Kommentar zum Verkauf der Lutherkirche „Häutung“ – bis wohin?

Wuppertal · Der beschlossene Verkauf der Lutherkirche auf dem Heidt in Heckinghausen ist nach dem Kolk nun schon der zweite Fall der Veräußerung eines prominenten Gotteshauses, mit dem die evangelische Kirche in Wuppertal innerhalb kurzer Zeit von sich reden macht.

Die Lutherkirche in Heckinghausen-Heidt.

Die Lutherkirche in Heckinghausen-Heidt.

Foto: Timo Platte

Die Gründe sind in beiden Fällen dieselben. Die kirchlichen Mitgliederzahlen sinken stärker als das prognostiziert worden ist. 78.300 Wuppertaler Gemeindemitglieder gibt es zurzeit, die Vorausberechnung für das Jahr 2030 geht von noch 60.000 aus. Bei einer Kirchenkreis-Pressekonferenz am Donnerstag vergangener Woche, bei der das Gebäude-Thema und vieles mehr auf der Tagesordnung stand, nannte Pfarrer Joachim Hall die Zahlen für „seine“ Gemeinde Elberfeld-Nord, zu der auch der Kolk gehört: 10.000 Mitglieder hatte sie im Jahr 2016, von noch 6.000 für 2030 wird ausgegangen. Elberfeld-Nord ist die größte evangelische Gemeinde Wuppertals. Gemarke-Wupperfeld, zu der die Lutherkirche gehört, ist die zweitgrößte.

Superintendentin Ilka Federschmidt sagte dazu: „Ein großer Teil der Menschen hat den Zugang zur Religiosität verloren. Die Kirche muss sich darum völlig neu finden beziehungsweise erfinden.“ Sie sprach von einer „notwendigen Häutung“ sowie von einem „himmlischen Wink mit dem Zaunpfahl“.

Bei diesem „Zaunpfahl-Wink“ geraten jetzt immer stärker die Gebäude, sprich: die Kirchen – in den Blick, denn sie sind enorme Energiefresser. Und angesichts ihrer stellt sich die Kirche (gezwungenermaßen) die Frage, ob – wenn das Geld knapper wird – eher in Gebäude oder doch lieber in Menschen investiert werden soll. Die Antwort liegt am Kolk und auf dem Heidt auf dem Tisch. Weitere werden folgen. Davon kann ausgegangen werden.

Wuppertal hat – weil es eine lang getrennte reformierte und lutherische Geschichte gibt – sehr viele evangelische Kirchen: Aktuell sind es 29, von denen 16 unter Denkmalschutz stehen. Aufgegeben wurden in der Vergangenheit bereits einige: Die Arrenberger Trinitatis-Kirche wurde beispielsweise zur Orgelwerkstatt, die Unterbarmer Bonhoeffer-Kirche oder die Langerfelder Kreuzkirche zu Wohnräumen.

Was man daran sieht: Wenn es nötig ist, geht es. Und es geht auch gut. „Unwürdige“ Neunutzungen übrigens wird es nicht geben. Dagegen stehen für den Fall einer Gotteshaus-Entwidmung die „Kirchenfeindlichkeitsklausel“ – und ein öffentliches Bieterverfahren.

Superintendentin Ilka Federschmidt nannte für die Zukunft den „neuen Weg“, der zur Quelle zurückführen müsse. Gemeint ist: weniger Gebäude, dafür Konzentration auf engagierte Menschen – und auf multifunktionale Anlaufstellen für alle Generationen und Bedürfnisse.

Zum Thema wurde beim Pressegespräch übrigens auch, sowohl mit Blick auf den Kolk als auch auf die Lutherkirche, eine Frage, die in manchem Leserbrief gestellt wird: Warum ist das Gebäude vorher mit Millionen Euro Aufwand grundsaniert worden? Die Antwort: Weil es für alle Gebäudeeigentümer eine sogenannte Verkehrssicherungspflicht gibt. Und weil hier konkret von den Türmen beider Kirchen durch herabstürzende Steine Gefahr ausging. Die Sanierungen beider Bauwerke waren also unvermeidbar. Und ein Verkaufsversuch ohne Sanierung natürlich aussichtslos ...

Eines allerdings finde ich jenseits aller nachvollziehbaren Überlegungen zum Thema Zahlen & Co. ganz wichtig: Kirchen sind weithin sichtbare Symbole – religiöse, historische, stadtgestalterische. Und zwar nicht nur früher, sondern auch heute und in Zukunft.

„Häutung“ hin oder her: Der evangelische Kirchenkreis muss gut aufpassen, dass er sich bei diesem Prozess nicht auch noch das Fleisch von den Knochen schält.

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