Leserbrief „Auf dem Rücken der Pendler“

Betr.: Sechswöchige Gleissperrung, Rundschau vom 20. Mai

Am Bahnhof Steinbeck bleiben in den Sommerferien die Gleise leer.

Am Bahnhof Steinbeck bleiben in den Sommerferien die Gleise leer.

Foto: Christoph Petersen

Es ist sachlich nicht zu erklären, warum die mindestens viergleisig ausgebaute Strecke nach Düsseldorf zur Sanierung komplett gesperrt werden soll. Man kann ohne weiteres zwei Gleise sanieren und auf den beiden verbleibenden mindestens sechs Züge stündlich anbieten. Der einzige Grund sind Kosteneinsparungen – und das auf dem Rücken der Pendler.

Ebenso wenig ist es zu rechtfertigen, die Hälfte der Weichen abzubauen. Dieser fortgesetzte Kahlschlag der Flexibilität im Streckennetz führt dazu, dass bei jeder technischen Störung des schlecht gewarteten Materials die Ausweichmöglichkeiten drastisch eingeschränkt werden. Jede Störung und jede Zugverspätung hat dann gravierendere Folgen für den gesamten Bahnbetrieb. Der einzige Grund sind auch hier Kosteneinsparungen zu Lasten der Zuverlässigkeit.

Der angebotene „Ersatzverkehr" über die Dauerbaustelle der A46 am Sonnborner Berg ist für Berufspendler unzumutbar. Jeder, der dies schon einmal erleben musste, weiß, dass sich die Reisezeiten damit mehr als verdoppeln. Wer neben dem Beruf noch die Verantwortung für eine Familie hat, steht vor einem gewaltigen Problem.

Gern wirft die Bahn AG den Gewerkschaften vor, sie würden ihre Forderungen bei Streiks „auf dem Rücken der Reisenden" austragen, auch wenn es nur um Einhaltung des Mindestlohns und einen Inflationsausgleich geht. Sie selbst lässt mit ihrer Sparpolitik ihre treusten Kunden, die Berufspendler, in erheblich größerem Umfang im Stich.

Man stelle sich nur einmal vor, die A46 würde für sechs Wochen komplett gesperrt, nur um billiger bauen zu können, und als „Ersatzstrecke" würde der innerstädtische Weg über den Westring offeriert!

Die grüne Bundestagsabgeordnete Liebert winkt diese drastische Behinderung quasi durch mit dem sanften Appell an die Bahn, für einen akzeptablen „Ersatzverkehr" zu sorgen. Wie wenig dieser fromme Wunsch mit den realen Erfahrungen der Betroffenen zu tun hat, habe ich oben beschrieben.

Diese demonstrativ zur Schau gestellte Sabotage des öffentlichen Nahverkehrs macht jedem Berufspendler unmissverständlich klar: Aus rein wirtschaftlichen Gründen ist ein eigenes Auto unverzichtbar. Und wer diese Fixkosten ohnehin am Hals hat, für den ist ein Bahnticket kaum wirtschaftlich, auch wenn es „nur" 49 Euro kostet.

Martin Fritsch

● Leserbrief an die Wuppertaler Rundschau: redaktion@wuppertaler-rundschau.de
● Zu den Rundschau-Leserbriefen: hier klicken!

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort