Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt Gegen Schock, Scham und den Schmerz

Wuppertal · In Wuppertal gibt es seit November für Frauen die Möglichkeit, nach sexualisierter Gewalt Spuren anonym zu sichern. Die „Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt der Frauenberatungsstelle und Selbsthilfe“ hat ein Netzwerk von Kooperationspartnern geschaffen, die das Projekt der anonymen Spurensicherung unterstützen. Dahinter steckt die Hoffnung, dass mehr Frauen den Mut haben, Anzeige zu erstatten. Egal wann.

 Monika Kindler (links) und Jana Richartz – sie hören Frauen zu, beraten und helfen.

Monika Kindler (links) und Jana Richartz – sie hören Frauen zu, beraten und helfen.

Foto: Simone Bahrmann / Wuppertaler Rundschau

Während medial Feinheiten der Gleichberechtigung besprochen werden, Frauen öffentlichkeitswirksam ihre Rechte einfordern und #meToo zum Quotenrenner wurde, kommt ein Großteil sexualisierter Gewaltverbrechen erst gar nicht zur Anzeige. In 84 Prozent der Fälle – das sagt eine EU-Studie aus dem Jahr 2014 – wird nie ermittelt. Wie kann das heutzutage sein? Warum zeigen Frauen die Täter nicht an? Jana Richartz und Monika Kindler von der Wuppertaler Frauenberatungsstelle haben Antworten, vor allem Lösungen gesucht.

„Sexualisierte Gewalt setzt unter Schock“, sagt Monika Kindler. Die Mitarbeiterin der Frauenberatungsstelle sitzt gemeinsam mit ihrer Kollegin Jana Richartz in den hellen Räumen am Laurentiusplatz, in denen sie oft mit Betroffenen sprechen. Schock, Scham, Schmerz, aus der eigenen Welt entrückt. Das gerade erfahrene Leid in einer Verhörsituation Fremden zu schildern, dazu fehlt oftmals schlichtweg die Kraft.

Die dramatische Konsequenz: Spuren gehen in der Dusche verloren, statt dabei zu helfen, Täter in Prozessen zu überführen. Und Betroffene, die sich dennoch zu einer Anzeige durchgerungen haben, werden in verloren gehenden Prozessen noch stärker traumatisiert.

Die Wuppertaler Mitarbeiterinnen der Frauenberatungsstelle haben sich das Ziel gesetzt, im Bergischen Land Frauen auf dem häufig langen Weg zur Anzeige in einem geschützten Rahmen zu unterstützen. Ihr Netzwerk, in dessen Gründung ein Jahr intensive Arbeit floss, ermöglicht Frauen, die Spuren anonym abzugeben.

In der Düsseldorfer Uniklinik lagern Kleidungsstücke, Spermaspuren oder Haare sorgfältig archiviert ein – bis zu zehn Jahre lang. Durch eine Chiffre-Nummer können die Akten bei einer späteren Anzeigenerstattung zugeordnet werden. Auf dem Weg zu einer selbstbestimmten und reflektierten Entscheidung unterstützt das Wuppertaler Netzwerk ebenfalls.

Die Frauenberatungsstelle bietet Frauen Informationen, Unterstützung und Beratung an. „Wenn eine Frau die Gewalt zur Anzeige bringen möchte, kann sie das mit Hilfe der gesicherten Spuren tun“, sagt Jana Richartz. Entscheidet sie sich dagegen, werden die Asservate nach zehn Jahren vernichtet.

Richartz hofft natürlich, dass mehr Anzeigen erstattet werden, aber vor allem, dass Frauen eines ermöglicht wird: Alle Optionen zu haben. Und sich bewusst zu sein: Egal was sie tun, es ist ihre Entscheidung.

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