Wuppertaler Schauspiel: „Arsen und Spitzenhäubchen“ Gibt’s doch gar nicht! Doch, bei Brewsters!

Wuppertal · Welch ein Vergnügen! Mit furiosem Ensemble, schrägem Humor, hoher Geschwindigkeit und mächtig viel Spaß glänzt das Wuppertaler Schauspiel mit der ewig jungen Komödie „Arsen und Spitzenhäubchen“ im Opernhaus.

Herren als Damen – und wie! Thomas Braus (links) und Stefan Waltz als die Schwestern Martha und Abby Brewster in „Arsen und Spitzenhäubchen“ im Opernhaus.

Herren als Damen – und wie! Thomas Braus (links) und Stefan Waltz als die Schwestern Martha und Abby Brewster in „Arsen und Spitzenhäubchen“ im Opernhaus.

Foto: Björn Hickmann

Zweieinhalb Stunden lang, mit einer Pause, ist das, was Regisseur Roland Riebeling für Wuppertal aus der 40er-Jahre-Komödie von Joseph Kesselring gemacht hat. Auf einer wunderschön detailverliebten Oldschool-Bühne (Manfred Marczewski-Achilles), mit originellen „Original“-Kostümen (Silke Rekort) und immer mal wieder zauberhaften Musikeinspielungen.

Das Haus der ältlichen Brewster-Schwestern in Brooklyn, in dem sich der großartige Wahnwitz um zwölf Leichen im Keller, vergifteten Holunderwein, Liebe, geistige Verwirrtheit, bestens gemeinte, aber tödliche Menschenfreundlichkeit, ein schwarzes Schaf der Familie und weiß der Himmel was noch alles, abspielt: Man fühlt sich gleich dort heimisch. Und folgt fröhlich-fassungslos dem Panoptikum von eigenwilligen Typen und abenteuerlichen Ereignissen, die da mit Vollgas sowie ständigem Tür-auf-Tür-zu auf- und ablaufen.

Den Theater-Booster für diese verwirrende Giftmörderinnen-Geschichte, die immer wieder neue Bögen schlägt, zünden (natürlich) vor allem die Schwestern Brewster. In Wuppertal sind das – genialer Kunstgriff – zwei Männer: Thomas Braus und Stefan Waltz machen das klasse und räumen beim Publikum richtig ab. Wobei Stefan Waltz als Schwester Abby die Nase vorn hat. Warum? Wie soll man(n) es anders ausdrücken: Weil Waltz die bessere Frau ist. Siehe Mimik, Gestik, Exaktheit.

Dem Titelheldinnen-Duo hart auf den Fersen ist Kevin Wilke. Der junge Mann mit großem Komödianten-Potenzial ist gleich doppelt präsent: Als Brewster-Neffe Mortimer, Theaterkritiker wider Willen, zukünftiger Ehemann der schönen Nachbarstochter Elaine (mondän und köstlich aufgeregt: Julia Meier), unfreiwilliger Entdecker des finsteren Geheimnisses der Tanten – sowie als sein verwirrter Bruder Teddy, der sich für US-Präsident Teddy Roosevelt hält. Wie er diese Zweifach-Besetzung mit zwei komplett verschiedenen Gesichtern meistert: Hut ab!

Das gilt auch für Alexander Peiler, der gleich vier Hüte aufhat. Den besten als Brewster-Neffe Nr. 3 – Jonathan, verkorkster Spross der Sippe. Gangster mit eigener Leiche im Kofferraum und mehrfach zwecks Täuschung der Polizei umoperiertem Frankenstein-Gesicht. Verbrochen hat dieses Antlitz der halbseidene Chirurg Dr. Einstein (nicht Albert!): Den gibt eine köstliche Silvia Munzón López als trottelig-trunksüchtiges Unterwelt-Abziehbild.

Als Neffe Jonathan und Dr. Einstein das Haus der Brewster-Schwestern entern, scheint es fast so, als wandele sich die Komödie zum „echten“ Krimi. Aber dann gehen wieder ein Haufen Türen auf und zu, wird treppauf, treppab gerannt, dreht sich der Wind – und schwupp, sind wir wieder im verrückten Verwirrspiel. Lösung aller „Probleme“ sozusagen inklusive. Kaum, dass man es sich versieht.

Von den zahllosen Rollenwechseln hinter der Bühne, die teilweise innerhalb nur weniger Minuten vor sich gehen müssen, merkt im Zuschauerraum niemand etwas. Da herrscht beste Stimmung. Und dass trotz aller Leichen im Keller, in der Truhe, im Kofferraum nicht ein einziges Mal jemand live zu Tode kommt – das merkt man erst ganz zum offenen Schluss.

Dann übrigens gab’s für diesen ausgezeichneten Unterhaltungsabend großen Premierenapplaus fürs Wuppertaler Schauspiel. Was denn auch sonst?

Nochmals am 11. November sowie am 2., 3., 10 und zweimal (16.30 und 20.30 Uhr) zu Silvester, 31. Dezember 2023. Weitere Termine im Jahr 2024 bis Juli.