Kommentar zu den Warteschlangen vor dem „Haus der Integration“ Unwürdiger Anblick, unwürdige Situation
Ein Ausländeramt, wenn es auch zeitgemäß und wohlklingend „Haus der Integration“ heißt, ist sicher nirgendwo auf der Welt eine Wohlfühl-Zone. An solchen Orten geht es um meist schwierige Schicksale, komplexe Rechtslagen, viel Papierkram.
Trotzdem – oder gerade deswegen: Der schon seit einiger Zeit „normal“ gewordene Anblick zweier, sich nach links und rechts erstreckender Menschenschlangen vor der Tür des Wuppertaler „Hauses der Integration“ an der Friedrich-Engels-Allee 28 gegenüber der Gerichtsinsel ist unwürdig. Und er verweist auf eine unwürdige Situation.
Man erinnere sich an den stadtweiten Aufschrei, als es solche Schlangen vor dem Einwohnermeldeamt am Barmer Steinweg gab. Die Prügel, die die Stadtverwaltung hier „von draußen“ bezog, waren flächendeckend, laut – und natürlich verdient. Bei Ausländermenschenschlangen bleibt der Aufschrei aus. Da fehlt die Lobby.
Ein Lagebericht aus der Flüchtlingsberatung der Wuppertaler Diakonie, der Anfang Juli auf www.evengelisch-in-wuppertal.de veröffentlicht wurde, legt den Finger in die Wunde, erreicht aber (leider) kein Massenpublikum. Der Bericht beginnt so: „Seit der Pandemie ist es kaum möglich, mit den Ausländerbehörden in Kontakt zu treten. Flüchtlingsberater:innen der Diakonie Wuppertal schlagen Alarm. Betroffene können keine Termine vereinbaren − mit gravierenden Folgen.“
Und Andreas Wohland, Beigeordneter im Städte- und Gemeindebund NRW, wird so zitiert, dass er davon ausgehe, dass sich die Situation durch digitale Abläufe nur bedingt verbessern lasse: „Die Einsparpotenziale sind nicht so groß wie etwa im Melde- oder Passwesen. In den Ausländerbehörden können wir nicht auf persönliche Kontakte verzichten.“
Genau da liegt der Hase im (Wuppertaler) Pfeffer. Das zuständige Ressort Integration und Zuwanderung hat zu wenig Personal. Warum ist das so? Weil über viele Jahre das Einsparen von Personal – und das Verbot, wegen Haushaltsdiktat Mitarbeiter auszubilden – zur von vielen Seiten mit großem Applaus bedachten Strategie der Finanzstärkung „klammer“ Städte gehört hat – und oft noch immer gehört.
Wenn das dann auf die Knochen aller Leute – wie in Sachen Einwohnermelde- oder Straßenverkehrsamt – geht, ist das Geschrei groß. Sind aber Menschen aus anderen Ländern betroffen, die bei uns leben und arbeiten möchten, hört man nur ein leises Wispern im (Blätter-)Wald. Von denen, die im Ressort mit weniger Personal viel mehr Arbeit machen müssen, einmal ganz zu schweigen.
Nun sind, so sagte Integrationsdezernent Stefan Kühn der Rundschau, endlich 20 zusätzliche Stellen bewilligt. Das ist eine gute Nachricht. Integrationsressortleiter Jürgen Lemmer hatte noch im Januar im Rundschau-Interview von elf zusätzlichen Stellen gesprochen, die seinerzeit im Haushaltsentwurf standen. Nachzulesen auf www.wuppertaler-rundschau.de, Suchbegriff „Jürgen Lemmer“.
Außerdem läuft gerade die Digitalisierung der aufwändigen Ausländerakten, von der man sich in der Verwaltung viel Beschleunigung der Vorgänge verspricht. Ebenfalls vom vermehrten Verschicken von Terminen & Co. (inklusive einfacher, digitaler Übersetzungshilfen) direkt auf die Smartphones der Menschen, die Anliegen haben. Trotzdem: Schlangen von wartenden Menschen vor einem Amt, das für die Betreuung dieser Menschen zuständig ist, sind und bleiben ein unwürdiger Zustand.
Das ähnliche Problem bei Einwohnermelde- und Straßenverkehrsamt wurde vergleichsweise schnell und nach wie vor mehrheitlich erfolgreich in den Griff bekommen. Das muss auch beim ja schließlich im Inneren mit modernen Wartebereichen, von denen andere publikumsintensive Ämter nur träumen können, ausgestatteten „Haus der Integration“ gelingen. Und mehr Personal, das schnell einsatzfähig ist, muss her.
Digitalisierung löst viele Probleme, aber nicht alle. Wenn es um echte Menschen mit komplexen Anliegen geht, müssen genug echte Menschen an den Schaltern und Schreibtischen sitzen.