Große Kitsch-Ausstellung in der Rathaus Galerie Raffael-Engel, Wackeldackel, Gartenzwerge

Wuppertal · Eine ungewöhnliche und ungewöhnlich reichhaltig bestückte Ausstellung feiert in zwei Räumen der oberen Etage der Rathaus Galerie noch bis zum 23. November das Phänomen Kitsch. Was Kitsch eigentlich ist und warum unser Leben nicht ohne ihn auskommt? Wer will das beantworten?

 Max Christian Graeff ist Kurator der Ausstellung „In der Schatzkammer der Träume – unsere Sehnscht nach dem Kitsch“. Hier im Bild mit zwei Klassikern, die üblicherweise auf der Auto-Hutablage zu Hause sind – der Wackeldackel und (im Hintergrund) die gestrickte WC-Papierrollen-Verkleidung.

Max Christian Graeff ist Kurator der Ausstellung „In der Schatzkammer der Träume – unsere Sehnscht nach dem Kitsch“. Hier im Bild mit zwei Klassikern, die üblicherweise auf der Auto-Hutablage zu Hause sind – der Wackeldackel und (im Hintergrund) die gestrickte WC-Papierrollen-Verkleidung.

Foto: Simone Bahrmann

Für die Begegnungsstätte Alte Synagoge und das Jüdische Museum Westfalen in Dorsten hat der Wuppertaler Autor, Lektor und Publizist Max Christian Graeff eine Schau mit Sog- und Sucht-Charakter kuratiert. Zahllose Objekte verteilen sich auf zwei Räume, viele Texttafeln liefern (historische) Hintergründe und nachdenklich Stimmendes zum Thema Kitsch, das jeder Mensch kennt – und doch nicht wirklich definieren kann.

Irgendwann um 1880, so Graeff, entstand der Begriff für „Sehnsuchts-Gebrauchsgüter, die aus den Kategorien moderner Kunst fielen“. Seit 150 Jahren ist Kitsch unsterblich – als Schimpfwort und/oder Phänomen der Popkultur. Woher das Wort kommt, ist nie wirklich geklärt worden: „Kitschen“ jedenfalls ist ein alter Handwerksbegriff, der beim Arbeiten mit der Maurerkelle das „Schmieren“ bezeichnet. Viel mehr weiß man nicht.

Ist aber auch egal. Denn wer durch die Ausstellung mit dem sagenhaften Titel „In der Schatzkammer der Träume – unsere Sehnsucht nach dem Kitsch“ unterwegs ist, wird sich auf wohlige oder auch wohlig schaudernde Weise verlieren in einer endlosen Welt von Dingen. Und zwar Dinge – so ehrlich muss man sein –, von denen man die allermeisten kennt. Oder selbst besessen hat, eventuell gar selbst noch immer besitzt. Wie etwa Max Christian Graeff, aus dessen privater Sammlung ein Großteil des Gezeigten stammt.

Die Tour, von der man wahrlich nicht genug bekommen kann, spannt einen riesigen Bogen: Tapeten-Design, die unvermeidlichen Engelchen vom unteren Teil der Sixtinischen Madonna des Raffael in zahllosen Variationen, eine eingestrickte WC-Papierrollen-Verkleidung, der Wackeldackel, ein rustikaler Rumtopf, der röhrende Hirsch, Postkarten, Gartenzwerge, Nussknacker, Reise-Souvenirs oder auch ein Totenkopf-Che-Guevara, der Zigarre raucht, als Spardose. Die Aufzählung wäre nahezu endlos ...

Auch religiösen Kitsch gibt es – christlichen und jüdischen. Oder Politisches aus der Kolonial- und der Nazi-Zeit. Dazu jede Menge abstruses Spielzeug oder Beispiele aus der Kitsch-Literatur. Von der (zugeklappten) „Sex-Kiste“ ganz zu schweigen.

Max Christian Graeff, dessen augenzwinkernde Begeisterung für den Kitsch sich schnell auf den Ausstellungsbesucher übertragt, drückt das so aus: „Kitsch steht für die Sehnsucht nach heiler Welt, für die Hoffnung auf ewige Gemütlichkeit. Wer all diesen Firlefanz und Wohlfühl-Klimbim sieht, kann nur sagen: absoluter Wahnsinn!“

Etwas mitnehmen kann man auch: Ein Selfie am Foto-Point vor einer (kitschigen?!) Wald-Idylle. Oder auch etwas dort lassen: Ein Regal ist reserviert für all das, was Gäste der Schau an Kitsch-Geschenken und Kitsch-Leihgaben mitbringen möchten, um das erstaunliche Spektrum noch zu vergrößern.