Lili Körbers Roman „Abschied von gestern“ ist ein literarischer Schatz, der erst jetzt ans Licht kommt. Die Autorin, die zu den eindrucksvollsten Stimmen der deutschsprachigen Exilliteratur gehört, schrieb das Buch im New Yorker Exil auf Englisch – autobiografisch inspiriert von ihrer eigenen Flucht vor den Nationalsozialisten.
Im Mittelpunkt stehen Genia und Robert Schicht, ein Wiener Ehepaar, das 1941 mittellos in ein Haus voller deutschsprachiger Emigrantinnen und Emigranten zieht. Souverän und präzise im Ton, schildert die Autorin Vertreibung, Abschied und Neuanfang. Eine beeindruckende und spannungsreiche Zeitreise, die von der literarischen Meisterschaft Lili Körbers zeugt.
Stimmen gegen das Vergessen
Bei der Lesung in der Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal liest Schauspielerin Katja Heinrich aus dem bislang unveröffentlichten Roman. Er entstand vermutlich in den frühen 1940er Jahren und wurde erst Jahrzehnte später in Archiven wiederentdeckt und ins Deutsche übertragen.
Begleitet wird die Schauspielerin von dem Herausgeber und Verleger Peter Graf, der über die Entstehung und die Wiederentdeckung des Werkes spricht. Gemeinsam zeichnen sie das Porträt einer Frau, deren Lebensweg exemplarisch für viele vertriebene Künstlerinnen und Künstler des 20. Jahrhunderts steht.
Lili Körber – eine vergessene Stimme der Exilliteratur
Lili Körber wurde 1897 in Moskau als Tochter eines österreichischen Kaufmanns und einer polnischen Mutter geboren. Nach ihrem Studium der Literaturwissenschaft in Wien und Frankfurt promovierte sie über Franz Werfel und arbeitete in Wien als freie Schriftstellerin. Ihre frühen Werke, darunter sozialkritische Romane und Reportagen, machten sie zu einer beachteten Autorin.
Als ihr bekanntestes Werk gilt das Buch „Eine Frau erlebt den roten Alltag“, in dem sie nach einer Reise in die Sowjetunion 1932 den Alltag der Arbeiterinnen und Arbeiter aus einer weiblichen Perspektive schildert. Das Buch wurde von den Nationalsozialisten verboten und verbrannt.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 floh sie mit ihrem Mann in die Schweiz, später nach Paris und schließlich – mit Hilfe des Emergency Rescue Committees – über Marseille, Madrid und Lissabon in die USA. In New York musste sie sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlagen, blieb aber ihrer literarischen Arbeit treu.