Stadt erhält Landesmittel für Kunstwettbewerb WDG: Brekers Skulptur wird kritisch kommentiert

Wuppertal · Noch ist der große Steinsockel am Eingang des Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasiums (WDG) am Johannisberg leer. Im vergangenen Sommer hatte die Stadt die Statue der „Pallas Athene“, die dort seit 1957 gestanden hatte, für eine Ausstellung über jene regimetreuen Künstler nach Berlin ausgeliehen, die die Nationalsozialisten als „gottbegnadet“ gefeiert hatten. Seit ihrer Rückkehr liegt die Skulptur nun in einem Depot des städtischen Von-der-Heydt-Museums. Und wenn sie irgendwann an ihren angestammten Platz zurückgekehrt, wird die Athene an dieser prominenten Stelle nicht mehr allein sein – das steht seit dieser Woche fest.

 Noch ist der Sockel (neben den Streugutboxen) am Haupteingang des WDG verwaist.

Noch ist der Sockel (neben den Streugutboxen) am Haupteingang des WDG verwaist.

Foto: Wuppertaler Rundschau/jak

Nach Informationen der Wuppertaler Rundschau hat das Land der Stadt insgesamt 250.000 Euro für einen künstlerischen Wettbewerb zur Verfügung gestellt. Damit soll dem seit Jahrzehnten umstrittenen Kunstwerk ein zeitgenössisches kommentierend entgegengestellt werden.

Kein harmloser Künstler

Umstritten ist die Athene zum einen, weil sie von der Hand des Lieblingsbildhauers von Adolf Hitler, des 1900 in Elberfeld geborenen Arno Breker, stammt. Umstritten ist sie aber auch aus einem zweiten Grund: Zwar galt Athene in der griechischen Mythologie auch als Göttin der Weisheit. Breker stellte sie aber mit Helm, Speer und Schild als Göttin des Kampfes dar.

„Damit geht man nicht in die Bibliothek“, hatte schon vor Jahren der angesehene Kunsthistoriker Walter Grasskamp festgestellt. „Zu sagen, das sei die Göttin der Weisheit und der Künste, unterschlägt, dass sie in erster Linie – und das steht in jedem Handbuch der antiken Mythologie – die Göttin des Krieges war.“

Breker nennt er einen „ausgemachten Schurkenkünstler, „... der völlig gewissenlos, skrupellos, rücksichtslos eine Karriere unter einem absolut unmenschlichen, totalitären Regime verfolgt hat. Das ist kein harmloser Künstler und man kann ihn auch nicht harmlos reden.“

Im Zuge des Umbaus hatte deshalb die Schulkonferenz des WDG – Mitglied der Aktion „Schule ohne Rassismus“ – bei der Stadt beantragt, das Werk des NS-Bildhauers Breker vor dem Eingang zu entfernen. Vorausgegangen waren Diskussionen im Unterricht und in allen Gremien der Schule. Als die Stadt das – ohne auf die Person Brekers einzugehen – formal aus Denkmalschutzgründen ablehnte, lud die Schule im Dezember 2019 zu einer Podiumsdiskussion ein.

Teil nahmen unter anderem NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen, Brigitte Franzen, damals Vorstand der Ludwig-Stiftung, der städtische Beigeordnete für Kultur Matthias Nocke, und Felix Krämer, Generaldirektor des Museums Kunstpalast in Düsseldorf, der unter anderem sagte: „Diese kriegerische Figur ist hier einfach fehl am Platz; man kann schon zu Recht fragen: Ist das wirklich der Kontext, der zu einer Schule passt? Wenn sie das nicht mehr will, sollte man Schüler und Lehrer ernst nehmen. Außerdem reden wir hier nicht über große Kunst.“

Ministerin hielt Wort

Am Ende des Abends vor zweieinhalb Jahren stand schließlich ein Kompromiss, den Brigitte Franzen vorgeschlagen hatte: „Warum stellt man der Athene nicht eine aktuelle künstlerische Gegenposition in Gestalt eines zweiten Kunstwerks gegenüber?“ „Ein zeitgenössischer Kommentar durch Kunst ist viel besser als irgendein Text“, ergänzte Museumsdirektor Felix Krämer. Und zur Frage der Finanzierung einer solchen Aktion gab die Ministerin lächelnd zu Protokoll: „Es ist notwendig, dass wir uns mit Künstlern und Kunst aus dem Kontext des Nationalsozialismus auseinandersetzen und Position beziehen, statt die Werke schlicht aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Das Geld würden wir auch noch irgendwo herbekommen.“

Die Ministerin hielt Wort – auch wenn die Stadt den entsprechenden Antrag erst zwei Jahre später, im Dezember 2021, einreichte: Eine Jury soll zunächst 20 Künstlerinnen und Künstler benennen, von denen dann fünf ausgewählt werden, einen konkreten Entwurf abzugeben. Dem Gremium gehören unter anderem Vertreterinnen und Vertreter aus Verwaltung, Kulturausschuss und Schule, Museumsleute aus Düsseldorf, Köln und Wuppertal sowie Künstlerinnen und Künstler an.

250.000 Euro für Wuppertal

25.000 Euro stehen dafür aus Landesmitteln noch in diesem Jahr, weitere 225.000 Euro für die Honorierung der Entwürfe und die Umsetzung des letztlich erfolgreichen Konzeptes zur Verfügung. Den entsprechenden Zuweisungserlass soll die zuständige Bezirksregierung noch in dieser Woche an die Stadt übermitteln. Dann liegt es an der Verwaltung, den Wettbewerb zu organisieren.

Die Schule freue sich „natürlich riesig über die Realisierung des lange und zäh ausgehandelten Kompromisses“, so die erste Reaktion von Martin Schulte, Mitglied der erweiterten Schulleitung. „Unser Dank gilt außerhalb der Schulgemeinde vor allem allen, die an der Podiumsdiskussion mitgewirkt haben, hier besonders Frau Pfeiffer-Poensgen, die ja in diesem Rahmen die Idee eines kontrastierenden Kunstwerks ins Spiel gebracht hat und ihr Wort gehalten hat, sich für die Umsetzung stark machen zu wollen. Dass die Position der Schule nun dauerhaft nach außen sichtbar wird, passt zum Selbstverständnis der Schulgemeinde, für ihre Werte einzustehen.“

Auch Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen ist zufrieden mit dem Ergebnis: „Im Fall der Pallas Athene konnte jetzt nach einer jahrelangen Diskussion eine gute Lösung gefunden werden, für die ich mich auch persönlich eingesetzt habe: Die im Wettbewerb vergebene künstlerische Kommentierung ermöglicht eine kritische zeitgenössische Reflektion der Skulptur, die aufklärende Wirkung entfalten und damit auch der Mündigkeit der Betrachterinnen und Betrachter Rechnung tragen kann. Den Wettbewerb fördern wir als Land daher mit voller Überzeugung."

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