1. Top Magazin

Top Magazin: Wo Polke, Beuys und Brock ein- und ausgingen ...

Top Magazin : Wo Polke, Beuys und Brock ein- und ausgingen ...

Was bedeutet es für eine Bildhauerin, in einer ehemaligen Galerie zu leben, in der Kunstgeschichte geschrieben wurde? In Räumen, in denen Joseph Beys und Gerhard Richter einst ein- und ausgingen? Das Briller Viertel in Wuppertal ist nicht allein durch seine rund 250 denkmalgeschützten Gründerzeitvillen bekannt.

Auch eine Kunstrichtung lässt sich hier verorten — die Fluxus-Bewegung.

In den 1960er Jahren befand sich in der Moltkestraße die legendäre Galerie Parnass, in der im Juni 1965 ein letztes großes Fluxus-Happening stattfand. Fluxus zu definieren ist schwierig. Man kann es so umschreiben, dass ein Kunstwerk nicht real sein muss, sondern auch aus einem Konzept oder einer Aktion bestehen kann.

Bereits 1961 zog der Galerist und Architekt Rolf Jährling in die Jugendstil-Villa in der Moltkestraße und baute sie zu einem bedeutenden Treffpunkt für Künstler, Studenten, Sammler, Galeristen und Museumsleute aus. Die Künstler, die in der Galerie zu Gast waren, lesen sich heute wie das "Who is Who" der modernen Kunst: Gerhard Richter, Joseph Beuys, Bazon Brock, Sigmar Polke und der Video-Künstler Nam June Paik, um nur einige zu nennen. Gerhard Richter und Sigmar Polke sollen ihre Bilder sogar vor dem Haus abgeladen und stehen gelassen haben. In der Hoffnung, dass sie dort ausgestellt werden. Damals, als sie noch Kunststudenten waren…

 Typisch Briller Viertel: So sieht er heute aus, der Weg zur früheren Galerie Parnass.
Typisch Briller Viertel: So sieht er heute aus, der Weg zur früheren Galerie Parnass. Foto: Björn Ueberholz
  • Top Magazin : Was ist an Wuppertal top, Catriona Morison?
  • Die Wuppertaler Sängerin Claudia Naujock : Ein kräftiger Hauch von Marlene
  • Fotokalender aus Wuppertal : Dieser eigenartige Hundeblick

Mehr als 50 Jahre ist das jetzt her. Doch Kunst spielt immer noch eine bedeutende Rolle im Erdgeschoss der einstigen Galerie Parnass. Seit 30 Jahren lebt die Bildhauerin Beate Schroedl-Baurmeister hier. Bekannt geworden ist sie durch ihre Skulptur "Schwung", die den Preisträgern des Wuppertaler Wirtschaftspreises seit 2003 als Auszeichnung überreicht wird. Und aktuell sorgt ihr Entwurf einer 15 Meter hohen Edelstahl-Skulptur "Momentum" für den Döppersberg für Gesprächsstoff.

Eines gibt Beate Schroedl-Baurmeister gerne zu — dass die Künstler sie sehr beeindruckt haben, die einst in der Galerie Parnass verkehrten. Sie signalisiert aber auch: Die Fluxus-Bewegung habe sie nicht beeinflusst. Daran lässt die eigenständige Formensprache ihrer Werke auch keinen Zweifel.

Aus sechs in unterschiedliche Richtungen weisende Bögen besteht die Skulptur "Momentum". Sie sei unterlegt mit einer Geschichte, erzählt Beate Schroedl-Baurmeister: Die Bögen erinnern an Bambushalme oder Gräser, die sich nach einem Sturm wieder aufrichten. In einer zweiten Sinnschicht aber dienen sie als Metapher für Menschen, die nach einer Niederlage wieder aufstehen. Dabei fühlt sie sich an ein chinesisches Sprichwort erinnert: "Der Wind beugt die Gräser, aber er bricht sie nicht", lautet es.

Aufgewachsen in Bamberg, studierte Beate Schroedl-Baurmeister Bildhauerei in Stuttgart und Berlin. Schon während ihres Studiums hat sie ihre Vorliebe für Stahl entdeckt und sich mit dem Einzug in ihr Wuppertaler Atelier für Edelstahl entschieden. Das hatte zunächst rein technische Gründe: "Wenn man mit mehreren Materialien arbeitet, vermischen sich die Stäube mit dem Edelstahl und lassen dessen Oberfläche unschön korrodieren. Das wollte ich verhindern", erläutert sie ihre Konzentration auf den Edelstahl. "Er ist zwar widerspenstig. Aber er erlaubt eine unendliche Vielfalt beim Bearbeiten der Oberflächen und korrespondiert mit meiner abstrakten Formensprache. Weil er das Licht reflektiert, wirkt der Edelstahl zugleich leicht und immateriell."

Weniger bekannt ist, dass die Bildhauerin früher auch andere Materialien verwendete. Zu Beginn ihrer künstlerischen Arbeit stand die menschliche Figur im Mittelpunkt, die sie überwiegend in Gips und Keramik geformt hat. Später wurde ihre Formensprache zunehmend reduzierter. Sie interpretiert den menschlichen Körper durch Linien und Bögen, und sie konzentriert sich dabei auf Aspekte der Bewegung. Wohl nicht ganz zufällig scheint auch die Skulptur "Momentum" in Bewegung zu sein. "Alles begann, als ich die Tanzbewegungen von Pina Bausch beobachtet habe", erinnert sich die Bildhauerin. "Es sind ihre Choreographien gewesen, die mich inspirierten."

Beate Schroedl-Baurmeister entwickelte Werkreihen und Installationen zu Motiven aus der Natur. Seit einigen Jahren bindet sie ihre Skulpturen in den städtischen Raum ein. In diesen Kontext fügt sich auch die Großskulptur "Momentum" ein. Der Begriff Momentum bedeutet Impuls und Bewegung. "Das sind Eigenschaften, die ich mit der Stadt Wuppertal verbinde. Die sechs Bögen signalisieren den Schwung, der von der ehemaligen Textilmetropole ausgeht", so die Bildhauerin.

Wird die Skulptur auf dem Döppersberg installiert, sollen die sechs Bögen die sechs Wuppertaler Stadtteile symbolisieren und von der Stadtgeschichte berichten: Von den sechs Kleinstädten, aus denen Wuppertal 1929 hervorging, und die sich lange skeptisch beäugt haben. Und davon, dass der Döppersberg heute für die gewachsene Einheit Wuppertals steht.

Dabei hat die Künstlerin eine Vision: "Ich stelle mir vor, dass jeder Bogen einem Regenbogen gleich wieder in einem der sechs Stadtteile endet."