"Auf Wirkung getrunken"

Wuppertal · Hilfe zur Selbsthilfe, getragen von der Gemeinschaft: Seit 50 Jahren bieten die 'Anonymen Alkoholiker' mit diesem Konzept Hilfe in Wuppertal.

 Das Logo der Anonymen Alkoholiker.Sie sind unter der Telefonnummer 0176 / 670 47 012 stets zu erreichen.

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Foto: Anonyme Alkoholiker

"Als Jugendliche waren ständig so viele Gedanken in meinem Kopf, die ich nicht ordnen konnte, die mich belastet haben. Irgendwann, so mit 17, merkte ich, dass sich das nach ein paar Gläsern Wein legte, ich mich wohlfühlte", berichtet Anne (56). Es blieb nicht beim Wein: "Kurz danach hab' ich angefangen, heimlich härtere Sachen und immer auf Wirkung zu trinken."

Mehrere Jahre lang ohne offensichtliche Probleme, denn nach außen hin funktionierte sie. Innerlich aber wurde der Druck, das schlechte Gewissen, immer stärker: Nach dem Abitur macht sie einen Entzug. In einer Fachklinik in Gießen, wo sie auch Kontakt zu den "Anonymen Alkoholikern" (AA) bekommt. Diese Gemeinschaft gibt ihr Kraft für ein alkoholfreies Leben, fürs Studium. 13 Jahre lang.

Ein persönlicher Tiefschlag führt zum Rückfall. Wieder sind es die Mitglieder der AA, die sie auffangen, ihr helfen, ihre Tage nüchtern zu gestalten. Seitdem ist Anne trocken und sagt: "Ohne die AA hätte ich mein Leben nicht in den Griff bekommen."

Im April 1965 fand das erste Treffen der Wuppertaler "Anonymen Alkoholiker" in der Völklinger Straße statt. Mit der Intention, sich gegenseitig zu helfen und zu stärken, dem Alkohol eine klare Absage zu erteilen. Parallel zum wirtschaftlichen Aufschwung stieg die Nachfrage nach dem Hilfsangebot, das in den 90er Jahren mit 15 Gruppen in Wuppertal seine Blütezeit erlebte und nach 2000 langsam abebbte. "Mit der Folge, dass heute, 50 Jahre später, noch sechs Gruppen im Tal aktiv sind," berichtet Jochen. Und weiter davon, dass es schwieriger geworden ist, Spenden für die AA, die sich selbst finanzieren, zu bekommen, dass die Personaldecke derer, die als Ansprechpartner 24 Stunden am Tag zur Verfügung stehen, ausgedünnt ist.

Unabhängig davon sind die AA nach wie vor eine wichtige Anlaufstelle für Menschen, die sich ihrer Suchtkrankheit stellen und sie besiegen wollen. Carsten (38): "Die Suche nach Anerkennung hat mich mit 18 über einen Fan-Club zu den ersten Drinks gebracht. Plötzlich war alles leichter und schöner und der Alkohol mein täglicher Freund." Die Nebenwirkungen allerdings hatten es in sich: Arbeitsplatzverlust, schwer kontrollierbare Aggressionen in Verbindung mit einer nicht vorhandenen Tagesstruktur werfen Carsten bald ganz aus der Bahn. Als er wegen Körperverletzung ins Gefängnis muss, dämmert ihm, dass da was schief läuft in seinem Leben.

Im Knast trifft er Mitglieder der AA, wagt mit ihrer Unterstützung einen trockenen Neuanfang. Und wird rückfällig. Erst im vierten Anlauf 2008 gelingt der Durchbruch — bis heute hat er keinen Tropfen mehr angerührt. Dass die die AA ihn zu keinem Zeitpunkt aufgegeben haben, war "das Beste, was mir je passiert ist."

"Wir sind eine Gemeinschaft von ehemaligen Alkoholikern und können uns wegen der eigenen Geschichte gut in die Lage der Menschen versetzten, die Hilfe brauchen und bei uns suchen", erklärt Jochen und berichtet davon, dass der Weg zum Ziel bei den AA ein Weg kleiner Schritte ist. "Einen Tag ohne Alkohol. Wer das geschafft hat, ist auf Kurs. Den zu halten, dabei helfen wir. Ohne Kontrolle, ohne Zwang. Unsere Gruppen sind offen für alle, die sich ehrlich ihrer Sucht stellen und den Zwang zum Trinken durchbrechen wollen. Auch wenn es vereinzelt Rückschläge gibt: Unser Prinzip 'Du musst es selber schaffen, aber du schaffst es nicht allein' funktioniert", sagt Jochen. Anna und Carsten nicken...

(Rundschau Verlagsgesellschaft)
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