Briefe von Leserinnen und Lesern „Nicht Luxus, sondern echte Lösung im Alltag“

Wuppertal · Betr.: Diskussion über E-Scooter in Wuppertal

Inzwischen gibt es drei kommerzielle Anbieter in Wuppertal.

Foto: Christoph Petersen

Man hat den Eindruck, den Wuppertalern reicht’s: Diese nervigen E-Scooter sollen ordentlich abgestellt werden, sonst sollen die Betreiber zahlen. Es gibt doch ein Gesetz! Aber die Stadt Wuppertal setzt es nicht durch – andere Städte schaffen das doch auch! Und Bußgelder für Fahrer gibt’s angeblich auch.

Ich lese das und denke: Was für eine unglaublich deutsche Diskussion! Vater Staat, bitte komm und hilf. Wir können das nicht alleine. Und wir erwarten das von einer Verwaltung, deren Antwort auf fast jedes Problem lautet: Kein Geld, kein Personal. Wo bleiben die Pässe für gut integrierte Mitbürger? Kein Personal. Warum gibt es keine Termine beim Einwohnermeldeamt oder der Kfz-Zulassung? Kein Personal.

Warum werden Brücken und Treppen nicht saniert? Kein Geld. Warum sind die Straßen so dreckig? Kein Geld, kein Personal. Warum wartet man beim Finanzamt fünf Monate auf seine Steuernummer? Keine Ahnung. Aber bei den E-Scootern soll plötzlich alles ganz einfach gehen?

Der Staat hat irgendwann beschlossen, Geld zu sparen, aber weiter fleißig Gesetze zu erlassen, über deren Durchsetzung keiner nachdenkt. Vielleicht ist das das Ergebnis, wenn lauter Juristen im Parlament sitzen. Wer weiß.

Dabei wäre es so einfach: Steht ein Roller im Weg? Schieb ihn beiseite. Liegt ein Roller auf der Straße? Heb ihn auf und geh weiter. Wer Zeit hat, ein Foto zu machen und sich in einem Leserbrief zu empören oder eine Petition gegen Roller zu starten, schafft das auch. Oder halt nicht. Und dann lebt man damit.

Denn es gibt auch die andere Hälfte der Wuppertaler, die die Roller nutzen. Ja, manche fahren auf Gehwegen. Aber die Straßen sind für Roller oft eine Zumutung: Asphalt, der sich über die Jahre durch Sonne und Verkehr in Wellen gelegt hat – Spurrillen in den Fahrbahnen, aufgequollene Streifen dazwischen.

Und wenn man absteigt und schiebt, läuft die Zeit trotzdem weiter – denn die Roller werden pro Minute abgerechnet, nicht pro gefahrenem Meter. Autofahrer überholen oft nicht, obwohl Platz wäre. Blinker werden übersehen. Und wenn man endlich einen Radweg erreicht, darf man Slalom fahren, weil irgendeine Baufirma ihre Schilder einfach mitten draufgestellt hat.

Ich selbst fahre fast täglich E-Scooter: Von der Kita zum Bahnhof, zum Meeting, zum Vortrag. Sechs Minuten Abenteuer und Anspannung statt 20 Minuten Fußmarsch – und ohne mich auf Busse verlassen zu müssen, die morgens wegen der vielen Schulkinder oft verspätet sind. Für mich ist der Roller nicht Luxus, sondern eine echte Lösung im Alltag.

Wer übrigens überhaupt kein Problem damit hat, Roller zu nutzen, obwohl er keine App hat: Jugendliche, die sie einfach rollen lassen. Autofahrer, die einen sauber abgestellten Roller auf den Gehweg stellen, um besser parken zu können. Ohne eine Armee von Ordnungshütern wird man das nie perfekt regeln können. Und die wäre teurer als alle Bußgelder zusammen.

Es bleiben nur zwei Möglichkeiten: Alles wieder abschaffen (bitte nicht!) oder einfach lernen, damit zu leben. So wie wir auch gelernt haben, dass Autos ständig irgendwo im Weg stehen – und sich trotzdem niemand aufregt.

Heiko Schnickmann

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