Aus unserem FUCHS-Magazin Zwischen Knochen, alten Büchern und der Wissenschaft

Wuppertal · Seit 1. Juni 2019 leitet die 29-jährige Wuppertalerin Melody Stach die Schulhistorische Sammlung der Stadt Wuppertal, beheimatet in Vohwinkel. Für die historischen Artefakte hat sie große Pläne, deren Verwirklichung durch die Corona-Pandemie ein bisschen nach hinten verschoben sein könnten.

 Melody Stach leitet seit ungefähr einem Jahr die Schulhistorische Sammlung in Vohwinkel.

Melody Stach leitet seit ungefähr einem Jahr die Schulhistorische Sammlung in Vohwinkel.

Foto: Max Höllwarth

Mit ihrem barocken Kleidungsstil, an den filigranen Fingern Ringe mit großen Steinen und die Haare kunstvoll hochgesteckt, fügt Melody Stach sich hervorragend in ihre Umgebung ein. Lässig lehnt die 29-Jährige am erhöhten Lehrerpult, lässt den Blick über historische Unterrichtsmaterialien und Schulbänke schweifen und bleibt an den drei Rohrstöcken hängen, die neben der Tafel an der Wand lehnen. „Die Mädchen bekamen früher auf die Finger, die Jungs mit dem Stock auf den Po“, erklärt die Wuppertalerin, und ergänzt mit einem Blick auf die Blechtafel mit der Aufschrift: Morgen Milchgeld nicht vergessen: „Ich habe in der Grundschule immer Kakao getrunken.“

Am 1. Juni 2019 hat Melody Stach die Leitung der Schulhistorischen Sammlung in Wuppertal übernommen, beheimatet in Nebengebäuden der Ulle-Hees-Förderschule in Vohwinkel. „Jede Art von Geschichte ist Identität“, erklärt die 29-Jährige ihr „Leidenschaftsprojekt“, das sie „völlig wahnsinnig“ im vergangenen Sommer als Ehrenamt übernommen hat. Nachdem die Stadt sich mit der ehemaligen Leitung nicht mehr einig wurde, sprang Melody Stach ein – in erster Linie aus Angst davor, dass die auf drei Etagen lagernden, historischen Schätze im Container landen. Die Nachbildung eines Klassenzimmers, Schulbücher aus der NS-Zeit, Karten, Diaprojektoren, Modelle - und unzählige Vitrinenschränke gefüllt mit von Würmern zerfressen, ausgestopften Tieren – die Schulhistorische Sammlung wurde zuletzt nur noch auf Anfrage für Schulklassen geöffnet. Aber Melody Stach verfolgt große Pläne.

 Einblick in die Sammlung: Ein Modell der Sonne und der Erde.

Einblick in die Sammlung: Ein Modell der Sonne und der Erde.

Foto: Max Höllwarth

„Zuerst einmal müssen wir inventarisieren und sichten, was wir alles haben und was wir aussortieren müssen.“ Sobald sie einen Überblick über den Bestand hat, möchte sie die Sammlung zum Museum umwandeln, mit geregelten Öffnungszeiten, mit Führungen sowohl für Schulklassen als auch für Erwachsene und mit einem vielseitigen Veranstaltungsangebot. Bis es so weit ist, gibt es noch Einiges zu tun. Für Melody Stach und ihre drei ehrenamtlichen Mitstreiter fühlt sich die Sichtung des Sammlungs-Bestands fast ein bisschen an wie eine Schatzsuche, bei der sie hin und wieder auf ungewollte Überraschungen stoßen: Dass Biologie-Skelette früher aus echten Knochen bestanden, ist nicht weiter ungewöhnlich. Die menschlichen Knochen und Schädel aber, die die 29-Jährige in verstaubten Kisten tief im Schrank vergraben gefunden hat, sind es schon. „Wir können die drei Schädel, die Bein- und Hüftknochen nicht zuordnen. Also mussten wir die Polizei und das Ordnungsamt verständigen.“ Menschliche Knochen ohne Wissen über die Herkunft auszustellen, wäre schließlich unwissenschaftlich.

Und Melody Stach möchte die Neukonzipierung der Sammlung streng nach den Regeln der Wissenschaft angehen. Aktuell studiert die 29-Jährige im Master in Bonn Archäologie. Ein Bisschen versteht sie also etwas von historischen Gebeinen. Ihre Einschätzung: „Das ist ein interessanter Fund, aber ich möchte nicht zu viel verraten. Wenn sich mein Verdacht bestätigt, wäre das eine kleine Sensation.“

 Melody Stach mit einer historischen Pflanzenkarte aus der schulhistorischen Sammlung in Vohwinkel.

Melody Stach mit einer historischen Pflanzenkarte aus der schulhistorischen Sammlung in Vohwinkel.

Foto: Max Höllwarth

Angelegt wurde die Schulhistorische Sammlung in den 70ern und 80ern. Über die Jahre haben sich so viele Stücke aus längst vergangenen Schulzeiten angesammelt, dass die 29-Jährige überzeugt ist, mit dem Material nicht nur eine, sondern gleich acht Ausstellungen konzipieren zu können. Finanziell wird die Sammlung über die Stadt getragen. Vor kurzem haben Melody Stach und ihre Mitstreiter einen Förderverein gegründet.

Bevor die junge Wuppertalerin im letzten Sommer die Entscheidung traf, eben Studium und Beruf ehrenamtlich die Verantwortung für ein Stück (Wuppertaler) Geschichte zu übernehmen, hat sie die Idee ein paar Nächte in ihrem Kopf hin und her gewälzt. Neugier und die Angst, dass dieses Stück Wuppertaler Identität sonst verloren gehen könnte, obsiegten schließlich ihre Zweifel. Auf die Frage, was bei der Realisierung ihrer großen Pläne alles schief gehen kann, hat Melody Stach ohne lange zu zögern eine Antwort mit historischem Bezug parat: „Alexander der Große hat sein Reich nur auf einer Person begründet. Als er starb, fiel alles auseinander. Das möchte ich nicht.“

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