Mit der Faust in der Tasche zur Demonstration und Gegendemonstration, mit Wut im Bauch in den sozialen Medien kommentieren: Die Stimmung in Deutschland ist aufgeheizt, besonders vor der Bundestagswahl. „Wir erleben eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft, die sich vor allem darin zeigt, dass jeder und jeder in der eigenen Blase lebt und keinen Kontakt zu denjenigen hat, die politisch anders denken“, beobachtet Ulrich Wegemann.
„Auf Demonstrationen zusammenzukommen und dort auch als Kirche präsent zu sein, halte ich für richtig“, betont der Presbyter in der Gemeinde Vohwinkel. „Aber ich frage mich auch, was wir als Kirche dazu beitragen können, damit Menschen wieder ins Gespräch miteinander kommen“. Denn der Dialog mit Menschen, die unterschiedliche Meinungen vertreten, komme derzeit zu kurz.
Dialog statt Konflikt
Diesen Dialog möchte Ulrich Wegemann jetzt mit seiner Gemeinde in einer neuen Gesprächsreihe anstoßen. Sie trägt den schlichten Titel „Lasst uns reden“ und startet am Donnerstag (13. Februar) unter dem Motto „Wer die Faust ballt, kann nicht die Hand reichen“, ein Satz der ersten und einzigen Ministerpräsidentin Indiens, Indira Ghandi.
Um Konfliktbewältigung wird es gehen und darum, Verbindendes und Stärkendes zu entdecken, wie Diakonie Matthias Sempfle betont. „Wenn wir zusammenleben wollen, führt kein Weg daran vorbei, mit Konflikten konstruktiv umzugehen und einander die Hand zum Dialog zu reichen“, sagt er.
Von Streitschlichtern lernen
Wie das möglich ist, soll in der ersten Veranstaltung mit Wuppertaler Gästen konkret werden, die aus verschiedenen Perspektiven vom Umgang mit Konflikten erzählen: aus der Gefängnisseelsorge, dem Breitensport (VSTV), dem Engagement gegen häusliche Gewalt und als Streitschlichter an der Vohwinkeler Realschule. Danach sollen die Teilnehmenden der Veranstaltung in einen Austausch über eigene Erfahrungen kommen.
Eingeladen sind alle, die in Vohwinkel leben und sich über die politische und soziale Gestaltung ihres Stadtteils, aber auch der deutschen Gesellschaft insgesamt Gedanken machen. „Auch Jugendliche sind willkommen“, erklärt Jolie Drekovis, die seit Oktober 2024 ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Gemeinde macht und die Reihe gemeinsam mit den Presbytern Ulrich Wegemann, Detlef Sommer, Babette Pfeffer und Diakon Matthias Stempfle vorbereitet.
Sorge um die Demokratie
Sie beobachtet in ihrem Freundeskreis, dass die Sorge junger Menschen vor Krieg, Klimakatastrophen und einer Zukunft, in der die Demokratie und politische Ordnung auseinanderbricht, groß ist. „Wir reden viel darüber, aber meist nur in unserer Gruppe. Die neue Gesprächsreihe ist eine gute Gelegenheit, das zu ändern.“
Diakon Matthias Stempfle begegnet immer öfter Menschen, bei denen das Gefühl der Ratlosigkeit und Anspannung zur geballten Faust führt. „Aber wir brauchen Kompromissfähigkeit, um zu Lösungen zu kommen. Das bedeutet Demokratie, und das gilt für uns alle.“