit Kirchenkampf-Literatur

 Akten schleppen, einsortieren, Trittleiter hoch und runter: Archivarinnen und Archivare sollten fit sein.

Akten schleppen, einsortieren, Trittleiter hoch und runter: Archivarinnen und Archivare sollten fit sein.

Foto: Sabine Damaschke

Rund 25.000 Bücher beherbergt das Archiv bereits. Ein besonderer Bestand ist die Sammlung all jener Schriften, die dem Kirchenkampf in der NS-Zeit zuzuordnen sind. Schließlich entstand in Wuppertal die weltberühmte Barmer Theologische Erklärung der Bekennenden Kirche. Doch längst nicht alle Bücher sind mit Signatur und Barcode-Label versehen und in das Computerprogramm eingepflegt. „Ich habe gerade erst das 1100. Buch eingetragen“, berichtet Anke Westermann.

Obwohl von Büchern und Akten umgeben, bleibt ihr zum intensiven Studium der Dokumente wenig Zeit. „Was ich hier tue, ist klassische Verwaltungsarbeit und kann auch körperlich ganz schön anstrengend sein.“ Sie sei froh, dass sie als Sportlerin fit genug ist für das Schleppen von Aktenkisten und Büchern, meint die Archivarin.

Doch manchmal, so gibt sie zu, spürt sie doch ein bisschen „Archivromantik“. Anke Westermann zieht ein altes Gesangbuch aus Unterbarmen von 1824 aus dem Regal und beginnt eine Melodie zu summen. „Ich habe Musikwissenschaften studiert und liebe die alten Gesangbücher.“

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