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Bergische Uni: Studie zu Gewalterfahrungen im Sport ​

Bergische Uni Wuppertal : Studie zu Gewalterfahrungen im Sport

Mit über 4.300 befragten Vereinsmitgliedern und rund 300 beteiligten Sportverbänden stellt die „SicherImSport“-Studie die bislang größte Studie zu Gewalterfahrungen im organisierten Sport in Deutschland dar. Erste Ergebnisse wurden bereits im Herbst 2021 veröffentlicht. Nun legte der Forschungsverbund der Deutschen Sporthochschule Köln, des Universitätsklinikums Ulm und der Bergischen Universität Wuppertal bei einer Fachtagung im Deutschen Sport & Olympia Museum in Köln den Abschlussbericht vor.

Die Studie zeigt, dass Gewalterfahrungen im Sport keine Einzelfälle sind. Psychische Gewalt, in Form von Erniedrigungen, Bedrohungen oder Beschimpfungen, wurde am häufigsten von den befragten Vereinsmitgliedern angegeben – 63 Prozent der Befragten berichten, dies bereits im Kontext des Vereinssports mindestens einmal erlebt zu haben, meistens häufiger.

Zudem gab ein Viertel der Befragten an, sexualisierte Belästigungen oder Grenzverletzungen ohne Körperkontakt im Vereinssport erlebt zu haben. Ein Fünftel der befragten Vereinsmitglieder berichtete gar von sexualisierter Gewalt mit Körperkontakt (z.B. in Form von unerwünschten sexuellen Berührungen oder sexuellen Übergriffen).

Jedoch: Auch wenn Vereinsmitglieder angeben, solche negativen und missbräuchlichen Erfahrungen im Kontext des Vereins gemacht zu haben, geben neun von zehn betroffenen Personen an, allgemein gute bis sehr gute Erfahrungen mit dem Vereinssport zu haben. Die generelle Beurteilung des Vereinssports fällt somit auch beim Vorliegen von Belästigungs- oder Gewalterfahrungen überwiegend positiv aus.

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Zudem zeigt die Studie, dass die betroffenen Vereinsmitglieder auch außerhalb des Sports in ähnlichem Ausmaß Gewalt erleben; sexualisierte Grenzverletzungen, Belästigung und Gewalt mit und ohne Körperkontakt werden sogar außerhalb des Sportkontextes häufiger als innerhalb des Sportkontextes von den Vereinsmitgliedern erlebt. Die Studie belegt somit, dass interpersonelle und sexualisierte Gewalt gesamtgesellschaftliche Probleme darstellen, die auch den Sport betreffen.

„Kein Verein kann sich darauf berufen, dass es sich um Einzelfälle handelt“

Dr. Marc Allroggen vom Universitätsklinikum Ulm zieht das Fazit: „Mit dem Vorliegen der Befunde wird sich kein Verein darauf berufen können, dass es sich um Einzelfälle handelt und nur wenige Vereine betroffen sind.“ Zudem zeigen die Daten, dass es sich nicht überwiegend um „vergangene Fälle“ handelt. Im Gegenteil: Jüngere Personen (bis 30 Jahre alt) berichten in der Befragung deutlich häufiger von Gewalterfahrungen im Sportverein als ältere Mitglieder (über 30 Jahre alt).

Zudem sind Vereinsmitglieder mit einem höheren sportlichen Leistungsniveau (zum Beispiel Teilnahme an nationalen und internationalen Wettkämpfen) und solche mit längeren Trainingszeiten eher stärker als Vereinsmitglieder im Freizeitsport von Gewalt betroffen. Auch Mädchen und Frauen sowie Vereinsmitglieder mit nicht-heterosexueller Orientierung berichten häufiger von solchen negativen Erfahrungen.

Risikoanalysen und Schutzkonzepte erforderlich

„Alle Vereine sind somit gut beraten, zielgruppenspezifische Risikoanalysen durchzuführen und eigene Schutzkonzepte zu entwickeln“, so heißt es im Fazit der Studie. Dass die Stadt- und Kreissportbünde sowie Landesfachverbände bereits verschiedene Maßnahmen auf den Weg gebracht haben, um die Sportvereine vor Ort beim Schutz vor Gewalt zu unterstützen, belegen die Ergebnisse der Studie „SicherImSport“ ebenfalls.

Dabei haben besonders die Landessportbünde eine wichtige Orientierungs- und Beratungsfunktion für die Mitgliedsverbände in den untersuchten Bundesländern und benötigen zugleich noch mehr Ressourcen, um dieser Verantwortung gerecht zu werden. Rund 60 Prozent der befragten Verbände auf der mittleren und regionalen Organisationsebene des Sportsystems in Deutschland wünschen sich mehr Unterstützung bei der Beratung zum Umgang mit Verdachtsfällen oder konkreten Vorfällen von Gewalt und suchen hier insbesondere bei den Landessportbünden Unterstützung.

Rund die Hälfte der befragten Stadt- und Kreissportbünde sowie Landesfachverbände geben zudem an, dass sie mehr Unterstützung bei der Durchführung von Risikoanalysen und der Entwicklung von Schutzkonzepten benötigen.

Gut sichtbare Anlaufstellen für Betroffene im Sport wichtig

Die Studie „SicherImSport“ zeigt außerdem, dass Betroffene von Gewalt im Sport nur selten über ihre Erfahrungen berichten, und nur selten Unterstützung bei den Sportvereinen oder -verbänden suchen. Vor diesem Hintergrund ist es besonders bedenklich, dass nach den Ergebnissen der Studie nur die Hälfte der befragten Sportverbände über nach außen sichtbare Kontaktmöglichkeiten für Betroffene (zum Beispiel auf ihren Websites) verfügt.

Prof. Dr. Bettina Rulofs von der Deutschen Sporthochschule resümiert: „Anlaufstellen für Betroffene im Sport sind wichtig. Der organisierte Vereins- und Verbandsport sollte dringend nach geeigneten Wegen suchen, wie er proaktiv und gut sichtbar, auf diejenigen zugehen kann, die Rat und Unterstützung bei Gewalterfahrungen benötigen.“