Kreuz-und-quer-Gespräch Die Bibel und das ewige Leben

Wuppertal · Wie geht es nach dem Tod weiter? Diese Frage ist so alt wie die Menschheit. Theologieprofessor Kurt Erlemann geht ihr am Mittwoch (21. Februar 2024 im ökumenischen Kreuz-und-quer-Gespräch nach. Beginn ist um 19:30 Uhr im Evangelische Gemeindezentrum Sonnborn (Kirchhofstraße 20).

 Prof. Dr. Kurt Erlemann leitet den Lehrstuhl für Neues Testament und Geschichte der Alten Kirche an der Uni Wuppertal.

Prof. Dr. Kurt Erlemann leitet den Lehrstuhl für Neues Testament und Geschichte der Alten Kirche an der Uni Wuppertal.

Foto: Sebastian Jarych (BUW)

Umfragen zufolge glauben fast 50 Prozent der Deutschen nicht an ein irgendwie geartetes Leben nach dem Tod. Bewegt die Frage heute eigentlich noch?

Erlemann: „Ich denke schon, dass sie viele Menschen bewegt, aber Antworten suchen die Menschen heute nicht mehr in der Kirche und Theologie. Wir leben in einer Gesellschaft, in der der Glaube immer mehr zur Privatsache geworden ist, was sich für mich auch daran zeigt, dass Beerdigungen immer häufiger von freien Rednern statt Pfarrerinnen und Pfarrer gehalten werden. Da erlebe ich dann eine große Nüchternheit und einen starken Bezug auf das Diesseits. Und wer die Begriffe „ewiges Leben“ googelt, ist eher mit der Frage konfrontiert, wie der Mensch auf Erden ewig leben kann als ob ihn nach dem Tod ein anderes und welches Leben erwartet.

Welche Rolle spielt die Frage für Sie als Theologe?

Erlemann: „Ich finde sie sehr spannend. Schon 2014 habe ich unter dem Titel ,Vision oder Illusion‘ ein Buch über die Zukunftshoffnungen im Neuen Testament geschrieben und mich dabei natürlich auch mit der Erwartung der frühen Christinnen und Christen beschäftigt, dass Jesus wiederkommt und damit diese Welt endet.

Diese Vorstellung durchzieht das gesamte Neue Testament, aber sie hat sich – wie wir wissen – bis heute nicht erfüllt. Es gibt viele Bibelstellen, in dem indes vom ewigen Reich Gottes die Rede ist, das schon im Hier und Jetzt erfahrbar ist in der Gemeinschaft mit Gott, aber auch mit anderen Menschen.“

In der Bibel gibt es viele Stellen, an denen Menschen konkret wissen wollen, wie denn das Reich Gottes, die Ewigkeit, aussieht. Wie konkret wird die Bibel?

Erlemann: „Wir finden sehr bildreiche Erzählungen vom Paradies, in dem Mensch und Tier friedlich zusammenleben, von der Goldenen Stadt Jerusalem und vom Jüngsten Gericht. Auch die Frage, ob der Mensch nach seinem Tod noch als derjenige erkennbar ist, der er im Leben war, beschäftigt die Menschen in der Bibel. Im Neuen Testament wird an verschiedenen Stellen beschrieben, dass der Auferstandene für seine Jünger wiedererkennbar derselbe ist, aber eben auch ganz anders.“

Die Jenseitsvorstellungen im Christentum sind untrennbar mit einem Jüngsten Gericht verbunden. Es wurde lange dazu missbraucht, Menschen zu einem bestimmten Lebensstil zu erziehen. Wie können wir heute damit umgehen?

Erlemann: „Die Bilder vom Jüngsten Gericht sind sehr drastisch, aber ich halte sie für wichtig. Allen biblischen Darstellungen vom Gericht ist gemeinsam, dass darin die Menschen über ihre Taten Rechenschaft ablegen müssen und Gott die Macht des Bösen bricht. Sie erinnern uns daran, dass Gott auch ein Gott der Gerechtigkeit ist, dem nicht egal ist, wie wir Menschen leben und mit der Schöpfung und unseren Mitgeschöpfen umgehen.

Er ist derjenige – und das unterscheidet ihn vom Gott der anderen Weltreligionen -, der uns eigenverantwortlich handeln lässt und uns nicht vor eigenen Fehlern bewahrt. Durch das Leben von Jesus Christus zeigt er aber, wie ein Leben nach seinem Willen aussehen kann und dass Liebe, Treue und Versöhnung die Konstante darin sein sollten. Wirklich ,gerecht‘ können wir als Menschen nicht sein. Das werden wir nur – um mit Paulus und Luther zu sprechen – aus Glaube und Gnade.“

Wenn Menschen von Nahtoderfahrungen berichten, spielt das Gericht selten eine Rolle, sondern eher ein wohliges Gefühl und helles Licht. Wie deckt sich das mit der christlichen Glaubenslehre?

Erlemann: Ich übersetze den Begriff des „ewigen Lebens“ gerne mit einem „Leben in Fülle“, in dem wir letztlich versöhnt sind mit uns, den Mitmenschen, dem Planeten. Dazu passt das Bild des Lichts, aber wir sollten uns klarmachen, dass alle Bilder, die wir über ein Leben jenseits des Todes im Kopf haben, aus dem Diesseits stammen.

Eine mittelalterliche Legende erzählt von zwei Mönchen, die es genau wissen wollten. Sie hatten sich abgesprochen, und der zuerst Gestorbene erschien dem anderen in der nächsten Nacht. „Qualiter?“ – wie ist es drüben – fragte, wie verabredet, der Überlebende. ,Taliter‘ – so, wie wir es uns gedacht haben – oder ,aliter‘ – anders – sollte der Gestorbene antworten. Aber der sagte nur lächelnd: ,Totaliter aliter‘, also vollkommen anders.“

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