Die Ohligser Straße in Vohwinkel scheint eine Familienidylle zu sein. Backsteinhaus an Backsteinhaus reiht sich entlang der Straße, die den Hang hinaufgeht. Kleine Wege führen zu weiteren Flachdachbauten mit einem Balkon in Richtung Tal. Man könnte fast sagen, dass sich hier Fuchs und Hase „gute Nacht“ sagen, doch aktuell trügt der Eindruck.
Denn in der Straße kämpfen zwei Anwohnerhaushalte einen erbitterten Streit mit der Stadt um ihre Parkplätze aus. Das Groteske daran: Sie sind nicht die Einzigen im Viertel, die ihre Autos vor der Haustür parken – doch nur gegen sie wird rechtlich vorgegangen.
Und als wäre das nicht schon absurd genug, erhielt eine der beiden Parteien vor elf Jahren eine Genehmigung für den Umbau. 2021 kam plötzlich Post: Das Bauressort warf ihnen vor, einen illegalen Schwarzbau errichtet zu haben.
Von Anfang an: 2013 ziehen Fotograf Taro Kataoka und seine Frau Sabine mit ihren Kindern in das zweigeschossige Reihenhaus. Weil die Eheleute arbeiten und zwei Autos unterhalten, wollen sie nach dem Einzug, wie bereits Nachbarn in den umliegenden Häusern, ihren Vorgarten als Stellplatz nutzen, um die ewige Parkplatzsuche zu beenden.
An Sommertagen herrscht häufig Chaos im Viertel, weil Besucher der zwei naheliegenden Kleingärtnervereine ebenfalls ihre Autos in der Straße parken. Deshalb stellen die Kataokas Anfang 2014 bei der Stadtverwaltung einen Antrag: „Wir möchten aus unserem Vorgarten zwei Stellplätze für Fahrzeuge machen lassen.“ Dazu hätten sie gerne eine Bordsteinabsenkung. Das Ressort Straßen und Verkehr schickt anschließend eine Genehmigung. Durch den Umbau kann Taro Kataoka seine Fotografie-Ausrüstung ins Auto packen, ohne weit zu laufen. Ende gut, alles gut? Mitnichten.
Die Misere beginnt 2020, als die Nachbarsfamilie im Haus 20 ebenfalls ihren Vorgarten umsatteln will. Mohammed Yassine und Zeinab Chreim beantragen eine Bordsteinabsenkung und erhalten eine böse Überraschung als Antwort. Der Antrag wird abgelehnt. Der Grund ist ein vergilbtes Dokument aus dem Jahr 1962: Im Bebauungsplan steht, dass die Flächen als „nicht überbaubare Grundstücksfläche“ gelten. Man empfehle, Rasen oder Ziersträucher anzulegen.
Der Disponent in der Automobilbranche und die medizinische Fachangestellte verstehen die Welt nicht mehr. Bordsteinabsenkungen gibt es zwar nur bei den Nachbarn und zwei Häusern in der Nebenstraße, doch in 18 Vorgärten befinden sich Stellplätze. Das Paar baut deshalb trotzdem und verklagt die Stadt auf Ungleichbehandlung.
Prompt folgt ein Brief an Familie Kataoka, dass deren Vorgarten wieder grün werden muss. Nach einer Ortsbesichtigung habe das Bauamt festgestellt, dass die Fläche „baurechtlich materiell illegal“ errichtet worden ist. Sich vom Bebauungsplan zu befreien, geht laut Behörde nicht, weil dadurch die „Grundzüge der Planung“ berührt würden.
Zudem darf nur der Rat der Stadt einen Bebauungsplan ändern, das Verfahren kann über ein Jahr dauern und gilt als komplex. Hinter vorgehaltener Hand hätte ein Ratsmitglied mitgeteilt, dass eine Änderung des Bebauungsplans für die Anwohner unrealistisch sein dürfte, erklärt Kataoka. Die Stadt plant seit Jahren, Parkplätze zu entsiegeln. Die Vorhaben sorgen bei einigen Anwohnern mit Auto für Unverständnis.
„Wir geben nicht auf“, sagt Taro Kataoka, „wir fühlen uns ungleich behandelt.“ Die Parkplatzsituation sei schwieriger geworden, deshalb habe man nicht vor, auf die Stellplätze vor dem Haus zu verzichten. Jüngst hat die Stadt Parkverbotsschilder im oberen Abschnitt der Ohligser Straße aufgestellt. Beim Ortsbesuch der Rundschau zeigt sich jedoch, dass sich zahlreiche Autofahrer offenbar nicht an die neue Vorschrift halten.
„Es ist mitunter gefährlich, hier zu fahren, wenn so viel zugeparkt wird“, sagt Zeinab Chreim. Der 32-Jährigen passiert es häufig, dass sie an Kreuzungen den Verkehr nicht vollständig einsehen kann, um abzubiegen. „Mich ärgert es, dass die Stadt uns dann noch die Parkplätze vor der Haustür wegnehmen möchte, dadurch würden noch mehr Autos an der Straße parken“, sagt sie.
Warum die Stadt nur zwei von 18 Haushalten mit Stellplatz zum Umbau bittet und wie es passieren konnte, dass 2014 der Parkplatz von Familie Kataoka genehmigt und sieben Jahre später ein Verfahren gegen diesen eingeleitet wurde, wollte die Rundschau von der entsprechenden Behörde wissen. Die Antwort blieb bis Redaktionsschluss aus.