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Wuppertal: Schreiben an Walter-Borjans war keine Beleidigung

Umstrittenes Schreiben an Walter-Borjans : „Rote Null“ war keine Beleidigung

Ein vermeintlich beleidigendes Schreiben, das ein erzürnter Wuppertaler an den damaligen NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans schickte, beschäftigte jahrelang die Instanzen. Jetzt urteilte das Amtsgericht: Der Inhalt ist durch die Meinungsfreiheit gedeckt.

Schon dass er Rundfunkgebühren zahlen musste, hatte einem Wuppertaler nicht gepasst. Der 45-Jährige hatte dagegen geklagt und wollte die Kosten für den Rechtsstreit in seiner Steuererklärung geltend machen. Als er darüber mit den Finanzbehörden in Streit geriet und inmitten des Schriftverkehrs ein Rundschreiben des damaligen Finanzministers fand, platzte dem Mann der Kragen. Dass Steuern keinen Spaß, aber Sinn machen würden: Das hatte Norbert Walter-Borjans den Bürgern im Allgemeinen und damit auch dem Wuppertaler in seinem Appell mit auf den Weg gegeben. Die Lektüre dieser Zeilen hatte wiederum den Angeklagten dazu bewogen, seinen Unmut auf vierzig Seiten niederzuschreiben. Adressiert an das Finanzamt in Barmen, zur Weiterleitung an die Finanzverwaltung NRW und gipfelnd in dem Wortlaut: „Solange in Düsseldorf eine rote Null als Genosse Finanzminister dilettiert, werden seitens des Fiskus die Grundrechte und Rechte der Bürger bestenfalls als unverbindliche Empfehlungen behandelt.“

Beim Finanzamt schrillten damals die Alarmglocken - man brachte die Sache zur Anzeige. Straftatbestand: Beleidigung. Es folgte ein Strafbefehl, den der Angeklagte nicht akzeptierte. Amtsgericht, Landgericht und Oberlandesgericht: Die Akte wurde seit dem Frühjahr 2017 durch alle Instanzen gereicht. Bis hin zum Bundesverfassungsgericht, dass sich nicht nur dieser, sondern gleichzeitig auch noch dreier Verfahren mit ähnlichem Tenor angenommen hatte. Dort war man der Ansicht, dass sich die Gerichte nicht ausreichend mit der Situation befasst hätten, in der die Äußerungen gefallen seien. Die Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut und ihr Gewicht sei umso größer, je mehr die Äußerung darauf ziele, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten. Zudem seien einem Minister härtere Äußerungen zuzumuten als beispielsweise einem Lokalpolitiker. Dieser Auffassung schloss sich nun auch das Amtsgericht an - dorthin war die Sache zur Neuverhandlung zurückverwiesen worden. Der Angeklagte wurde freigesprochen.

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Im Klartext heißt das: Die „rote Null“ hat Norbert Walter-Borjans nun nachträglich ebenso hinzunehmen wie die Aussage, dass er als Genosse Finanzminister dilettiere. „Es handelt sich um einen Justizskandal, weil alle Vorinstanzen gegen die Meinungsfreiheit entschieden haben“, hing der Verteidiger des Angeklagten die Sache ziemlich hoch, um gleichermaßen davon zu sprechen, dass mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nun Justizgeschichte geschrieben worden sei. Grundsätzlich sei zwischen Meinungsfreiheit und der Wahrung von Persönlichkeitsrechten abzuwägen, so die Richterin. Relevant sei auch, inwieweit die Äußerungen verbreitet worden seien.