Neues Buch von Dieter Jandt Wie in Zeitlupe erzählt
Wuppertal · Dieter Jandt, eine der eindringlichen Stimmen der Wuppertaler Literaturszene, führt die Leser in seinem neuen Roman „Das Haus an der Grenze“ nach Thailand. Und an die Grenze zweier Kulturen.
Dieter Jandt, der sich durch zahlreiche Aufenthalte in Thailand, vor allem im Norden des Landes, wo es an Laos und Myanmar grenzt, gut auskennt, erzählt die Geschichte des Deutschen Lehnert und seiner thailändischen Frau Nok. Eine Geschichte mit Brüchen, eine Geschichte mit einem tragischen Unfall, bei dem Nok durch ihren Ehemann unabsichtlich zu Tode kommt – und eine Geschichte aus der Seele dieses Mannes.
Ergänzt wird der Text durch Abschnitte, in denen ein weiterer Deutscher, der eine thailändische Freundin hat und Lehnert begegnet, zu Wort kommt. Außerdem gibt es historische Rückblicke in die Geschichte Thailands, die aber mit einer historischen Vorlesung nichts zu tun haben. Auch diese Einschübe leben vom detailreichen Blick eines Kenners, der den Scheinwerfer darauf richtet, was (Macht-)Politik in umkämpften Regionen mit den Menschen macht, die dieser Politik meist machtlos gegenüberstehen.
Dieter Jandt erzählt wie in Zeitlupe. Obwohl es in der Romanhandlung keineswegs immer ruhig und gelassen zugeht – eher das Gegenteil ist der Fall –, verströmt der Text eine nachdenkliche Stille. Die kommt vor allem dann zum Tragen, wenn das, was man wohl die Rationalität des westlichen Menschen nennen kann, auf die zahlreichen und tief verwurzelten Facetten asiatischer Religiosität trifft. Und wenn es darum geht, wie sehr die familiären Zusammenhänge den Alltag in Thailand prägen – in Mitteleuropa kaum (noch) vorstellbar.
Fast wie in Trance folgt der Leser den Wegen Lehnerts, den per „Zeitverschiebung“ erzählten Wegen seiner Frau Nok, die ihren Mann zwischenzeitlich verlassen hatte, erlebt die Hoffnungen des deutschen „Aussteigers“ – und deren komplette Enttäuschung. Bis zu einem Schluss, den der Verlag im Klappentext etwas zu reißerisch einen „Showdown“ nennt. Eine Tragödie allerdings ist es, womit Dieter Jandt sein Buch abschließt. Und zwar eine, die auf seltsam schlüssige Weise schon längst unabwendbar erscheint. Das Ende ereignet sich – passend zur gesamten Atmosphäre – wie in Zeitlupe. Und fühlt sich dadurch umso unaufhaltsamer an.
Dieser Roman hat nichts mit irgendeinem touristischen Thailand zu tun. Wer gängige Reisetipps & Co. zu finden hofft, wird enttäuscht werden. Vielmehr hat Dieter Jandt ein Buch über eine Reise ins Innere geschrieben – und zwar gleich ins Innere mehrerer Menschen.
Wie es Jandt beispielsweise gelingt, die eigenartig verschlossenen thailändischen Frauen zu schildern, verdient Applaus. Man erführe gerne mehr, erfährt aber fast nichts.
Stark sind Jandts psychologisch-psychedelische Darstellungen dessen, was sei „Held“ während beziehungsweise nach einem Tempelbesuch erlebt – sowie die immer wieder gewährten Einblicke ins ganz und gar unterschiedliche Innere der so unterschiedlichen Personen.
Der Kunstgriff, den zweiten Deutschen, der wie ein sachlich-nachdenklicher Kommentator „funktioniert“, einzuführen, bindet die Kapitel zusammen. Und führt das Ganze zu einem, wenn man so will, guten Ende – mit einem starken Schlusssatz.